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PASSUS X - NEUE FREUNDE UND ALTE FEINDE - Druckversion

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RE: PASSUS X - NEUE FREUNDE UND ALTE FEINDE - Skadi - 08.08.2023

Rakesh gab letzte Anweisungen an die Angreifer Gruppe: Kaya und ich nahmen das zweite Pferd. Beine Attackieren. Töten oder alles wegnehmen, was die Menschen in ihren langen Pfoten halten. Zusammen angreifen, wenn er mit der Rute das Zeichen gab.

So kamen die Pferde in unser Blickfeld. Die Menschen auf ihren Rücken weit oben wirkten noch gefährlicher - so nahe dran und so weit oben. Aber sie schienen uns nicht zu bemerken. Die Pferde hingegen waren sehr unruhig. Ob sie es wegen dem Bären waren oder weil sie uns witterten konnte ich nicht beurteilen. Aber wir sollten schnell handeln. Gerade als ich den Gedanken gefasst hatte, kam auch das Zeichen von Rakesh. Und wie eine Einheit sprangen wir gleichzeitig aus dem Versteck und stürmten gezielt auf unsere Ziele zu. Die Pferde reagierten - zum Glück - viel schneller als die Menschen. Sofort bäumten sie sich auf und gingen ihrem Urinstinkt nach: Die Flucht.

Der Mensch, der auf dem Pferd saß, um das Kaya und ich uns kümmern sollten, konnte sich nicht halten. Er flog im hohen Bogen durch die Luft - ähnlich wie ich noch vor wenigen Stunden, als mich der Hirsch auf das Geweih genommen hatte.
Der Gedanke daran verflog jedoch genau s schnell, wie er wieder gekommen war. Ich war fixiert auf den Menschen, der nun auf dem Boden hockte. Nun war er kleiner als wir. Und ein stinkender Geruch strömte urplötzlich aus ihm heraus. ein Geruch, der mich innerlich noch mehr brodeln ließ. Ich wusste nicht, dass es Angst war, was ich roch - aber ich wertete es als Angriffstaktik. Wer weiß, womit diese Klauen- und Zahnlosen Jäger noch so kämpften.
All diese Gedanken und Beobachtungen schossen einfach durch meine Gedanken hindurch - es war nur ein winziger Augenblick, so kurz, dass der Mensch sich noch nicht bewegt hatte. Doch nun fassten seine Pfoten fester um seine Waffe in den Händen - und ich wartete keinen Moment länger. Ich sprang auf ihn zu und biss in seinen Vorderlauf. Kurz riss ich meinen Kopf umher, dann sprang ich wieder zurück.
Obwohl ich kein Mitleid mit diesem Wesen hatte fiel mir das Töten schwer. Ich tötete bisher nur wenn ich Fressen für mich oder meine Gefährten brauchte. Diesen Menschen jedoch, wollte ich nicht Fressen. Ich wollte auch nicht sein Blut oder Fleisch schmecken. Einfach nur zu töten fiel mir so schwer - und das, obwohl sie meinen Partner getötet hatten. So hatte ich zumindest bis noch vor wenigen Augenblicken gedacht, dass sie es getan hatten. Und ich hatte genug Wölfe durch Menschenhände sterben sehen - also waren sie blutrünstige Mörder und hätten es nicht anders verdient. Und doch konnte ich es nicht einfach tun.
Ich blickte zu Kaya, mit dem ich ein Team bildete.

Das hinter mir Arkanis und Kimya verschwunden waren, hatte ich nicht mitbekommen.


RE: PASSUS X - NEUE FREUNDE UND ALTE FEINDE - Amuary - 09.09.2023

Ich war immer noch mit offenen Augen fest auf den Boden gedrückt. Die Zeit schien unendlich langsam zu vergehen und gleichzeitig schien unglaublich viel zu passieren.
Die Geräusche und die Gerüche erdrückten mir fast. Es fühlte sich an als sei alles direkt neben meinen Ohren. Die seltsamen Menschenhuftiere, der Bär der in der Falle saß, die leisen Gespräche der Wölfe um mich herum. Alles war so laut. Und so gleichzeitig.

Erst als ich Rakesh meinen Namen sagen hörte, dumpften die Umgebung wieder ein bischen ab. Es dauerte einen Moment bis ich das Gespräch zuordnen konnte. Ich hatte es zwar vorher schon gehört, aber erst jetzt kam langsam die Bedeutung der Worte hinterher.
Sammelt auf dem Weg dorthin was ihr benötigt. Nehmt die Kleine mit. Sie will. Halte dich an deinen neuen Freund.

Ich nickte als die Information in meinem Kopf ankam und sah von Rakesh zu dem anderen kleinen Wolf... Ich wusste nicht mehr ob wir uns vorgestellt hatten ... Aber auch die Info war irgendwo in meinem Kopf bei den vielen lauten Geräuschen und Gerüchen die wieder drohten alle am lautesten und dringensten zu sein ... wo war das ... Runa, wir brauch dich und Kimya für eventuelle Verletzungen.
Kimya ... und Runa. Mein Blick war nun auf Kimya fixiert. Ich versuchte die Geräusche zu dämpfen, aber das Rauschen in meinem Ohren und die Geräusche und die Gerüche. Alles war laut, so laut. Aber wenn ich mich konzentrierte. Nur auf Kimya und ihm zu folgen. Dann würde dass klappten. Da war ich mich sicher. Es war im Moment das Einzige woran ich denken konnte.

Und plötzlich explodierten noch mehr Geräusche um mich herum. War das denn möglich? Ich musste mich auf Kimya konzentrieren. Aber er lief nicht los.
Und die Geräusche waren laut. So dass auch meine Augen nun zu der Lichtung gingen. Was vor den Gebüschen geschah. Eins der Reittiere wurde noch größer. Sie waren laut. Alle waren so laut, aber ... dass was Rakesh vorher sagte schien tatsächlich so einzutreten. Konnte er in die Zukunft sehen?
Die riesigen Reittiere waren weg. Es wurde wieder etwas leiser. Ein bischen. Warte, war das Kimyas Stimme? Er war so nah und seine Stimme durchbrach das laute.

Es dauerte einen Moment, aber dann sprang ich ihm hinterher. Ich verstand eigentlich gar nicht warum er dahin rannte wo er hinrannte. Irgendwie fühlte es sich wie die falsche Richtung an ... aber ... das war jetzt nicht wichtig. Ich würde ihm folgen.

Es war ein wenig schwierig Schritt zu halten, aber ich würde es schaffen. Ich schaffte es... Und dann rannte ich vorbei an ihm und dem anderen Wolf in den er hinein geprescht war.
Gerade noch rechtzeitig konnte ich ausweichen und wurde dann langsamer. Das Rennen war gut, die Welt war wieder normal.
Ich sah durch die Büsche die Reittiere verschwinden und drehte mich dann wieder zu Kimya um.

Als ich näher kommen wollte, stoppte ich jedoch in ein wenig Entfernung. Aber leider immer noch nah genug um alles zu hören. Es fühlte sich falsch an dass ich hier war. Ich sollte nicht hier sein. Die Worte die ich von Kimya hörte waren nur für die Wölfin vor ihm bestimmt. Unsicher trat ich von einem Bein zum anderen. Sollte ich zurück gehen? ... Nein ... nein. Nicht ohne Kimya. Wahrscheinlich würde Rakesh dass nicht gut heißen wenn ich zurück zur Gefahr mit dem Mensch kam.

Also hieß es warten ... warten was jetzt passierte während ich zuhörte was mich absolut nichts anging.

[ist verloren in Geräuschen und Gerüchen | konzentriert sich auf Kimya | kurz abgelenkt vom Kampf um zu sehen was passiert | fixiert genug dass sie Kimya nachpresscht | Welt wird wieder normal | fühlt sich sehr sehr fehl am Platz]


RE: PASSUS X - NEUE FREUNDE UND ALTE FEINDE - Avis - 03.10.2023

Es war das erste Mal, dass ich gemeinsam mit den Erwachsenen einen Angriff startete, der nicht das Erjagen von Beute im Sinn hatte und ich spürte die Aufregung in meinen Gliedern, während ich Rakesh und den anderen an den Lefzen hing, um genau zu zuhören. Als Arkanis vehement klarstellte, dass sie mit mir ging, sah ich zu ihr und für einen kurzen Moment war da das Gefühl von Stolz und Dankbarkeit, dass sie sich nicht zurückzog, sondern mit mir kämpfen würde.
Und dann ging alles so schnell, dass ich überhaupt nicht realisierte, wie sie den fliehenden Reittieren hinterherrannte und dabei von Kimya und Amuary verfolgt wurde. Ich hatte einen Hechtsprung zur Seite gemacht, weil eines der Pferde mich ansonsten über den Haufen gerannt hätte, und nun waren meine Augen auf den Menschen gerichtet, der zu Boden gestürzt war und sich Skadi und Kaya gegenüber wiederfand. Er hatte noch immer diesen merkwürdigen Ast in den Pfoten und hob diesen in die Richtung der anderen, ehe Skadi angriff und in sein Vorderbein biss.

Kurz sah ich mich um, wo war meine Mutter hin? Was sollte ich jetzt tun? Mein Blick streifte, den von Rakesh und ich schob, die Unsicherheit davon. Ich musste stark sein! Für Kimya! Für Arkanis! Für unser kleines Rudel! Außerdem schien der Mensch an seinem Leben zu hängen, denn er versuchte erneut den Ast mit der Spitze anzuheben und richtete sie auf Skadi, die zögerte. Aber warum biss sie ihm denn nicht in die Kehle? Er wollte doch den Bären töten, oder etwa nicht?
Ein Knurren grollte in meiner Kehle und dann sprang ich los. Ich hatte den Vorteil, dass der Zweibeiner mich nicht sehen konnte. Ein überraschter Laut entwich seinem seltsamen Mund als ich meine Zähne versuchte in seine Schulter zu graben, wobei das seltsame Fell, das er trug, kaum Durchkommen ließ. Ich knurrte und zerrte an ihm, schüttelte meinen Kopf bis sich einer seiner Vorderarme um meinen Nacken legte und er versuchte mich von sich zu reißen. Ein erschrockenes Jaulen entfloh meiner Kehle und ich versuchte mich aus dem Griff zu befreien.


[bemerkt im Trubel nicht, das Kimya und Amuary hinter Arkanis herrennen / stürzt sich von hinten auf den knieenden Menschen und beißst zu / bleibt mit den Zähnen in der Kleidung stecken und wird vom Menschen gepackt]


RE: PASSUS X - NEUE FREUNDE UND ALTE FEINDE - Rakesh - 07.10.2023

Und plötzlich ging alles ganz schnell. Ich gab das Zeichen und an meiner Seite hörte ich das Kampfknurren meiner neuen Gefährten. Die Mutter stürmte mit mir vor, das bekam ich noch unterbewusst mit, dann waren wir bereits bei den Menschen und ihren Huftieren angekommen. Erschrocken bäumten sich die Tiere auf und mein Herz setzte vor Erleichterung einen Schlag lang aus. Es hatte funktioniert! Ein dumpfer Laut hinter mir verriet mir, dass die zweite Gruppe es geschafft hatte, den Feind zu Boden zu befördern. Unserer jedoch strauchelte noch und egal wie sehr wir nach den Beinen des Reittieres schnappten, er hielt sich tapfer auf dem Rücken. Wütend grollend schnappte ich nochmals nach den langen Beinen, versuchte meine Zähne in die Sehnen zu graben, doch im wilden Schlagen der Hufe konnte ich keinen gezielten Angriff starten. Gerade als ich alle Vorsicht in den Wind schlagen und mich rücksichtslos nach vorne werfen wollte, fuhr das Huftier plötzlich herum und floh mit atemberaubendem Tempo davon – mit dem Menschen auf seinem Rücken. Gut so.

Das dachte ich zumindest, doch plötzlich folgte ihm zuerst die Mutter, dann ihr Sohn und kurz danach auch schon Amuary!

“Verdammt nochmal, bleibt stehen!“, rief ich ihnen nach und wollte bereits die Verfolgung aufnehmen, da sah ich im Augenwinkel wie der zweite Mensch sich vom Boden erhoben hatte und sein Tötungsgerät direkt auf Skadi richtete. Oh nein!

Blanke Panik durchfuhr mich, schoss durch meine Adern und ließ meinen Atem stocken. Ich warf mich auf sie zu, obwohl ich wusste, dass ich zu spät kommen würde. Mein Herz schien in meiner Brust zu zerbrechen in diesen endlosen Sekunden in denen meine nutzlosen Beine viel zu langsam waren, um sie zu retten. Ich hatte sie verloren, hatte sie in den Tod geführt!
Doch Skadi stand nicht etwa stocksteif da und versank in ihrer Angst, nein sie warf sich nach vorne und griff an! In letzter Sekunde, bevor der Mensch seine Maschine lösen und den tötenden Schlag ausführen konnte. Beinahe zeitgleich tauchte das graubraune Fell des kleinen Rebellen auf, der sich nun ebenfalls auf den Menschen stürzte. Die Klauen des Menschen griffen nach ihm, zerrten an seinem Nacken. Doch nun war ich da, ich würde nicht zulassen, dass hier meinetwegen jemand zu Schaden kam!

Ich rammte den Menschen in vollem Lauf zu Boden, mit einem hohlen Aufschrei wich jede Luft aus seinen Lungen. Sofort rappelte ich mich auf, sprang auf ihn zu und packte seine Klaue, die die die Waffe hielt bis ich hörte, wie die Knochen darin brachen. Seine Schreie berührten mich, ich konnte es nicht anders zugeben. Das Töten fiel mir nicht leicht. Doch vor meinem inneren Auge sah ich erneut, wie er seine Waffe auf Skadi richtete, wie er abdrückte und wie der spitze Stab sich in sie bohrte. Beinahe konnte ich ihr Blut riechen, wie es sich auf dem Boden ergoss. Der Mensch wimmerte, versuchte von mir weg zu kriechen. Und in diesem Moment traf ich eine Entscheidung. Ich packte seine Waffe und warf sie so weit von ihm weg wie ich konnte. Dann stellte ich mich mit gebleckten Zähnen vor ihn und hinderte ihn so an jeder Bewegung.

“Er wird euch nichts mehr tun, der zweite ist weg. Bitte grabt weiter, damit wir endlich von hier verschwinden können!“, rief ich den anderen mit belegter Stimme zu. Der Schock saß immer noch tief und ich konnte das ständige Zittern meiner Hinterläufe nicht kontrollieren. Am liebsten wäre ich sofort zu Skadi gerannt, hätte mich vergewissert, dass es ihr gut ging. Diese heftigen Gefühle trafen mich völlig unvorbereitet. All die Zeit hatte ich doch versucht, sie zu hassen!


[möchte Arkanis und den anderen folgen, bemerkt dann aber, dass Skadi in Gefahr ist | stürzt zu ihr, bricht dem Menschen die Hand, entwaffnet und stellt ihn | beauftragt die anderen weiterzugraben]



RE: PASSUS X - NEUE FREUNDE UND ALTE FEINDE - Arkanis - 07.10.2023

Mein Atem ging keuchend und meine Läufe begannen zu brennen. Dieses Huftier hatte durch seine Größe einen gewaltigen Vorteil, musste ich mir eingestehen. Doch ich blieb dran, auch wenn sich der Abstand langsam aber sicher vergrößerte. Immer wieder versperrten Sträucher mir den Weg und nach jeder Umrundung war der wehende Schweif des Tieres etwas weiter weg. Ich konnte Schritte hinter mir vernehmen, doch ich war zu schnell und die Hindernisse zu dicht, um einen Blick zurück zu riskieren. War es der Fremde, der mir beistand? Die Schritte waren zu leicht, zu schnell um von dem schweren Rüden zu stammen. Sie kamen näher und plötzlich bekam ich es mit der Angst zu tun. War Avis…

Mir wurden urplötzlich brutal die Beine unterm Körper weggerissen, mit einem erstickten Aufschrei ging ich zu Boden. Keuchend und knurrend rappelte ich mich auf, fuhr mit gebleckten Zähnen zu meinem Angreifer herum… und erstarrte.

Kimya stand vor mir, den Pelz vom Staub bedeckt und schnell atmend starrte er mich an. Und die Wut in seinen Augen traf mich wie ein Peitschenhieb. Doch das war nichts gegen seine Worte. Kurz blinzelte ich überrascht, nicht sicher, ob ich ihn richtig verstanden hatte. Wenn du uns nicht willst? Was hatte ich jetzt wieder falsch gemacht? Doch er war noch nicht fertig, legte jetzt erst richtig los und schlug nur so mit seinen Beschimpfungen um sich. Er lehnte mich ab, so direkt und feindselig wie noch nie zuvor. Sagte mir ich wäre nicht seine Mutter, würde es niemals sein und ich könne gehen. Seine Worte trafen mich, als wäre ich im vollen Lauf gegen einen Baum geprallt. Schmerz raubte mir fast den Atem, mein Herz schlug unregelmäßig, stolperte vor sich hin und einen Moment lang fürchtete ich, es würde zerbrechen.

Und mein Körper, mein Geist reagierten mit der einzigen Waffe, die ihnen noch blieb um den drohenden Zusammenbruch fernzuhalten: Mit Wut. Ich hatte versucht, ihn zu retten, hatte meine Panik überwunden, für ihn! Ich hatte seit meiner Rückkehr alles nur für ihn getan! Hatte mich an Skadi gewöhnt und Rúna, dieses stets freundliche Wesen, das mir meinen Sohn geraubt hatte! Für Dankbarkeit war in diesem Moment kein Platz, ich spürte wie sich mein Fell aufstellte und ein tiefes, warnendes Grollen aus meinen Lefzen hervorkam. Ich würde ihn verletzen, so wie er mich verletzte, obwohl ich seit Wochen mit allem was ich hatte versuchte, meinen Fehler wiedergutzumachen. Wer war er, mich so zu verurteilen? Ich starrte in seine kalten Augen, die Augen meines Sohnes, den ich so sehr liebte, dass es wehtat. Es tat ständig weh, zu jeder Sekunde. Doch ich konnte ihm nicht wehtun. Den Schmerz in seinen Augen würde ich noch weniger ertragen als diesen Hass. Und dieser Gedanke, diese Erkenntnis brachte mich dazu, die Wut herunter zu ringen, mir blieb gar keine andere Wahl. Ich warf ihm nicht an den Kopf was ich wollte, beherrschte mich erneut, auch wenn dadurch der Schmerz zurückkam. Ich musste ihn ertragen oder daran zerbechen. Es gab keinen anderen Weg.

Und plötzlich umhüllte mich ein Nebel der Taubheit, plötzlich war meine Stimme ganz ruhig, tonlos, kraftlos.

“Ich werde nicht gehen. Ich bleibe. Mach daraus was du willst. Beschimpfe mich, wenn es dir hilft. Ich werde es ertragen. Und jetzt zurück zu den anderen. Wir haben einen Bären zu befreien.“

Gefühllose Augen streiften ihn kurz, fielen dann auf die kleine Gestalt hinter ihm. Ich hatte die junge Wölfin bis jetzt gar nicht bemerkt. Doch da stand sie nun, hatte vermutlich alles mitbekommen. Meinetwegen, es wusste ohnehin jeder, was für ein Monster ich war. Ich hatte nicht wenig Lust ihr meine Zähne zu zeigen, sie auf Abstand zu bringen in diesem Gespräch, was sie nichts anging und was sie nicht hatte hören sollen. Ich fühlte mich verletzlich und gedemütigt bei dem Gedanken daran, dass sie gesehen hatte, wie mein Herz brach. Doch die Taubheit überwog im Moment und ich ließ mich dankbar hineinsinken.

“Komm mit zurück, die anderen brauchen uns“, sagte ich knapp und schlug einen entspannten Trab an. So würden wir länger brauchen, doch die Kleinen würde ich kaum hier zurücklassen können. Ich drehte die Ohren zurück, stellte sicher, das sie mir folgten.


[wird von Kimya umgerannt und zur Rede gestellt | ist erst verletzt, dann zornig, dann beinahe gleichgültig | bemerkt Amuary und tritt mit den beiden den Rückweg an]



RE: PASSUS X - NEUE FREUNDE UND ALTE FEINDE - Kimya - 28.10.2023

Die Gefühlsexplosion war geschehen. Ungefiltert und plötzlich. Alle Wut, Angst, Selbstzweifel und Sorgen. All der Hass und die Trauer um den Verlust, den ich erlitten hatte, als Sie das erste Mal gegangen war. Aber auch die Freude, die Überraschung und Zuversicht, als sie wieder kam - gekoppelt an die Angst, dass sie wieder gehen konnte. Es waren so viele - so große - Gefühle, dass sie (besonders in meinem unbedarften Alter) gar nicht greifbar waren.

So kam es oft, dass ich ambivalent gehandelt hatte. Eben noch am Lachen, direkt darauf am Brüllen. Voller Vorfeude und Eifer dann doch in die Panik gestürzt.
Es war bei mir nichts Neues, dass mich die Gefühle überrannten und handeln ließen.
"Lass es raus... leb es aus... es ist okay... danach fühlst du dich besser"

Nein, so war es bei mir nicht. Danach fühlte ich mich nie besser. Es kostete Kraft, füllte mich mit Charm, ließ mich im Erdboden versinken und voller Selbstzweifel zurück.
Nur dieses Mal war es anders. Dieses Mal kam der Abgrund des Zweifelns nicht so schnell. Die Situation zuvor war so voller Anspannung und Angst gewesen, dann der plötzliche Adrenalinschub, als ich Mama verfolgt habe - meine Worte die aus mir heraus geplatzt sind.

Ich war noch immer unter höchster Anspannung. War auf Angriff gepolt. Wollte mich nicht wieder verletzten lassen, nicht von ihr - von der Wölfin, von der ich geliebt werden wollte und die ich lieben wollte. Ich wollte jedes Wort das sie sagte in der Luft zerreißen. Hauptsache NICHT ihrer Meinung sein, ihr zeigen, dass sie mich nicht mehr verletzten könnte. Ich fühlte den tief sitzenden Zorn so stark - und konnte das erste Mal verstehen, warum Avis so stur und Dickköpfig handelte.

"Na immerhin konnte ich dich noch ein Mal zurück holen. Gut dass ich dich im Blick hatte"

Bellte ich sie nur unwirsch an. Ihre Worte und die Bedeutung dahinter kamen gar nicht bei mir an.

"Lange ertragen brauchst du uns ja auch gar nicht mehr."

Schoss ich noch hinterher. Mein Fell war noch immer aufgestellt und mein Atem ging schwer. Meine Stimme war eine Nuance höher als gewohnt und die Sprachmelodie gehetzt und schnell.

Und dann drehte sie mir den Rücken zu und ging. Den Bären retten.
Inzwischen hatte ich mitbekommen, dass Amuary hinter mir stand. Ich wusste nicht genau wann ich sie bemerkt hatte - oder wie lange sie schon da war. Was sie gehört hatte - aber ich ging davon aus, dass sie alles gehört hatte.

Ich sah Mutter hinterher, als sie langsam in die Richtung der anderen zurück ging. Dann sah ich zu Amuary.
Und dann kam es.
Der Abgrund. Die Dunkelheit, die meine Seele umarmte, nachdem meine Gefühle mich überrannt haben. Die Charme. Die Erkenntnis, dass Mama unendlich traurig ausgesehen hat. Die Angst, dass ich mich nicht nur blamiert habe, sondern meine Worte für immer zwischen uns stehen würden. Das ich ein dummer, kleiner Welpe bin.

In meinen Ohren rauschte es eine ganze Weile, während ich Arkanis hinterher trottete - mit großen Abstand. Ich wusste, dass Amuary neben mir lief, wagte es aber nicht, sie an zu sehen. Meine Rute zog ich zwischen meine Hinterläufe.

Erst als der Geruch des Bärens wieder in meine Nase kam, konnte ich das Rauschen in den Ohren und die Betäubende Gedankenspirale voller Selbstzweifel etwas lösen. Inzwischen waren wir wieder etwas dichter an Mamas Fersen.
Ich sah zögerlich zu Amuary, wollte mich wenigstens vor ihr noch ein kleines bisschen behaupten.

"Arkanis ist meine Mama."
Erklärte ich ihr leise und nickte nach vorne zu Arkanis.

"Als ich ganz klein war, hat sie uns zurück gelassen bei den Anderen. Ich dachte, sie will uns wieder verlassen und das musste ich verhindern. Kannst du das verstehen? Ich konnte beim ersten Mal nichts tun. Ich musste es doch jetzt versuchen"

Meine Stimme war leise. Den Zweifel konnte man nicht überhören. Ich wusste, dass ich viele fiese Sachen gesagt - aber ich konnte nicht zu Arkanis gehen und erneut um ein Wort bitten. Es war verletzend gewesen, was ich gesagt hatte, aber es waren auch wahrhafte Ängste, die tief in mir Steckten. Ich weiß, dass ich mich entschuldigen sollte, aber ich konnte es nicht.
Ich wusste auch, dass ich Mama damit nur wütend auf mich gemacht habe und sie von mir weg gebissen hatte, obwohl ich mir doch nur wünschte, dass wir uns näher kommen würden und es sich mit ihr geborgen anfühlen konnte.


RE: PASSUS X - NEUE FREUNDE UND ALTE FEINDE - Skadi - 28.10.2023

Mein Hilfesuchender Blick zu Kaya blieb unbeantwortet. Der alte Rüde schien mit der Situation noch mehr zu hadern als ich. Blind einem Fremden vertrauen, Menschen auf sein geheiß angreifen um einen Bären zu retten - ich konnte es ihm nicht verübeln. Und doch kam Wut in mir auf. Immerhin waren wir ein Team und wir sollten aufeinander aufpassen. Kaya war aber passiver als einer der Raben in den Baumkronen. Die geflügelten kommentierten immerhin - leider sehr lautstark - was hier geschah.

Dann kam jedoch die Hilfe, die ich erhofft hatte doch noch. Nur von einem anderen Rüden. Einem noch so jungen Rüden. Avis hatte die Initiative ergriffen und den Menschen angegriffen. Er war von hinten gekommen und wollte die Schulter des Menschen packen. Doch auch Avis hatte, wie ich zuvor, schwierigkeiten durch das Fell des Menschen zu kommen. Es war fast so, als wäre das Fell nicht verbunden mit seinem Körper.
Der Mensch reagierte viel schneller, als ich es erwartet hatte. Schon sah ich Avis in der Umklammerung der langen Läufe und noch schlimmer tönte sein Jaulen in meinen Ohren wieder.

"Avis!"

Keuchte ich heiser und erschrocken und dann prallte auch schon Rakesh dazu. Prallen im wahrsten Sinne: Kurz war vor mir nur ein riesiges Knäuel aus Mensch und Wolf - dann war Avis zumindest befreit und ich eilte zu ihm.
Sanft steckte ich meine Nase tief in sein Fell und stupste ihn einige Male an. Es war eine Geste des Dankes, des Trostes und des Zusammenhaltes. Die Frage, ob es ihm gut ging, mein Versprechen, dass ich an seiner Seite war und der Dank, dass er mir geholfen hatte, steckte in dieser kurzen aber innigen Berührung.

Rakesh hatte in der Zeit mit dem Menschen gerungen. Er hatte es geschafft das Fell zu überwinden und konnte den Menschen offensichtlich Schmerzen und Verletzungen zu fügen. Aber auch Rakesh setzte nicht zum Töten an. Er stellte den Menschen, signalisierte uns Sicherheit und Rückendeckung. Ich nickte auf seine Anweisung Stumm, stupste noch ein Mal Avis an ging dann an die Grube und buddelte Erde zu dem Bären herunter. Dieser hatte in der Zeit - so wie Kimya es vorgeschlagen hatte - von Innen Erde gelöst und hatte uns entgegen gearbeitet. Kaya und auch Rúna kamen an meine Seite und halfen beim Graben. In diesem Moment glaubte ich zum ersten Mal, seit die Menschen näher kamen, dass wir es wirklich schaffen konnten, diesen Futterfeind zu retten.

Während ich am Graben war, blickte ich immer wieder zu Rakesh.
"Er ist wieder da"
Schoss es mir immer wieder in den Kopf. Ich ließ den Klos im Hals und das Kribbeln in den Pfoten und dem Bauch zu. Den Gedanken, dass er mit dem Bären wieder von dannen ziehen könnte schob ich in diesem Moment bewusst bei Seite und ließ das Glück das in mir aufflammte einfach zu.
"Rakesh lebt... Er ist wieder da."

RÚNA:
Rúnas Aufgabe war es gewesen, bei Kimya und Amuary zu bleiben. Sie sollte wenn nötig mit den Beiden fliehen und sie ablenken, bis die Anderen dazu kamen.
Jedoch kam es nicht so weit, denn Kimya und gleich darauf Amuary liefen davon. Rúna folgte ihnen. Sie blieb im verborgenen, als sie Kimyas Wutausbruch hörte und eilte zügig zu der Grube zurück, als sie sich vergewissert hatte, dass Arkanis mit den beiden Jünglingen zurück kam.
Als sie bei der Grube ankam, stellte Rakesh den Menschen. Sie klärte Rakesh kurz auf, dass Arkanis mit Kimya und Amuary auf dem Weg zurück war und schloss sich dann Kaya und Skadi an.


RE: PASSUS X - NEUE FREUNDE UND ALTE FEINDE - Tryss - 29.10.2023

Ich hatte das Zeitgefühl verloren. War es Wochen her, seit wir von der Gruppe getrennt wurden? Oder Monate? Mitunter kam es mir vor wie ein Jahr, dass das verfluchte Feuer gewütet hatte. Gerade noch waren wir bei den anderen gewesen und dann waren wir allein. Nun, immerhin zu zweit, doch nicht zu lange. Wie lange war es her, dass ich sie verloren hatte? Auch hier ließ mich mein Zeitgefühl im Stich. Als ob jemand zu stark an meinen Ohren gezogen hatte und jegliches Gefühl dafür, wie die Tage vergingen, sich einfach in Luft ausgelöst hätte. Tatsache war, ich hatte Dekaja verloren. Sie war weg, einfach so. Das Feuer hatte sie stärker mitgenommen als mich, hatte ihr schönes Fell versenkt und ihr die Kraft geraubt. Ich hatte mich so gut um die gekümmert, wie ich konnte. Kleine Nager gejagt, ja sogar einen wehrhaften Dachs allein erlegt – obwohl er mich einige meiner Haare an der Rute kostete und mir eine hübsche Schramme am Hinterlauf hinterlassen hatte. Nicht allzu wild, ich hatte die Zähne zusammengebissen und mir gegenüber Deka nichts anmerken lassen. Nun, zumindest hatte ich es versucht. Sie kannte mich allerdings zu gut, um nicht zu bemerken, dass etwas nicht stimmte. Und so hatten wir gelegen, verborgen so gut es ging, und uns gegenseitig unsere Wunden geleckt. Nach einiger Zeit ging es ihr immerhin besser, sodass ich sie beruhigter zurückließ und auch weitere Wege zum Jagen zurücklegen konnte – immer Ausschau haltend nach den anderen. Nie aber sah ich ein Zeichen von ihnen. Niemals. Und dann kam der Tag, an dem sie plötzlich fort war.
Ich konnte nicht sagen, was passiert war - nur, dass ich von der Jagd zurückkehrte (Hase! Und was für ein fetter das war!) und von Dekaja jede Spur in unserem Versteck fehlte. Zunächst dachte ich, dass sie sich nur die Pfoten vertreten wollte – und freute mich tierisch, weil das bedeutete, dass es ihr besser ging und sie wieder laufen konnte. Und das wiederum bedeutete, dass wir uns auf den Weg machen konnten, die anderen zu suchen. Doch als Deka auch nach Stunden nicht zurückkehrte, wurde ich unruhig. Der Appetit war mir vergangen und alle Gefahr missachtend verließ ich unser Versteck, lief laut ihren Namen rufend durch die Gegend und versuchte sie zu finden. Doch Deka blieb verschwunden. Für Tage traute ich mich nicht, unseren Unterschlupf weiter als im nahen Umkreis zu verlassen. Was war, wenn sie zurückkehrte und ich nicht da war? Was, wenn sie wieder Hilfe brauchte, weil sie ihre Kräfte überschätzt hatte? Was, wenn...? Bestimmte Fragen – so sehr ich Fragen auch liebte – verbot ich mir und lenkte meine Gedanken in andere Bahnen. Die Hoffnung war immer der liebere Freund gewesen.
Ich weiß nicht, wie viele Tage vergangen waren, als ich schließlich beschloss, doch aufzubrechen. Ich konnte auch jetzt nicht sagen, wie viel Zeit seitdem vergangen war. Doch hier war ich nun und versuchte zwischen Vorsicht, Vernunft und Verzweiflung einen guten Weg zu finden, der mich wieder zu ihr führen würde. Meine beste Freundin, verschwunden. Meine Gruppe, verschwunden. Ich war oft allein gewesen in meinem Leben, hatte viele Schicksalsschläge wegstecken müssen. Doch so allein? Ich konnte mich nicht erinnern, mich schon einmal so verlassen gefühlt zu haben.
Ich seufzte leise, als ich durch den Wald streifte, und auf der Suche nach einer Witterung die Nase in die Luft hielt. Bisher hatte es keine Spuren gegeben, die meine Hoffnung nähren konnten. Ein Tag wie der andere. Wenn es doch nur ein kleines Zeichen gegeben hätte.
Ich war früh am Morgen aufgebrochen und schon einige Stunden unterwegs, ohne dass ich etwas Ungewöhnliches bemerkt hätte. Und doch hatte sich ein seltsames Gefühl in meiner Magengegend ausgebreitet. Ich hoffe inständig, dass es nichts mit dem Kadaverrest zu tun hatte, den ich tags zuvor gefunden hatte. Es war nicht viel übrig, aber doch so viel, dass ich einigermaßen satt werden konnte. Wenn ich genau überlegte, war er wirklich schon sehr alt gewesen. Vielleicht rebellierte mein Magen dagegen. Oder rührte das seltsame Gefühl doch von etwas anderem her? Ich konnte es nicht sagen, ließ mich aber nicht davon abbringen weiter eine Pfote vor die andere zu setzen und weiter durch den Wald zu streifen, in stetem Trab und unablässig witternd auf der Suche nach Spuren.

Am Ende war es allerdings kein Wolf, der mir über den Weg lief. Gefangen in meiner tagtäglichen Monotonie hätte ich das Traben fast zu spät gehört, doch gerade rechtzeitig machten meine Ohren mich auf das aufmerksam, was auf mich zukam. Irritiert hob ich den Kopf, als auch der Boden ein wenig zu Beben begann. Was musste das für ein riesiges Reh sein? Womöglich eine halbe Herde? Oder war es etwa keins? Was auch immer es sein würde, ich verspürte wenig Lust Bekanntschaft damit zu machen – zumindest nicht frontal. Ein Wolf gegen ein großes Huftier, das ging selten gut aus. Und ich hatte niemanden, der sich um mich kümmern würde, sollte ich verletzt werden. Ich, der abenteuerlustige Tryss, nutzte also die letzte Gelegenheit, mich in eine Wand aus dichtem Gestrüpp zu zwängen und mir das Ganze lieber aus einem Versteck anzusehen. Es war eng und ungemütlich, die kleinen Zweige kratzten über mein Fell und wenn ich nicht leise hätte sein wollen, hätte ich geflucht wie einer der vielen Spatzen, die mir in meinem Leben schon begegnet waren. Doch stattdessen legte ich mich nieder, spähte unter den bunt verfärbten Blättern hervor und musste schließlich nicht lange warten, bis der Verursacher des Trabens vorbeipreschte. Dass das da kein Reh war, war mir sofort klar. Es war ein Pferd. Kein Wildes, so viel war klar, dafür sah es viel zu gepflegt aus. Es musste eines sein, wie die Zweibeiner es hielten. Aufgemotzt und mit Metall unter den Hufen. Wozu brauchten die das? Konnte sie etwa nicht mehr mit ihren Beinen auf normalem Boden laufen? Hatten die Zweibeiner sie so verdorben? Oder hatten die Metallteile einen ganz anderen Zweck? Ich schüttelte den Kopf und duckte mich noch etwas tiefer, schob den Kopf vorsichtig etwas unter dem Gebüsch hervor, als das Tier an mir vorbeigerauscht wár. Oh ja, es war ein Menschenpferd! Denn an seiner Seite baumelten die seltsamen Riemen herunter, mit denen die Menschen die Pferde immer bestückten. Ob ein Reiter auf dem Pferd saß und sich tragen ließ (warum um alles in der Welt die Viecher sich das auch gefallen ließen? Das würde ich wohl nie verstehen!), konnte ich nicht sehen. Aber allein die Anwesenheit bedeutete ja zwei Dinge. Erstens: Es musste irgendwo Menschen in der Nähe geben, das hieß, ich musste vorsichtig sein bei meinen Erkundungen. Zweitens aber auch: Es musste etwas geben, wovor das Tier geflohen war. Und das dürfte nichts Gutes für die Menschen sein. Was konnte ihm so Angst eingejagt haben? Ich beschloss der Sache auf den Grund zu gehen. Einen Moment noch lauschte ich, ob sich noch jemand oder etwas nähern würde. Doch als ich sicher war, dass die Luft rein war, kroch ich unter dem Gestrüpp hervor, schüttelte mich ausgiebig, um die losen Blätter aus dem Fell zu bekommen und bewegte mich dann zügig in die Richtung, aus der das Pferd gekommen war.

Ich achtete sorgsam darauf, dass ich mich immer in der Nähe von potentiellen Verstecken hielt, sodass ich im Zweifelsfall schnell verschwinden konnte. Doch nichts geschah – bis ich schließlich Stimmen vernahm. Und das nicht gerade leise. Abgehackte Wortfetzen drangen an mein Ohr und ich meinte fast, dass mir die Stimmen bekannt vorkamen. War das möglich? Nach so vielen Wochen der Suche? War das möglich? War es vielleicht sogar Dekaja? Ich schlich mich an, sodass ich weder zu hören noch zu riechen war. Wenn ich es mir einbildete und es doch Wölfe oder andere Wesen waren, die ich nicht kannte, wollte ich nicht auf dem Präsentierteller serviert werden. Schließlich konnte ich sie erblicken. Es waren drei – zwei junge Wölfe und ein erwachsener Wolf. Na, da standen meine Chancen doch nicht schlecht im Zweifelsfall davonzukommen. Ich tat also, was meinem Wesen entsprach: Ich ließ die Vorsicht fallen, machte einen Satz aus dem Gebüsch und begrüßte die drei Wölfe mit einem:

„He, habt ihr das Pferd verscheucht? Warum und was macht ihr hier und wer.... Kimya!?“


Ich hatte mich groß gemacht und mich freundlich tänzelnd angenähert – die sollte nicht denken, dass ich womöglich erschöpft war nach den Strapazen der vergangenen Wochen. Doch als nur noch einige Längen von ihnen entfernt war, passten die Statur des einen jungen Wolfes und die Stimme, die ich gehört hatte, plötzlich zusammen. Das war doch Kimya! War das möglich? Hatte ich sie wirklich wiedergefunden? Mein Herz machte einen großen Satz vor Freunde – und mein Körper gleich mit. Vollkommen außer mir vor Glück hüpfte ich auf den jungen Wolf zu, rempelte ihn spielerisch von der Seite her an und war mir schließlich ganz sicher, dass es wirklich wirklich wirklich der Welpe war.

„Oh Kimya, du bist es wirklich! Es ist so schön dich zu sehen, du hast keine Ahnung! Wo sind die anderen und wie kommt ihr hierher, wie ist es euch ergangen? Du musst alles erzählen? Und wer ist das eigentlich?“

Mein Blick war auf den anderen Jungwolf gefallen, von dem ich mir sicher war, dass ich ihn noch nie zuvor in meinem Leben gesehen hatte – es sei denn, Avis hatte eine wirklich sehr schräge Entwicklungsphase hinter sich. Aber nein, um Avis zu sein, schaute der junge Wolf nicht annähernd mürrisch genug. Also wer war das? Hatten sie schon wieder herrenlose Streuner aufgesammelt? Wollten wir eigentlich jeden mitnehmen? Und wer war überhaupt der erwachsene Wolf? Meine Rute schwang noch immer übermütig von links nach rechts und meine Ohren drehten sich wie eine Fahne im Wind, um alle Eindrücke aufzufangen, als ich das Tier – eine Wölfin – musterte. Sie kam mir bekannt vor. Sie kam mir sehr bekannt vor, aber sie war nicht bei uns gewesen, als wir getrennt wurden, da war ich mir sicher. Nur woher kannte ich sie? Sie hatte fast Ähnlichkeit mit dem jungen Rüden, neben dem ich noch immer stand. Und dann traf mich die Erkenntnis wie ein Blitz. Das war doch nicht möglich!? Augenblicklich stoppten meine Ohren, mein Kopf neigte sich leicht zur Seite und das Erstaunen in meinen Augen war kaum zu verbergen.

„Ar... Ar... Arkanis?“,

hauchte ich atemlos, weil ich es kaum fassen konnte. Tausend Fragen schossen durch meinen Kopf, aber mein Fang war heruntergeklappt und in diesem Moment nicht in der Lage auch nur einen der Gedanken in Worte umzuwandeln.

[Im Wald | lässt erst das von Arkanis verjagte Pferd vorbeiziehen, stößt dann zu Kimya, Amuary und Arkanis]


RE: PASSUS X - NEUE FREUNDE UND ALTE FEINDE - Avis - 29.10.2023

In all dem Trubel hatte ich nicht eine Sekunde darüber nachgedacht, welche Konsequenzen mein beherzter Angriff mit sich bringen würde. Ich hatte lediglich den Zweibeiner mit dem spitzen Ast in den Händen gesehen und das Zögern der Erwachsenen. Er war kein Beutetier, das zwar wehrhaft mit Hufen und Geweih um sein Leben kämpfen konnte, der Mensch war ebenso wie wir ein Raubtier, selbst wenn seine Zähne gar nicht so spitz waren, so hatte er doch andere gefährliche Waffen an sich. Ich zerrte an dem seltsamen Fell, dass viel mehr wie die dicke Haut eines Auerochsen wirkte als die haarlosen Stellen in seinem seltsamen Gesicht. Vielleicht hätte ich meine Zähne besser dort vergraben, dann hätte er mich nicht mit seinen langen Läufen gepackt. Panik schnürte mir ebenso wie seine Arme die Brust zu und ich jaulte und versuchte mich aus der Umklammerung zu befreien als ein heftiger Ruck durch den menschlichen Körper ging und er mich losließ.
Ich wich rückwärts zurück und sah wie Rakesh es endlich schaffte, die Haut des Zweibeiners zu durchdringen, so dass der metallisch-süßliche Geruch von Blut in der Luft lag. Gleichzeitig pochte mein Herz so schnell und doll in meiner Brust, dass es beinah schmerzte. Ich war hin und hergerissen dazwischen zu fliehen und mich erneut auf ihn zu stürzen, doch dann berührte mich Skadi mit ihrer Nase und ich richtete meine Augen auf sie, die in diese Geste Dankbarkeit und Erleichterung steckte. Ich blinzelte kurz und rappelte mich schließlich wieder auf.

“Rakesh hat ihn“,

signalisierte ich ihr und stupste ihr meinerseits einmal gegen die Schulter, weil sie so durcheinander wirkte und ihr Herz offenbar mindestens genauso schnell schlug wie meines. Und dann legte ich den Kopf schief, weil der Bärenfreund scheinbar nicht vorhatte dem Menschen den Gar auszumachen.

“Wieso töten wir ihn nicht?“,

fragte ich knurrend und sah nur kurz zum Rand der Bärenfalle, wohin sich Skadi, Rúna und Kaya begaben, um weiter Erde in das Loch zu graben,

“er würde es tun… er hat es beinah.“

Angewidert stupste ich den mit Zähnen bewaffneten Ast an, den Rakesh zur Seite geworfen hatte. Meine Augen richteten sich wieder auf den wimmernden Menschen, der von Rakesh im Zaum gehalten wurde. Ich machte einen mutigen Schritt auf ihn zu, so dass er mit etwas Dreck nach mir warf und ich zur Seite sprang, nur um ihn dann anzuknurren.

[rappelt sich auf, beruhigt Skadi, will wissen, warum sie den Menschen nicht töten]


RE: PASSUS X - NEUE FREUNDE UND ALTE FEINDE - Rakesh - 30.10.2023

Mit noch immer gebleckten Zähnen fixierte ich den Menschen vor mir. Dabei tat es mir beinahe körperlich weh diesen Blickkontakt aufrecht zu erhalten. Alles in mir schrie danach mich nach Skadi umzuschauen, in ihre Augen zu schauen und mich zu vergewissern, dass sie mich wach und unversehrt ansehen würden. Doch vermutlich würde dieser Blick dazu führen, dass meine zitternden Glieder zu Brei zerflossen. Diese Schwäche passte nicht zu mir, widersprach allem was ich war, doch ich konnte nicht anders als schwer atmend dazustehen und erneut um meine Beherrschung zu kämpfen.
Verdammt, das war knapp gewesen! Allein für diesen Schrecken, diese hilflose Panik, diesen schrecklichen Schmerz in meinem Brustkorb hatte dieser Mensch den Tod verdient. Der kleine Rebell war da ausnahmsweise mit mir einer Meinung, was er natürlich ungefragt kundtat.

Ich warf ihm einen knappen Seitenblick zu, als er in meinem Blickfeld auftauchte, fuhr jedoch sofort knurrend zu dem Menschen herum, der so töricht war, Avis mit Dreck zu bewerfen. Wütend schoss ich ein Stück vor und ließ die Kiefer warnend vor seinem Gesicht zusammen schnappen. Wimmernd zuckte er zusammen und der Geruch nach warmem Urin kroch in meine Nase. Gut.

Mit einem vielsagenden Kräuseln der Lefzen trat ich wieder einen Schritt zurück, damit das wimmernde Häufchen Elend nicht an einem Herzinfarkt verendete. Dann schüttelte ich als Antwort auf den Rebellen hin den Kopf.

“Ich lasse ihn nicht aus Mitleid am Leben oder weil ich zeigen will, dass ich besser bin als er“, stellte ich klar.

“Die Menschen sind die rachsüchtigsten Wesen die ich je kennengelernt habe. Wenn wir ihn töten, wird sein Kumpel und der Rest seiner Sippschaft vermutlich den ganzen Wald hier niederbrennen und jedes Tier darin töten. Ich weiß nicht, warum sie so denken und was es ihnen bringt. Irgendwas scheinen sie sich jeweils von dieser Art der Vergeltung zu erhoffen. Glaub mir wir werden friedlicher weiterleben können, wenn wir ihn nicht töten, auch wenn es paradox erscheint.“

Kurz, ganz kurz nur wagte ich nun doch einen Blick zurück zu Skadi, die bereits das Graben wieder aufgenommen hatte. Für einen Herzschlag traf ich ihren Blick und mein Herz fand endlich seinen Rhythmus zurück.

“Bitte, Avis, hilf Skadi beim Graben, ich kann hier nicht weg“, setzte ich nach und warf dem jungen Rüden noch einen knappen Blick zu, bevor ich mich wieder meiner selbstauferlegten Wachaufgabe stellte. Die Heilerin tauchte aus dem Wald auf und half nun ebenfalls Skadi und dem Grauen. Ich hatte ihr Fehlen gar nicht bemerkt, wie ich mir zähneknirschend eingestehen musste. Aber sie schien alles im Blick behalten zu haben und konnte zu meiner Erleichterung auch berichten, wo sich Amuary und der Rest befanden. Ich nickte dankbar.


[bewacht den Menschen | spricht mit Avis | kämpft mit seiner Sorge um Skadi]