Obscuri
Passus II - Getrennte Wege - Druckversion

+- Obscuri (https://obscuri.schattenwanderer.net)
+-- Forum: Rollenspiel (https://obscuri.schattenwanderer.net/forumdisplay.php?fid=3)
+--- Forum: Der Weg in den Norden (https://obscuri.schattenwanderer.net/forumdisplay.php?fid=9)
+--- Thema: Passus II - Getrennte Wege (/showthread.php?tid=90)

Seiten: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18


Passus II - Getrennte Wege - Tryss - 15.11.2010


Foto: Carsten Tolkmit | Flickr.com. This work is licensed under a Creative Commons Attribution-ShareAlike 2.0 Generic Licence.

Passus II - Getrennte Wege

Eine Woche war vergangen, seit Skadi die Gruppe der Retter ihrerseits vor den Hunden gerettet hatte. Die Dankbarkeit gegenüber der Fähe war groß, auch wenn der Schock über den Verlust von Ares tief saß. Die Stimmung bei Kaya und Tamias war keinesfalls die beste. Die Gespräche waren nüchtern und kühl in den nächsten Tagen, was vielleicht auch an der Anspannung lag die die Anwesenden beschlichen hatte. Immerhin wusste noch niemand, was mit Zcara und Seritas geschehen war. Doch als nach drei Tagen immernoch kein Lebenszeichen der beiden zu entdecken war, schien es mehr als wahrscheinlich, dass auch sie der nächtlichen Aktion und den Menschen zum Opfer gefallen waren.

So lautete die Rechnung unter dem Strich 3 Tote gegen eine gerette, wenn auch trächtige Fähe. Kein sehr erbauliches Ergebnis und den jungen Rüden Tryss beschlich das Gefühl, dass sowohl Tamias als auch Kaya ihm heimlich die Schuld für das Dilemma zuschoben. Immer gereizter wurde die Stimmung, die Luft heißte sich auf mit einer unerträglichen Spannung - welche sich am siebenten Tag in einem heftigen Streit zwischen den Rüden entud. Während die Fähen kaum viel zu sagen hatten, weil sie die Situation nicht kannten und Tamias seine Meinung nur knapp äußertel, machten sich Kaya und der Jungrüde gegenseitig Vorwürfe, zeigten sich die Zähne und gaben drohende Gebärden von sich. Das Ergebnis war keinesfalls das, was sich die Wölfin von damals gewünscht hatte, als sie die Wölfe auf ihren Weg geschickt hatte. Man trennte sich. Tryss verließ die Gruppe und machte sich voller Wut allein auf den Weg. Doch er sollte nicht allein gehen. Arkanis konnte nicht verstehen, wie sich so viel Sturheit an einem Platz versammeln konnte und folgte dem Jungen - vielleicht auch aus Dankbarkeit- während Tamias, Kaya und Skadi ihrerseits allein auf den weiteren Weg machten.


Kurzinformationen

Datum: 10. April 1202
Tageszeit: Mittag
Temperatur: um die 19°C
Wetter: trocken, mild und sonnig
Situation in Kürze: Nach einem Streit über die Ereignisse im Menschendorf trennt sich die Gruppe. Während Tryss und Arkanis ihren eigenen Weg suchen, machen sich Kaya, Tamias und Skadi ihrerseits auf den Weg in den Norden.



- Tryss - 15.11.2010

Ich wusste, dass die Aktion im Dorf nicht gut gelaufen war. Natürlich wusste ich es, ich brauchte nicht zu fragen – ausnahmsweise – denn die drei Wölfe, die wir verloren hatten, sprachen doch für sich. Vor allem der Verlust von Ares machte mir schwer zu schaffen. Ich hatte den Rüden gemocht, wirklich gemocht, obwohl wir uns gar nicht lange gekannt hatten. Leise hatte er sich in mein Herz geschlichen, als er sich mir anschloss und mich als wohl einziger nicht für verrückt erklärte die Fähe befreien zu wollen. Und nun war er mit Pauken und Trompeten daraus verschwunden – soweit das eben ging. Jeden einzelnen der vergangenen Tage hatte ich gehofft, dass er wieder zu uns zurückkehren würde. Vielleicht verwundet, schwer verletzt oder aber mit Seritas und Zcara. Aber nichts passierte und ich begann zu begreifen, dass Ares wohl nicht fröhlich und gutgelaunt am Horizont auftauchen würde.

Natürlich fühlte ich mich schuldig – aber ich konnte nicht ändern was geschehen war und voraussehen, was geschehen würde, hatte ich auch nicht können. Warum machten sie mir einen Vorwurf daraus? Warum drehten sie mir einen Strick daraus, dass ich einer Gefangenen hatte helfen wollen? Diese verdammten Sturköpfe!Tamias hatte nicht viel gesagt, aber ich wusste, dass er sich innerlich auf die Seite des alten Griesgrams Kaya schlagen würde. Was hätten sie denn getan? Wahrscheinlich wären sie bis zum Morgengrauen um die Häuser der Menschen gestrichen und hätten ausgekundschaftet, nur um festzustellen, dass sie nichts tun konnten oder es zu spät war. Dann hätten wir der Fähe zusehen können, wie die Zweibeiner ihr das Fell über die Ohren zogen. Eine wahrlich wahnsinnig löbliche Alternative. Ich brummte leise und legte die Ohren ein wenig enger an meinen Kopf. Es passierte schon wieder. Seit Stunden spielte ich den Streit und die Diskussionen mit Kaya immer wieder in meinem Kopf durch. Und schon wieder brachten mich die Gedanken in furchtbare Rage. Ich spürte eine Wut in mir aufsteigen, wie ich sie kaum in meinem jungen Leben empfunden hatte. Das war sicher nicht der Weg von dem die Wölfin gewollt hätte, dass wir ihn gehen. Aber was hätte ich tun sollen? Ich konnte den Weg nicht mit Wölfen fortsetzen, die mir nicht vertrauten. Die meinem Urteil nicht vertrauten und mich für einen dummen kleinen Jährling hielten.

"Warum kommst du mit mir, Arkanis? Du musst mich nicht begleiten. Ich bin jung und unerfahren, wahrscheinlich wärst du bei Kaya, Tamias und Skadi besser aufgehoben. Sie sind vernünftiger, reifer und du schuldest mir nichts."

Ich hatte die Gedanken gewaltsam abgeschüttelt und war stehengeblieben. Nun wandte ich mich zu Arkanis um, die mir gefolgt war nachdem ich mich von den beiden Sturköpfen losgesagt hatte. Natürlich war das, was ich sagte nicht wirklich das, was ich dachte. Aber ich hatte keineswegs vor die beiden Rüden vor der Fähe schlecht zu machen – schon gar nicht, da die Fähe tatsächlich trächtig war und ich einsehen musste, dass ich sihr wohl kaum den Schutz bieten konnte, den sie brauchen würde. Und von Welpen hatte ich keine Ahnung. Wie zog man sie auf? Was brauchten sie? Fraßen sie Fleisch? Und ab wann? Wer würde sie jagen lehren? Und wer jagte für Arkanis? Konnte ich das überhaupt bewerkstelligen? Nein, ich fürchtete nicht. Ich war ja selbst noch fast ein Welpe – zumindestens wenn man es mit Griesgram-Augen sah. Trotzdem war ich der Fähe irgendwie dankbar, dass sie mich nicht so einfach hatte ziehen lassen. Auch wenn ich mich tatsächlich fragte, warum sie es überhaupt tat.

[Arkanis | irgendwo in einem Waldgebiet]


- Arkanis - 16.11.2010

Das Glück hatte mich wohl verlassen. Ich hatte das Rudel Delailas verlassen und gleichsam auch Aryan, in dem ich zumindest für eine kurze Zeit meinen Seelenverwandten gesehen hatte. Auf meiner daraufhin wieder einsamen Wanderung hatte ich in meinen Eingeweiden merkwürdige Geschehnisse registriert und abgelenkt wie ich dadurch war geriet ich schließlich in einen Hinterhalt der Menschen. Mein Ende schien nahe, bis das auftauchte, was ich so lange Zeit erfolgreich gemieden hatte: Artgenossen. Sie tauchten nicht nur auf, sondern befreiten mich auch gleich von meinen zweibeinigen Häschern, allerdings mit offenbar verheerenden Konsequenzen für ihre kleine Gesellschaft. Die nächsten Tage nutzte ich jedoch wenig grübelnd zum Schlafen. Ich verschlief die Tage und fast ebenso konsequent auch die Nächte. Sofern dies neben der fortwährenden Fortbewegung der Gruppe, in welcher ich mich zwangsweise befand, möglich blieb. Nach und nach kehrten die verlorenen Kräfte in meine ausgelaugten Glieder zurück und ich erholte mich langsam. Wenn ich nicht gerade schlief war ich damit beschäftigt meinen stinkenden Pelz ausgiebig zu reinigen, mir meinen aufgedunsenen Bauch zu besehen oder die umliegenden Büsche nach Mäuselöchern abzusuchen, die ich ausheben konnte. Kurz gesagt: Ich lief auf Sparflamme und hörte auch den Streitereien unter den drei Rüden nur mit halbem Ohr zu bis sich die Gruppe teilte. Tryss, wie ich inzwischen aufgeschnappt hatte, suchte das Weite.

Seufzend war ich dem jungen Sturkopf gefolgt. Als er endlich stehenblieb setzte ich mich sogleich auf die Hinterläufe und schwang meine nun wieder plüschige Rute elegant wie eine Katze um die Pfoten. Mit kühlen, klugen Augen betrachtete ich den Jüngling, der so in Rage schien ohne ein Wort zu sprechen. Ich schwieg noch länger, bis er sich den ersten Frust von der Seele gesprochen hatte.

“Das weiß ich wohl und ebenso wenig bin ich dir Rechenschaft schuldig.“

Mein Antrieb blieb ein Geheimnis. Ich war dem jungen Rüden nicht etwa gefolgt, so wie er es annahm, weil ich mich in seiner Schuld sah. Es war viel mehr eine Mischung aus Faulheit und Eigennutzen, so konnte man es vielleicht beschreiben. Ich hatte mich gezwungenermaßen dem Jüngling bereits annähern müssen, als dieser meine Stütze auf der Flucht war. Den beiden Älteren war ich im Gegensatz dazu noch nicht nahe gekommen und ich war nun einmal nicht die kontaktfreudigste Fähe unter diesem Himmel. Es lag mir fern gleich mit jedem zu liebäugeln. Da hielt ich mich doch lieber an Tryss. Hier hatte ich die Bekanntmachungen immerhin schon hinter mir. Andererseits erinnerte mich seine Situation an meine Vergangenheit. Er war ein Außenseiter, kurz davor verstoßen zu werden, durch eine fehlerhafte Entscheidung unter der mehr als nur er selbst zu leiden hatte. Ob ich hier wieder gut machen wollte, was mir damals falsches wiederfahren war? Doch genug von mir. Meine grauen Augen fixierten den Jüngeren.

“Wo willst du jetzt hin, Tryss? Was wirst du tun?“

Ich wusste, dass ich sein aufgebrachtes Gemüt nicht dazu zwingen konnte die wesentlich klügere Entscheidung zu treffen und zu den anderen zurückzukehren. Ich musste das Problem anders angehen und den Jüngling dazu bringen selber auf diese Idee zu kommen und sie für richtig einzustufen. Das würde jedoch ein ordentliches Stück Arbeit werden, denn dieser Jungwolf war keineswegs auf den Kopf gefallen. Das war mir gleich an ihm aufgefallen.

[sitzt bei Tryss | irgendwo in einem Waldstück]



- Tryss - 19.11.2010

Ich seufzte lautlos. Was war bloß in diese Wölfe gefahren? Jeder, der einem begegnete, wollte nicht auf Fragen antworten. Was sahen sie bloß alle Schlechtes darin? Was war so schlimm daran, wenn man etwas wissen wollte, wenn sich weiterbilden wollte, mehr erfahren wollte? Wenn man etwas lernen wollte und daran sein weiteres Leben ausrichten wollte? Wie konnte ich mich verbessern oder anders handeln lernen, wenn man mir nicht sagte, was falsch war. Wenn man mir nicht erklärte, worum es ging und mir beantwortete, was ich an Fragen auf dem Herzen hatte? Für einen kurzen Augenblick tauchte die Gestalt meines Vaters vor meinem geistigen Auge auf. Er hatte mir gelehrt, dass es nie falsch war wissbegierig und neugierig zu sein. Ganz im Gegenteil. Er hatte mich immer ermuntert zu fragen, nachzuhaken und nicht locker zu lassen, bis mir ein Sachverhalt vollkommen klar erschien. Geh deinen Weg, mein Sohn, aber verlasse ihn nicht ohne die Welt verstanden zu haben, hatte er immer zu mir gesagt. Aber soweit ich mich entsinnen konnte, war er neben dem Rest meiner Familie der einzige Wolf gewesen, der mich geduldig und ohne ein Zeichen der Genervtheit angehört hatte.

Arkanis' Frage riss mich aus meinem Gedanken. Für einen Augenblick sah ich sie schweigend und ernst an, dann schüttelte ich leicht den Kopf. Ja was wollte ich eigentlich tun? Bis auf das Ziel der Wölfin hatte ich nur eines verfolgt bisher und das war in ebenso weite Ferne gerückt wie der Weg in den Norden. Ich wusste nicht, wo der Norden lag, war ich doch noch viel zu unerfahren um solch ein Wissen mein Eigen nennen zu dürfen. Genau das war doch der Grund gewesen, warum ich mich Tamias und Kaya angeschlossen hatte. Zwar klangen die Worte der Sterbenden durchaus noch in meinem Kopf wieder. Ihre Wegbeschreibung war halbwegs detailliert gewesen, aber für mich doch verwirrend. Die beiden älteren Wölfe aber hatten Lebenserfahrung, sie waren umhergewandert und wussten vermutlich viel besser, wo es lang ging.

"Ich weiß nicht. Wahrscheinlich werde ich meine Familie suchen oder mich weiter auf den Weg gen Norden machen, wie es die Wölfin uns sagte. In ein Land ohne Menschen und ohne Todesangst. Ein schöner Traum."

Ich lächelte schwach und musste wieder an Ares denken. Auch Ares, so schien es, hatte mich gut ertragen können. Er hatte sich nie beklagt. Und nun war er gegangen und das war mein Fehler. Die Menschen hatten ihn entweder gefangen genommen oder er war von den Hunden getötet worden. Sonst wäre er zurückgekehrt. Es war grausam. So viel Leid, weil wir überleben wollten während der Mensch uns unsere Lebensräume nahm. Es war wirklich ein wunderschöner Gedanke, Ein Land in dem es soetwas nicht gab. In dem man uns nicht jagte. Ich hoffte, dass ich das noch erleben durfte – und mit mir meine Familie, wenn ich sie denn finden sollte.

"Wo ist eigentlich deine Familie? Dein Rudel? Wie bist du überhaupt in diesen Käfig gelangt und – verzeih – aber wo ist derjenige, der für das Leben in dir gesorgt hat, der Vater deiner Welpen? Ich will nicht aufdringlich sein, aber wenn du sie suchen willst, bin ich dir gerne behilflich. Wenn du deinen Nachwuchs erst zur Welt bringst, kann ich dir wahrscheinlich keine große Hilfe sein. Das heißt wir brauchen Unterstützung. DU brauchst Unterstützung – oder du gehst zurück zu den anderen. Ich komme auch allein zurecht."

Mittlerweile hatte er sich ebenfalls auf seine Hinterpfoten niedergelassen und blickte sie unverwandt aufmerksam an. Dieses Mal würde ich mich wohl nicht so einfach abweisen lassen.

[Bei Arkanis]


- Arkanis - 20.11.2010

Ich beobachtete die Mimik des Jünglings genau. Er schien mir unzufrieden und unschlüssig, als hätte er sein Ziel aus den Augen verloren. Ich nahm mir die Zeit ihm aufmerksam zuzuhören und stellte fest, dass es offensichtlich genau so war: entweder oder. Der junge Rüde wusste nicht mehr welchem Weg er folgen sollte. Fatal, das wusste ich von meinem eigenen Leben als Wanderer. Wenn man sein Ziel verloren hatte, dann hörte man auf zu leben und vegetierte nur noch vor sich hin. Genau das war mir selbst erst vor kurzem wieder passiert und der Mensch hatte diesen Moment der Schwäche gleich nutzen und mich fangen können. Dieses Schicksal des Verlorengehens hätte ich dem jungen Wolf vor mir gerne erspart. Es war eine verzichtbare Erfahrung für sein hoffentlich noch langes Leben. Woher dieses Mitgefühl in mir rührte konnte ich nicht sagen, entweder probte ich bereits Muttergefühle oder ich wollte diesem Rüden wirklich etwas zurückgeben von dem, was er für mich geopfert hatte. Der andere Rüde beim Käfig, den ich seit dieser Nacht nicht mehr gesehen hatte, schien ein Freund von dem Jüngling gewesen zu sein und ich glaubte längst nicht mehr daran, dass er es geschafft hatte. Traurig, aber es berührte mich nicht näher musste ich zugeben. Trotzdem waren vermutlich ein paar tröstende Worte angebracht, ehe ich Tryss irgendwie zu den anderen zurücklotsen konnte, aber noch bevor ich die Zähne auseinanderbekam, plapperte der Wolf vor mir auch schon weiter.

“Du stellst so viele Fragen.“

Ich seufzte schwer und deutlich hörbar.

“Tryss ich will ehrlich mit dir sein. Ich bin kein besonders geselliger Wolf und schon gar keiner, der gerne über sein Leben und seine Geheimnisse plaudert, aber…“

Erneutes Seufzen, dann ein strenger und ebenso ernster Blick gen Tryss.

“…aber ich werde dir einige Antworten geben. Behalte sie jedoch für dich. Ich hoffe das kannst du. Ich ließ meine Familie schon lange Zeit hinter mir zurück und seither bin ich die meiste Zeit alleine mit mir selbst. Ich hätte mich noch vor Kurzem beinahe einem Pack angeschlossen und dort wirst du auch den Vater meiner Brut finden, doch ich blieb nicht. Beinahe ist eben nur beinahe und ich möchte auch nicht dorthin zurückkehren. Das wird bis hierhin alles sein, was ich dir über meine Vergangenheit erzählen kann. Also zurück zu dir.“

So viel hatte ich zuletzt mit Ariyan gesprochen. Der große Dunkle war der letzte gewesen mit dem ich sogar gerne Gespräche geführt hatte. Sie waren stets geistreich und anregend gewesen und immer zu ein Balanceakt. Die Stimmung des Rüden war bei einem einzigen falschen Wort schneller umgeschlagen als das Wetter in den Bergen. Unterhaltungen mit Tryss schienen leichter. Anscheinend war er bereits zufrieden wenn man überhaupt mit ihm sprach. Ganz im Gegensatz zu mir, aber irgendwie musste ich mir eingestehen, dass seine Gesellschaft erfrischend war. Vielleicht war ich deshalb ihm gefolgt und nicht klüger gewesen und bei den anderen geblieben. Die anderen, ja, dahin wollte ich ihn ja zurückbringen. Als nächstes versuchte ich ein fast freundliches Lächeln.

“Wovor läufst du weg? Du glaubst doch nicht, dass dein Freund sein Leben dafür gegeben hat, dass du es gleich wieder wegwirfst und dich lieber alleine auf die Pfoten machst.“

[bei Tryss]



- Tryss - 24.11.2010

Ich betrachtete die Fähe vor mir und versuchte in ihrem Mienenspiel zu erkennen, was sie dachte. Es war ein Jammer, dass ich so wenig davon verstand in der Mimik anderer zu lesen. Ich war nicht ungeübt, aber es war mir schon immer leichter gefallen anderen Fragen zu stellen und so ihre Gedanken zu erkunden, als ihre Gesichtszüge auszuspionieren. Auch wenn diese Art der Gemütserkundung meiner Ansicht nach keineswegs dazu beitrug sein Gegenüber wirklich kennen zu lernen. Man konnte so viel dabei falsch machen, so viel falsch deuten. Ein Gespräch war die sicherere Variante – auch wenn nicht jeder begeistert davon war eines zu führen. Ich musste wohl erkennen, dass Arkanis eher zu dieser nichtbegeisterten Sorte von Wölfen gehörte. Aber damit hatte ich zu leben gelernt. Es war wirklich erstaunlich, aber auch ich konnte den Fang halten. Und das tat ich dann auch, sah sie ebenso ernst an wie sie mich und nickte stumm. Wem hätte ich auch erzählen sollen, was sie mir sagte? Kaya? Tamias? Dem Wald? Den Eichhörnchen oder einem streunenden Fuchs? Den Menschen? Nein, es gab niemanden. Zumindestens niemanden der hier war und real war.

Ich bemühte mich eine recht neutrale Miene aufzusetzen und einfach zur Kenntnis zu nehmen, was Arkanis von sich gab. Leicht fiel mir das keineswegs. An der ein oder anderen Stelle hätte ich gerne weiter nachgehakt – Warum hatte sie ihr neues Rudel verlassen? Warum bevorzugte sie es allein zu sein? Warum war der Rüde ihr nicht gefolgt? Warum kümmerte er sich nicht um sie? Wollte er keinen Nachwuchs? Keine eigene Familie? Warum hatte er sich dann auf sie eingelassen? - Aber ich hielt meine Zunge im Zaum, zumal sie mir deutlich zu verstehen gab, dass dies das einzige war, was sie mir erzählen würde. Und damit auch keine weiteren Fragen beantworten würde. Als sie geendet hatte und plötzlich wieder auf mich und meine Beweggründe zu sprechen kam, blickte ich auf.

"Wer sagt, dass ich vor etwas weglaufe? Es gibt vieles, das Ares nicht wollte. Aber es ist geschehen und ändern lässt sich die Vergangenheit nicht, das weißt du so gut wie ich es weiß. Nichtsdestotrotz geht das Leben weiter. Und ich möchte mein Leben nicht mit Wölfen verbringen, die mir nicht vertrauen. Du scheinst anzunehmen, dass ich jung, wehrlos und dumm bin. Aber dem ist nicht so. Ich brauche keine Beschützer und ich weiß gut auf mich selbst zu achten. Ich war schon allein unterwegs bevor ich die beiden Starrköpfe traf und wenn dies nun der Wille des Schicksals ist, so werde ich mich allein auf den Weg machen."

Denn ganz im Gegensatz zu Arkanis' Vermutung hatte ich durchaus ein Ziel. Die Reise in den Norden spielte eigentlich nur eine untergeordnete Rolle und ich hatte sie gerne aufgenommen, weil es bedeutete, dass ich Gesellschaft auf meinem Weg hatte und mit meinem Vorhaben zu reisen nicht ganz alleine dastand. Ich mochte die Einsamkeit nicht, ganz und gar nicht. Daher war ich froh, endlich wieder eine Gruppe zu haben, die mit mir reiste. Und auch jetzt war ich froh, dass ich nicht ganz allein war, auch wenn mir die Gründe der Fähe immer noch recht schleierhaft waren. (Nun, es dämmerte langsam, zugegeben, aber ich wollte keine Unterstellungen wagen.) Ein Ziel jedoch hatte ich schon vorher gehabt.

Da ist der Traum, den ich in mir trag und irgendwann wird er wahr.

Das Lied hallte in meinem Kopf wieder. Meine Mutter hatte es oft gesungen, als meine Geschwister und ich noch Welpen waren. Auch später, als wir schon herangewachsen waren, hatte ich sie oft gebeten es für mich zu singen. Wenn die Nächte zu dunkel waren und die Menschen uns wieder ein Stück Wild und damit die Nahrung genommen hatten. Ich hegte keinen Groll gegen die Zweibeiner, aber ich vermisste meine Mutter sehr. Ich wusste, dass die Menschen für ihr Verschwinden verantwortlich waren, aber ich hoffte, dass sie ihnen nicht in die Hände gefallen war. Nein, ich wusste es. Mein Herz sagte mir, dass meine Familie am Leben war. Ich war auf der Suche nach ihnen gewesen, als ich die beiden Rüden traf. Und nun würde ich einfach dort weitermachen, wo ich aufgehört hatte.

"Also, wenn du gestattest."

nickte ich ihr zu und ein Lächeln erschien auf meinen Lefzen. Was kümmerten mich Vorwürfe und starrsinnige Rüden? Ich hatte eine Aufgabe – und ein Ziel. Und das galt es nun für mich zu erreichen. Ich erhob mich, wandte mich um und setzte meine Pfoten langsam wieder in Bewegung.
[bei Arkanis]


- Arkanis - 27.11.2010

Welch ein Ärgernis. Offenbar verstand ich rein gar nichts von jungen Wölfen. Zu dumm, denn ich hatte wirklich vorgehabt Tryss dazu zu bewegen zu den anderen zurückzukehren. Warum? Das wusste ich selbst nicht genau. Es erschien mir wichtig und richtig und irgendwie sah ich keinen der Grießgräme dazu in der Lage. Vielleicht war ich selbst kein sehr empathischer und gefühlsbetonter Wolf, aber ich war immer schon gut darin gewesen durch Beobachtung die anderen zu durchschauen und gerade meine Distanz und Teilnahmslosigkeit machte mich zu einem unvoreingenommenen Mittler. Doch dieser Grund war kein Stück eigennützig und so vollkommen untypisch für mich. Weshalb sonst half ich also dieser Gruppe von Pelzträgern? Ein erneutes Zucken in meinen Eingeweiden erinnerte mich an einen vermeintlichen Grund und der junge Rüde, der gerade seinen Weg fortsetzte, festigte diesen Grund nur noch. Es bahnten sich Welpen an und mein Gemüt war der Mutterschaft auf keinem Fall gewachsen.

Als Tryss ging erhob auch ich mich wieder auf meine Pfoten. Zwar spürte ich Wut gegen den aufmüpfigen Jungwolf, der mir so respektlos über den Fang gefahren war, aber alleine gehen lassen konnte ich ihn nicht. Also verdrängte ich meinen Stolz und folgte dem jungen Rüden in einigem Abstand. Ich war angefressen und verärgert, doch wollte ich ihm das nicht zu deutlich zeigen. Zumindest war sein zurückgekehrtes Lächeln ein Zeichen dafür, dass auch er nicht mit mir streiten wollte. Lange ging ich nur hinter ihm ohne zu sprechen. Meine nächsten Worte mussten wohl überlegt sein. Mein Verstand schien mich allerdings im Stich lassen zu wollen. Er war meinem Stolz unterlegen, der keinen weiteren Versuch der Versöhnung zulassen wollte. Wer war ich denn? Wenn dieser törichte Jüngling keine Hilfe wollte, dann würde ich mich sicherlich nicht aufdrängen. Ich wusste es aus Erfahrung, dass er früher oder später selbst das Gespräch suchen würde. Spätestens dann, wenn ihm die nächste Frage auf der Zunge brannte. Also folgte ich ihm bloß eleganten Schrittes und stellte mit einem Blick auf seinen Rücken fest, dass selbst er ganz offenbar ein gutes Stück größer war als ich. Vermutlich passte deshalb so viel Torheit in seinen Körper. Mein missmutiger Blick schweifte umher und untersuchte die nahe Umgebung. Ich kannte die Gefahren des Unbekannten, doch ich konnte nichts Ungewöhnliches entdecken. Nur Bäume und Sträucher und ein paar lose Äste am Boden.

[folgt Tryss | in einem Wald]



- Kaya - 29.11.2010

Innerlich köchelte ich immernoch vor Wut. Das hatte sich selbst dann nicht gelegt, als irgendwer – ich weiss nicht einmal mehr, wer es war – sich beschwichtigend gezeigt und uns zu trennen versucht hatte. Mit „uns“ meinte ich natürlich die üblichen Verdächtigen, also den Jungspund und meine grazile Wenigkeit. Am liebsten hätte ich ihn zu etwas verarbeitet, was die Zweibeiner Gulasch nannten und was selbst nach einigen Tagen rumstehen noch richtig gut schmeckte, auch für weniger Geschmackvolle Kerlchen wie mich. Nun gut – Tryss hatte seine Konsequenzen aus dem Ganzen gezogen und ich war dem, der letztlich dafür sorgte – egal wer es war – unglaublich dankbar. Für den Moment war es wohl wirklich das Beste – aber wie lange würde dieser Moment dauern? Stunden? Vielleicht sogar bis an mein Lebensende, das mutmaßlich eher käme als das des Bunten? Wobei...wenn er sich weiter so gebärdete, als sei er aus einem extrem harten Holz geschnitzt, würde das mit dem Mich-Überleben vielleicht doch noch mal schwieriger als zunächst gedacht.

Ich hatte mich immerhin wieder beruhigt. So schwer es auch war, mich auf die Palme zu bringen, so leicht war es aber auch wieder, mich von dort herunterzuholen. Wenn ich eines sicher nicht war, dann war das Nachtragend – das bekam auch Tamias zu spüren, den ich eigentlich ebenso hatte zerlegen wollen, mich dann aber darauf besonnen hatte, dass wir beide es ja immerhin geschafft hatten, zusammen zu überleben und das war für den Moment nun einmal etwas, das eindeutig mehr den Ausschlag gab als die ach so mutige Aktion des Jungen Fellhaufens, der....
Schon wieder der Gedanke an Monsieur. Irgendwann würde er mich noch im Schlaf verfolgen, wie ich fürchtete. Aber gut, sollte er sich nachhaltig sonnen – warum die Fremde ihm gefolgt war (die Trächtige der beiden) wusste ich nicht und würde ich wohl auch so bald nicht erfahren.

Ich warf einen Blick auf Tamias und die Fremde, die sich indessen als Skadi vorgestellt hatte und es nicht ganz so eilig zu haben schien, Tryss zu folgen. Im Moment erwies sie sich als gutes Auffangbecken meiner überschäumenden Wut denn auch wenn ich sie nicht anging, war ich doch nur leidlich freundlich.

„So. Der nächste der einen grandiosen und auf keinen Fall zum Scheitern zu bringenden Plan hat, möge sich bitte melden.“ begann ich und verhehlte dabei nicht, dass es mir lag mich in den Zynismus zu flüchten. Eine Art kleine Insel die ich mir für den Moment geschaffen hatte und die meine zwei verbliebenen Begleiter wohl oder übel für besagten Moment ertragen mussten. Aber das taten sie erstaunlich stoisch, wie mir auffiel.
„Wir haben schon genug Fell, Blut und Wesen gelassen. Hoffen wir, dass wenigstens wir uns aufeinander verlassen können!“

Ruhig und dennoch Erwartungsvoll wanderte mein Blick von Tamias zu Skadi und wieder zurück. Es lag nun an den beiden, ob man mir folgen würde – oder aber ob ich mich dieses Mal mehr oder minder in mein Schicksal ergab – wenn auch ganz sicher nicht um jeden Preis!


[bei Skadi & Tamias, leidlich sauer]


- Tryss - 06.12.2010

In dem Moment als ich mich umgewandt hatte, hatte sich Genugtuung wie ein warmer Winterpelz in meinem Inneren ausgebreitet. Es war nicht viel, aber die Tatsache, dass Arkanis nichts erwiderte und auch in den folgenden Minuten still schwieg, erfüllte mich mit ziemlichem Stolz. Dass ich dabei womöglich zu vorlaut und unhöflich war, kam mir nicht in den Sinn. Warum auch? Wer war diese Fähe, dass sie mir wie alle anderen vorschreiben wollte, was ich zu tun hatte oder wohin ich mich zu wenden hatte? Warum glaubte sie, auf mich aufpassen zu müssen oder mich zu den anderen zurückbringen zu müssen? Wie ich bereits erwähnt hatte: ich konnte gut auf mich selbst aufpassen – und dass Arkanis mir das letzte Wort überließ, ließ meine Laune merklich steigen.

Mein Gang wurde etwas federnder und schon nach einigen Minuten hatte ich diese halbe kleine Auseinandersetzung beinahe wieder vergessen. Ich konzentrierte mich stattdessen auf den Wald, den ich nicht kannte und auf den Weg, der de facto eigentlich nicht vorhanden war, weil zwischen den Bäumen hindurchhuschten. Feste Wege, die Menschengeruch anhaften hatten, hatte ich schon von frühester Kindheit gelernt zu vermeiden. Wildwege dagegen waren ein wirklicher Traum. Erstens wurden sie selten von Menschen benutzt und wenn man Glück hatte, konnte man auch noch auf die eine oder andere Wildherde stoßen. Nur bei Lichtungen war Vorsicht geboten. Da lauerten die Menschen ebenfalls und warteten auf ihre Chance die Huftiere zu erlegen. Jäger, eine der schlimmsten Gefahren wohl. Für einen Moment musste ich wieder an die Wölfin denken, die wir vor einigen Wochen aufgefunden hatten. Jagdhorn und Hundegebell hallten in meinem Kopf wieder und unwillkürlich zuckte ich kurz zusammen. Das Geräusch versetzt mir einen gehörigen Schrecken, nicht erst seit der Dorf-Geschichte, auch weil ich die Wölfin hatte sterben sehen.

Doch ich ließ mir nichts anmerken. Stattdessen war ich stehen geblieben und wandte mich zu meiner Begleiterin um. Ich hatte eine versöhnliche Miene aufgesetzt und den Kopf leicht schief gelegt. Ich wollte den Disput nicht vertiefen geschweige denn einen neuen Streit mit Arkanis vom Zaun brechen. Wenn sie wirklich bei mir bleiben wollte, dann hatte ich keine Lust den ganzen Weg missmutig und schweigend zurück zu legen. Vielleicht konnte ich sie ja ein wenig besänftigen, indem ich für eine Weile meine Zunge hütete und mich mit Fragen jeglicher Art zurückhielt. Nun, soweit ich das eben konnte.

"Hast du Hunger? Vielleicht können wir hier etwas Beute machen, dann brauchen wir uns wenigstens nicht mehr um leere, knurrende Mägen zu kümmern."

schlug ich also versöhnlich lächelnd vor und hoffte, dass die Fähe nicht lange nachtragend sei. Ich war es jedenfalls nicht. Sie hatte ihre Meinung geäußert, ich meine und damit war die Sache aus der Welt.

[im Wald | Arkanis]


- Arkanis - 08.12.2010

Ich hatte mich nicht verrechnet. Es hatte zwar eine ganze Weile gedauert, aber schließlich hatte Tryss abermals seine Stimme erhoben. Klugerweise ließ er den Streit von vorhin nicht wieder aufkommen, sondern platzte einfach mit einer neuen Frage heraus. Ich schüttelte kaum merklich den Kopf über so viel offensichtliche Neugierde. Auf eine sonderbare Weise durchbrach seine fragende, offenherzige Art sogar meinen frostigen Selbstschutz, sodass sich selbst in meinen sonst so kalten Blick ein wenig Freundlichkeit mischte. Wir wanderten schon eine Weile scheinbar ziellos durch den fremden Wald und der Vorschlag des Jungspundes würde uns ein wenig von eben dieser Ziellosigkeit ablenken. Ich war also einverstanden.

“Ein guter Vorschlag. Lass uns sehen, ob wir nicht eine Hasenfährte entdecken können.“

Ich schloss nun zu dem jüngeren Rüden auf und gesellte mich an seine Seite. Es wäre ohnehin interessant seine Fähigkeiten ein wenig zu begutachten, wenn ich nun vorhatte mich für längere Zeit an ihn zu binden. Bisher hatte ich zwar erfahren, dass der Jüngling Mut zeigen konnte und einen wachen Geist hatte, aber sein Jagdgeschick konnte ich bisher nicht beurteilen. Auf meines war dagegen Verlass, das wusste ich. Ich besaß scharfe Sinne und war geübt, besonders in der Einzeljagd.

So begann ich die Luft auf ihre unterschiedlichen Geruchsfarben zu prüfen und besah mir sehr genau den weichen Waldboden und seine unteren Sträucher. Ein Hase oder auch ein Kaninchen musste zwangsläufig irgendwann einmal eine kleine Spur hinterlassen, seien es ein paar Abdrücke am Boden oder ein paar unscheinbare Haare an einem der dornigen und starren Äste. Wenn es in der Umgebung ein Beutetier für uns gab, dann würden wir es aufspüren. Jedoch durften wir nicht riskieren, dass die Beute uns zuerst bemerkte. So hatte sich mein Gang in eben jenem Moment verändert, da ich auf den Vorschlag einer kleinen Jagd eingegangen war. Ich war ein wenig langsamer geworden, schleichender und setzte mit geducktem Kopf umsichtig eine Pfote vor die andere. Elegant umrundeten meine schlanken Läufe Äste und Sträucher, die bei einer unvorsichtigen Bewegung geraschelt und uns wohlmöglich verraten hätten. Innerlich hoffte ich, dass auch der junge Tryss ähnlich Pirschen gelernt hätte und sich nun nicht als Tollpatsch offenbarte. Meine Ohren richtete ich daher hin und wieder auch auf ihn, während sie sonst aufmerksam rotierten.

[pirscht neben Tryss]