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Arkanis und Avis / vier Tage nach dem aktuellen Plot - Druckversion

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Arkanis und Avis / vier Tage nach dem aktuellen Plot - Avis - 17.06.2019

„Lauf weiter Chu“, rief ich ihr zu als sie sich hinter einen umgestürzten Baum versteckte und ein einsamer verirrter Hirsch durch das Unterholz preschte und über genau diesen Stamm sprang. Ich duckte mich kurz, lief dann weiter und stupste sie an, so dass wir Erasmus weiter folgen konnten. Ich war ihm gefolgt, weil ich hoffte gemeinsam mit ihm ein Abenteuer zu erleben, aber so eines wollte ich nun auch nicht. Immer wieder kamen verschreckte Tiere zwischen den Bäumen hervor gesprungen, rannten kleine Nagetiere zwischen meinen Pfoten entlang, während Erasmus versuchte uns zurück zu den anderen zu bringen, doch schon bald wurde klar, wir hatten sie verloren. Vielleicht war es auch das heiße Feuer, dass uns den Weg abschnitt. Denn egal welchen Weg wir auch liefen, das bedrohliche Knacken und Zischen war bereits vor uns da und der Geruch stach in meiner Nase, so dass ich keine Witterung aufnehmen konnte.
Erneut drehten wir um, liefen wieder zurück und wurden gejagt von den heißen Flammenzungen, die immer schneller wurden. Auf einer Lichtung blieben wir stehen, hechelnd und vollkommen außer Atem. Meine Augen huschten umher, die Ohren zuckten und ich versuchte unter dem rauchigen Duft etwas zu riechen. Mein Kopf ruckte zur Seite, war das nicht Kimyas Witterung!?
Schon rief Erasmus uns zu wir sollten ihm folgen, doch meine Pfoten waren wie festgewachsen. Was wenn mein Bruder irgendwo zwischen den Flammen gefangen war? Sein Geruch kam genau aus der anderen Richtung und so gern ich die Geschichten des Rüden auch hörte, konnte ich doch Kimya nicht zurücklassen. Chu sah mich an, gab mir einen Stupser, so wie ich ihr vorher bereits. „Avis komm, wir müssen weiter!“
Ich sah zurück in den Wald, den die Krallen des Feuers noch nicht erreicht hatten und dann wieder zurück zu Chu.
„Geh, lauf. Ich komme nach“, sagte ich zu ihr, berührte sanft ihr Wangenfell, „ich muss Kimya finden. Dann komm ich zu dir zurück!“ Sie wollte widersprechen, doch ich zwickte sie in die Seite und drehte schließlich selbst um und rannte zurück, den Flammen entgegen. Kimya ich komme!

Ich fand ihn nicht… Keine weitere Spur, weder von ihm noch von den anderen. Sie waren wie vom Erdboden verschluckt, denn das die Flammen sie gefressen hatten, wollte ich nicht glauben. Ich war an diesem Tag immer weitergelaufen, kam den Feuerzungen gefährlich nah und versenkte mir mein schönes Fell. Ich sah ein schreiendes, in Flammen stehendes Reh an mir vorbeilaufen und wenige Wolfslängen entfernt zusammenbrechen. Entsetzt blieb ich zu lang an Ort und Stelle bis das Feuer mich beinah umzingelt hatte und ich nur noch mit einem beherzten Sprung aus meinem Gefängnis entkommen konnte. Danach lief ich und lief ich und lief bis ich nicht mehr konnte.
Schwer atmend, hechelnd und am ganzen Körper zitternd stand ich auf einem Feld mit Wildblumen, als ich mich umdrehte spiegelten sich die Flammen in der Ferne in meinen Sturmaugen. Ich blieb wo ich war, denn es schien vorerst ein sicherer Ort zu sein.

Dieser schreckliche Tag ist inzwischen so viele Monde her, dass ich mich nicht mehr daran erinnere wie oft er auf und unter gegangen war. Ich war allein und das die ganze Zeit, denn meine Suche blieb auch die folgenden Tage ohne Erfolg. Durch meine Flucht hatte ich komplett die Orientierung verloren und in der Asche des Waldes konnte ich einfach keine Witterung mehr finden. Ich hatte Kimya verloren, Chu und mein ganzes Rudel und nun war ich ganz allein. Allein sein war doof, ich wollte nicht allein sein! Es ist unheimlich allein zu sein und ich vermisse meinen Bruder.
Obwohl es vermutlich dumm war in den Überresten des Waldes zu suchen, tat ich es, denn eine andere Spur hatte ich nicht. Ich musste doch nur die Lichtung wiederfinden, von der ich mit Chu hinter Erasmus hergelaufen war. Doch die Flammen hatten alles verschlungen und tot zurückgelassen. Ich verbrannte mir an einem alten Baumstumpf meine rechte Vorderpfote, fast als verhöhnten mich die Überbleibsel des Waldes, weil ich so töricht – ja so würde es Skadi oder einer der anderen Erwachsenen bestimmt nennen – war, hier entlang zu laufen.

“Kimya!“,

rief ich und erhielt doch keine Antwort.

In der zweiten Nacht rollte ich mich auf den noch immer warmen Boden des verbrannten Waldes zusammen und vergrub meine Nase unter dem dreckigen Fell meiner Rute.  Das Knacken und gelegentliche Zischen waren unheimlich und so schlief ich nicht besonders viel in dieser Nacht, außerdem hatte ich Hunger und Durst.
Am nächsten Morgen fand ich ein niedergetrampeltes Kaninchen, … hoffentlich wurde Kimya nicht überrannt. Oh, ich hoffte so sehr, dass er Angsthase genug war und einfach davongelaufen war. Und das Chu es gemeinsam mit Erasmus aus dem Wald geschafft hat.

Mein Magen knurrt, zieht sich schmerzlich zusammen, aber das ist nicht verwunderlich. Zuletzt habe ich vor zwei Tagen oder so etwas gefressen, eine unachtsame Feldmaus, jetzt knabbere ich an etwas Gras, um den größten Hunger zu vertreiben. Ich weiß nicht wo genau ich bin, wohin mich meine Pfoten auf der Suche nach Kimya und den anderen getragen haben. Ich versuche die Hoffnung nicht aufzugeben und ich weiß, dass mein Bruder noch irgendwo da draußen ist. Ich muss nur fest genug daran glauben, dass ich ihn wiederfinde!

“Kimya!“,

ein leiser Ruf, den ich schon so oft in den vergangenen Tagen gerufen habe, ohne eine Antwort zu bekommen. Mein Fell ist stumpf, steht in alle Richtungen ab und ist noch immer an einigen Stellen rußverschmiert, meine Pfote tut immer noch etwas weh und hier und da finden sich einige Kratzer und Schrammen. Ich bin müde und doch laufe ich noch eine Weile weiter, bis ich eine Pause brauche. Ein tiefes Seufzen entweicht meiner Kehle als ich mich unter einen Baum einfach fallen lasse und meinen Kopf auf den Boden lege. Ich winsele leise und fühle mich so allein.


RE: Überraschung und Avis / vier Tage nach dem aktuellen Plot - Arkanis - 21.06.2019

Mein Blick hob sich in den nächtlichen Wald, die Augen scannten jeden Baum, jeden Strauch und jede noch so kleine Bewegung, die der Wind im Laub verursachte. Lautlos entfernte ich mich vom schlafenden Rudel. Natürlich hatte ich Kimya Bescheid gesagt und ihm etwas ungeschickt klargemacht, dass ich auf jeden Fall zurückkommen würde. Ich sah noch einmal zurück auf seine kleine, zusammengerollte Gestalt und seufzte leise, bevor ich wieder herumfuhr.
 
Meine Pfoten trugen mich fort und ich hatte mit jedem weiteren Schritt mehr und mehr das Gefühl, freier atmen zu können. Gierig sog ich die kühle Waldluft in meine Lungen ein, wurde schneller, Adrenalin machte sich in mir breit. Ich verfiel in einen schnellen Trab, dann in Galopp. Die Landschaft flog nur so an mir vorbei, fast spielerisch wich ich den Hindernissen vor mir aus, genoss den Wind in meinem Fell und die Kraft meiner Muskeln, das Zusammenspiel zwischen Beinen und Rumpf, in perfekter Harmonie.
Immer schneller schoss ich durch die Nacht, spürte nichts außer meiner eigenen Kraft. Ich spürte meine Sorgen hinter mir verschwimmen, sie lösten sich langsam in nichts auf, je weiter ich lief.
 
Die Landschaft veränderte sich, doch erst der beißende Geruch schaffte es, in mein Bewusstsein vorzudringen. Schlagartig hielt ich an, schlitternd fanden meine Pfoten Halt auf dem Boden und ließen eine kleine, grauschwarze Wolke aufstoben. Mit klopfendem Herzen sah ich mich um, erkannte sofort die verbrannte Landschaft, alles war grau und von einer leichten Ascheschicht überzogen. Der Geruch drang in meine Nase, brannte sich ein und ließ mich nicht los.
Ich kehrte um, mit gesträubtem Fell und steifen Gliedern entfernte ich mich von der verbrannten Landschaft, die Ohren stets misstrauisch nach hinten gestellt, so als könne mich jeden Moment das Feuer erneut einholen und sich auf mich stürzen. Mit aller Kraft versuchte ich, nicht zu rennen, dass hätte mich nur noch viel stärker in Panik versetzt. Mein Herz klopfte wahnsinnig schnell und ich hasste mich dafür, dass die Erinnerung solch starke Macht über mich hatte. Erst, als ich ein gutes Stück weit gegangen war, wagte ich es wieder tiefer zu atmen.
 
Sofort nahm ich einen bekannten Geruch wahr. War Kimya mir etwa gefolgt? Ich blieb stehen und starrte angestrengt in die Nacht hinaus. So schnell war er doch noch nicht, mit seinen Welpenbeinen?
Eilig machte ich ein paar Schritte zurück, als der Wind auffrischte und mich innehalten ließ. Der Geruch kam aus einer anderen Richtung. Erst meine Ohren, dann mein Kopf, dann der Rest meines Körpers wandten sich wieder um und ich schnüffelte in die Brise. Das war nicht Kimya… das war Avis!
 
Ich schüttelte den Kopf, das hier war doch alles nicht real! Meine Pfoten trugen mich auf den Geruch zu, wieder rein in den verbrannten Wald, doch mein Hirn war langsamer. Ich haderte mit mir, wollte nicht glauben, dass ich möglicherweise meinen Sohn gefunden haben könnte. Fast widerstrebend ließ ich mich von meinen Beinen tragen, bis ich plötzlich abrupt stehen blieb.
Was, wenn er verletzt war? Oder noch schlimmer… tot? Ich ertappte mich dabei, wie ich leise winselte und erschrak ein wenig über dieses in meinen Ohren viel zu laute Geräusch in der stillen Nacht. Vor meinem inneren Auge sah ich die zusammengesackte Gestalt meines Sohnes, sah seine leblosen Augen zu mir hinaufstarren, sein in Todesangst verzerrtes Gesicht.
 
Ich trat auf der Stelle, Panik überrollte mich, viel stärker als noch vorhin. Umkehren, weglaufen, nie wieder zurückblicken! Die zerstörte Landschaft um mich herum, in der alles nach Tod roch, nahm ich kaum noch wahr. Ich sah nur meinen toten Sohn vor mir.
 
Du musst jetzt mit den Konsequenzen leben, Arkanis, dachte ich und straffte mich ein wenig, angesichts der unmöglichen Aufgabe, die vor mir lag.
 
Und vielleicht musst du deinem Sohn erzählen, dass du seinen Bruder getötet hast.
 
Alles in mir wollte fliehen, wie so oft in meinem Leben. Doch dieses Mal konnte ich es nicht. Zögerlich trat ich auf den Geruch zu, die Ohren gespitzt und das Fell leicht vor Furcht aufgestellt. Wie sollte ich Kimya je wieder unter die Augen treten? Mein Herz schlug so laut, dass es weit in die Finsternis zu hören sein musste. Ich trat hinter einem Strauch hervor und erblickte eine zusammengesunkene Gestalt am Boden. Purer Horror durchströmte mich und kurz wagte ich es nicht einmal, genauer hinzusehen. Doch dann drang ein leises Winseln an meine Ohren und ich sah, wie sich seine schmale Brust langsam hob und senkte.
 
„Avis!“, meine Stimme war viel zu laut in der Nacht, doch das war egal. Alles war egal! Eine Welle der Erleichterung überrollte mich und ich lief auf ihn zu, blieb nur wenige Meter vor ihm stehen mit zitternden Gliedern, die beinahe nicht mehr fähig waren, mein Gewicht zu tragen.
 
„Ich habe dich gefunden!“, keuchte ich und starrte ihn an, so als könnte ich nicht glauben, dass ich nun wirklich hier vor ihm stand. Leicht hechelnd und mit wedelnder Rute stand ich nun hier und konnte nicht fassen, dass ich meine Familie wiederhatte.
 
„Bist du verletzt?“, fragte ich und musterte ihn genauer, schnupperte in seine Richtung. Ich wollte noch näher kommen, ihn ganz genau untersuchen, doch noch hielt ich mich zurück. Er lebte! Es war so viel mehr, als ich verdient hatte.


RE: Überraschung und Avis / vier Tage nach dem aktuellen Plot - Avis - 22.06.2019

Ich hatte die Augen geschlossen, war einfach nur müde und mir fehlte die Nähe zu den anderen. Wie gerne hätte ich mich jetzt an Kimya gekuschelt und meine Nase in seinem Fell vergraben, nur um sicher zu gehen, dass er auch wirklich da war. Doch stattdessen war um mich herum nur der kühle Boden und die dunkle Nacht. Ich bemerkte das herannahende Tier nicht, das sich zögerlich in meine Richtung bewegte und vermutlich hatte ich Glück, dass es nicht jemand anderes war, der sich seinen Weg zu mir bahnte. Erneut winselte ich leise und schreckte zusammen als mein Name so laut an meine Ohren drang. Ich hob den Kopf überrascht und sah kurz nur die Silhouette einer Wölfin, bis sich meine Augen an die nächtliche Dunkelheit gewöhnten und ich die grauen Seelenspiegel des Wolfes erkannte.

Ich hatte mit Vielem gerechnet, dass ich Kimya und die anderen wiederfand, oder dass ich Chu und Erasmus über den Weg lief. Selbst das ich auf Ewig alleine weiterzog, lag nicht so fern, doch das mich ausgerechnet meine Mutter finden würde, damit hatte ich nie im Leben gerechnet. Sie stand direkt vor mir, ich konnte sie riechen, sie hören und sehen. Sie war also kein Traum, sondern Wirklichkeit.

“Mama?“, murmelte ich und rappelte mich auf, verzog kurz die Lefze als ich auf meine schlimme Pfote trat und stand dann einige weitere Herzschläge einfach nur da. Hin und hergerissen zwischen unbändiger Freude endlich nicht mehr allein zu sein und dem Groll, den ich gegen meine Mutter hegte, sah ich sie einfach nur an, antwortete nicht mal auf ihre Frage. Ein Teil von mir wollte sich so sehr an sie schmiegen, ihr wie früher um die Nase springen und ihr die Lefzen lecken, doch der andere Teil hielt mich zurück. Sie hatte Kimya und mich im Stich gelassen, war ohne ein Wort einfach verschwunden. Ganz leicht pendelte meine Rute hin und her, verriet meine innere Freude ganz gleich was ich auch versuchte zu verbergen. Und doch purzelten andere Worte über meine Lefzen als erwartet.

“Du hast uns allein gelassen“, sagte ich, “du bist einfach gegangen. Du hast uns im Stich gelassen.“

Der Vorwurf in meiner Stimme war nicht zu verleugnen und ich spürte wie die Wut in mir empor kroch und sich mit der Enttäuschung vermischte. Sie war unsere Mutter und als wir sie am meisten brauchten, war sie nicht da. Als das Feuer durch den Wald fegte und mich von Kimya trennte…
„… warst du nicht da. Wir… wir hätten dich gebraucht!“, ich schluckte die Wut hinunter, bis nur noch Traurigkeit übrigblieb, „ich hätte dich gebraucht…“
Ein Geständnis, dass ich nicht einmal Kimya erzählt hätte. Einer von uns beiden musste schließlich stark sein.

Ich ahnte nicht, dass Arkanis in der Zwischenzeit Skadi, Kimya und die anderen gefunden hatte und drehte deshalb ab, um an ihr vorbei zu trotten. Hinkend und mit gesenktem Kopf wich ich ihrem Blick aus und wollte davonlaufen, genau wie sie.


RE: Überraschung und Avis / vier Tage nach dem aktuellen Plot - Arkanis - 23.06.2019

Mein Blick lag fest auf Avis, trotz der Dunkelheit hatte ich keine Schwierigkeit, jede noch so kleine Regung wahrzunehmen. Ich beobachtete ihn genau als er aufstand, sah sofort, dass er Schmerzen hatte und meine Augen verengten sich mitfühlend.
 
„Du bist verletzt…“, murmelte ich und trat besorgt einen Schritt auf ihn zu. Doch seine Worte hielten mich wirkungsvoll auf Abstand. Schweigend hörte ich ihm zu, ließ ihn nicht eine Sekunde aus den Augen und ließ zu, dass er seinem Ärger freien Lauf ließ. Er hatte jedes Recht dazu.
 
Ich hatte meine beiden Söhne wieder! Nichts anderes zählte. Jedenfalls redete ich mir genau das ein, versuchte den Stich, den ich bei seinen Worten verspürte, einfach zu ignorieren. Seine Wut war in Ordnung für mich. Ja, ich hatte all das mehr als verdient. Es war seine Trauer, die mir einen Kloß im Hals verpasste, die meine Euphorie darüber, ihn wiedergefunden zu haben, ein ganz klein wenig dämpfte.
Und das lag nicht einmal daran, dass er all das zu mir sagte. Es lag daran, dass er all die Vorwürfe in mir wieder an die Oberfläche räumte, die ich so angestrengt zu vergraben versucht hatte. Nicht nur er warf mir gerade diese Dinge an den Kopf, ein Abbild von mir, ein Schatten stand dort neben Avis und zu zweit stachen sie mit ihren Worten auf mich ein. Es war die Mutter in mir, die es doch irgendwie immer gegeben hatte, auch wenn ich eigentlich nie einen solchen Weg für mich gewählt hätte.
Und die Egoistin in mir stand nun mit eingezogenem Schwanz da und hörte sich all die Vorwürfe an, die sie mehr als verdient hatte.
 
Trotzdem war mein Blick sanft, als ich Avis erneut ansah. Schuld lag darin, Verständnis… und Liebe.
 
„Ich weiß, du willst das nicht hören.“ , begann ich leise und trat neben ihn, als er leicht hinkend die Flucht ergreifen wollte. Er konnte weglaufen, wenn er wollte. Doch ich würde ihm folgen, ihm den Abstand lassen, den er brauchte, ihn jedoch niemals wieder alleine lassen. Irgendwie musste ich das wieder gerade biegen…
 
„Ich habe einen unverzeihlichen Fehler gemacht.“ , sagte ich ernst und schluckte schwer. Vor niemand anderem hätte ich jemals solche Worte ausgesprochen. Doch was war Stolz schon wert, wenn man die Chance hatte, seinen Sohn erneut bei sich haben zu können? Und vielleicht würde er mir irgendwann sogar wieder in die Augen sehen können und ich würde die gleiche Liebe darin entdecken, die mir täglich fast mein Herz zerfraß. Was machte es da schon aus, wenn ich ihm meine Seele offenlegte? Es war ein Opfer, welches ich nur zu gerne brachte.
 
„Ich möchte ehrlich zu dir sein, Avis. Es gibt keinen Grund, der sich nett anhört, um zu erklären, warum ich damals gegangen bin.“
Super, Arkanis, fängt ja toll an… Ich sah ihn aus dem Augenwinkel heraus an. Mir war klar, dass ich mit ihm sprach, wie mit einem Erwachsenen, doch war er das nicht mittlerweile auch? Ich hatte ihn dazu gemacht, ihn gezwungen viel zu schnell das unbeschwerte Welpenleben hinter sich zu lassen. So viel hatte ich kaputt gemacht… ich hoffte so sehr, dass es sich reparieren ließ.
 
„Die Wahrheit ist, dass ich wahnsinnige Angst hatte. Angst, eine schlechte Mutter zu sein, Angst, etwas falsch zu machen. Ich war so unglaublich überfordert, dass ich dachte es wäre das Beste, wenn ich gehe. Statt mich meiner Verantwortung zu stellen, bin ich geflohen wie ein Feigling.“ Ich schloss kurz die Augen, Scham wallte in mir hoch. Doch schnell sah ich ihn wieder an.
 
„Noch nie in meinem Leben habe ich mich so einsam gefühlt. Ich habe euch beide so wahnsinnig vermisst… Es tut mir so leid…“ Ich schluckte und hielt kurz inne, wollte ihm etwas Zeit geben, meine Worte zu verdauen und sich zu überlegen, wie er reagieren wollte. Und ich hatte etwas Zeit mich zu wappnen, für das, was auch immer folgen sollte.


RE: Arkanis und Avis / vier Tage nach dem aktuellen Plot - Avis - 29.06.2019

Nein ich wollte wirklich nichts mehr von ihr hören, ganz gleich was meine Mutter zu sagen hatte. Ich hatte sie längst abgeschrieben, nicht mehr damit gerechnet sie je wieder zu sehen und irgendwann war mir der Grund ihrer Flucht vor den eigenen Welpen immer gleichgültiger geworden. Als sie mir nachkam, sich an meine Seite gesellte, mied ich ihren Blick und legte die Ohren leicht an. Versuchte ihrer Stimme nicht zu zuhören, doch es war unmöglich das nicht zu tun. Immerhin war sie nach so langer Zeit die erste Wölfin, der ich begegnete und die trotz der Differenzen irgendwo tief in meinem Innern die Einsamkeit versuchte zu verscheuchen. Ich musste es nur zulassen und das war das Problem, ich konnte und wollte nicht.

Als sie sich selbst den Fehler eingestand, wurde ich langsamer, blieb beinahe stehen und schielte zu ihr hinüber, weil ich ihr so sehr ins Gesicht bellen wollte, wie recht sie damit hatte. Doch ich biss mir auf die Zunge, unterdrückte diesen Drang und trottete langsam weiter, während sie mich nicht allein ließ und die Nähe unweigerlich Balsam für meine einsame Seele war. Das sollte nicht so sein und doch war es so. Insgeheim sehnte ich mich nach ihrer Nähe, wollte mich an sie schmiegen und mir den Trost holen, den ich sonst nirgends fand. Aber ich war kein kleiner, hilfloser Welpe mehr. Die letzten Tage hatten das bewiesen, ich war allein auf mich gestellt und hatte es irgendwie geschafft. Ich war stark und stolz! Ich war kein kleiner Welpe mehr!

Ein trotziges Schnauben verließ meinen Fang während meine Mutter weitersprach, es klang im ersten Augenblick einfach so lächerlich, doch sie war noch nicht fertig und je mehr Worte sie sprach, desto ernster wurde sie. Arkanis gab mir nicht das Gefühl, dass sie mich noch als Junges sah, nicht in diesem Moment zumindest. Sie sprach mit mir wie mit einem Erwachsenen und erhielt dafür von mir die volle Aufmerksamkeit.
Erneut blieb ich stehen und dieses Mal richtete ich meine Augen auf ihr so vertrautes Gesicht, in denen sich die grauen Seelenspiegel kurz verschlossen nachdem sie etwas sagte, dass ich nicht erwartet hatte. Ich hatte meine Mutter immer als stark, stolz und unabhängig gesehen und zuletzt auch eine gehörige Portion Egoismus dazu gepackt. Doch jetzt verriet sie mir, dass sie Angst hatte. In meinen Augen hatte sie niemals vor irgendetwas Angst gehabt, in dieser Hinsicht eiferte ich ihr vielleicht auch zu sehr nach. Jetzt bekam ich ein ganz anderes Bild von ihr, eines das die Dinge ein wenig veränderte.

Ich starrte sie eine halbe Ewigkeit an, ehe ich den Blick senkte und mich schließlich hinsetzte. Ich wusste, dass es nicht einfach war über seine eigenen Ängste zu sprechen. Ich erzählte auch niemanden von meinen, um so erstaunlicher war es, dass Mama mir ihre erzählte.
„Und dann hast du genau das gemacht, wovor du Angst hattest“, sagte ich und sah sie wieder an, „du hast alles falsch gemacht.“ Dieses Mal lag kein Vorwurf in meiner Stimme, es war lediglich eine Feststellung. Wenn sie sich gegen ihre Ängste gestellt hätte, wäre sie vielleicht niemals davon gelaufen.

Ich wusste wie sich Einsamkeit anfühlte, immerhin hatte ich genau in dieser Stille die letzten Tage verbracht und es war schrecklich gewesen. Ich hasste es, ich mochte es nicht und ich wollte nicht länger allein sein. Außerdem…
„Ich… ich habe dich auch vermisst“, murmelte ich und sah zur Seite, bevor ich weitersprach, „und ich will nicht länger allein sein, aber ich bin immer noch wütend auf dich.“
Ich war nur ehrlich, wollte ihr klar machen, dass ich ihr Verschwinden nicht einfach so verzeihen konnte und gleichzeitig wollte ich auch nicht, dass sie wieder ging.
„Ich will nicht, dass du wieder verschwindest“, sagte ich ernst und sah wieder in die grauen Seelentore, in denen sich so unterschiedliche Emotionen widerspiegelte, dass ich sie nicht alle einordnen konnte.

Vielleicht konnte ich mit ihrer Hilfe Kimya wieder finden und ihm dann unsere Mutter zurückbringen.
„Mama?“, kam es fragend über meine Lefzen als ich nach Worten suchte, um ihr zu erklären, dass ich meinen Bruder allein gelassen hatte, „ich habe Kimya verloren. Als das Feuer kam, war ich wo anders und… und dann konnte ich ihn nicht mehr finden.“ Ich war doch der große, starke und mutige Bruder, der auf ihn aufpassen musste, nachdem unsere Mutter verschwand und nun hatte ich ihn genauso im Stich gelassen.
„Ich hab ihn allein gelassen“


RE: Arkanis und Avis / vier Tage nach dem aktuellen Plot - Arkanis - 01.07.2019

Während der viele Worte, die meinen Fang verließen, hatte ich Avis niemals aus den Augen gelassen. Die Muskeln leicht unter Spannung gehalten, sollte er sich entscheiden, loszulaufen und die Ohren dennoch wachsam in die Umgebung gerichtet, um jede mögliche Gefahr von meinem Sohn fernhalten zu können.
 
Als er mir in die Augen sah, machte meinen Herz einen kurzen Satz und meine Schritte wurden leicht unsauber, ließen mich beinahe ins Straucheln geraten, bevor ich ebenso wie er zum Stehen kam. Ich holte tief Luft und versuchte Avis` Reaktion einzuschätzen. Es gelang mir nicht. Der Blickkontakt war lange, zu lange. Ich gab mir Mühe ihn zu erwidern, doch schnell begann mein Pelz sich unter dem intensiven Blick dieser klugen, braunen Augen unangenehm warm anzufühlen und ich richtete den Blick kurz auf einen Punkt hinter Avis, versuchte zu kaschieren, wie schwer mir diese ganze Situation fiel.
 
Als er zu sprechen begann, schossen meine Augen allerdings augenblicklich zurück und lagen wieder auf dem Gesicht meines Sohnes. Seine Worte trafen mich so tief, dass ich den Blick wieder abwandte, ein abwehrender Ausdruck trat in mein Gesicht und ich ertappte mich dabei, dass ich einen Schritt zurücktrat. Hätte er die Worte geschrien, hätte es keinen anderen Effekt haben können.
 
Er hatte es so präzise auf den Punkt gebracht, dass es mich erneut so tief in meiner Schuld versinken ließ. Ich wollte ihm zustimmen, wenigstens nicken, ihm zeigen, dass er recht hatte. Doch es war zu viel. Zu viele Emotionen, ich spürte, wie schnell ich die Mauern um mich herum wieder aufstellte, spürte eine wachsende Distanz zu meinem Sohn aufwallen, die ich sofort entschlossen niederzuringen versuchte.
Doch mit seinen Worten hatte er ohne es zu wollen das Fass zum Überlaufen gebracht und der Augenblick, in dem ich ihm meine Seele offenlegen konnte, war vorbei.
 
Der Moment war kurz, seine nächsten Worte waren Balsam für mein Herz. Doch dadurch, dass ich bereits auf Abwehr gegangen war, konnten sie mich nicht ganz da erreichen, wo ich sie gebracht hätte.
Dennoch trat ein warmer Ausdruck in mein Gesicht und ich nickte leicht.
 
„Du hast alles Recht, wütend zu sein.“, stellte ich klar und meinte es auch genauso. Ich konnte unmöglich erwarten, dass mein Sohn mir etwas verzeihen würde, was ich mir selbst noch lange nicht verziehen hatte. Aber er war hier und er redete mit mir.
Ich sah ihm tief in die Augen, so lange ich es aushielt und sagte ihm das, was ich auch mir geschworen hatte.
 
„Ich werde nie wieder verschwinden, Avis. Versprochen.“ Würde er mir glauben? Ich wusste es nicht und egal wie intensiv ich es versuchte, ich konnte in seinem Gesicht nicht lesen. War ich zu lange weg gewesen? Es war mir noch nie leichtgefallen, die Emotionen anderer zu deuten. Aber es war auch nie nötig gewesen und keine Fähigkeit, die ich besonders vermisste. Doch hier und heute, wünschte ich, ich könnte mir mehr Mühe geben und wenigstens ein Stück weit verstehen, was der Ausdruck im Gesicht meines Sohnes zu sagen hatte.
 
„Mama?“, dieses eine Wort riss mich aus meinen kurzen Überlegungen und mir fiel auf, dass ich es vermisst hatte, so genannt zu werden, auch wenn ich es niemals erwartet hätte. Ich sah ihn sanft an, als seine nächsten Worte betroffen über seine Lefzen kamen und ein bekümmerter Ausdruck trat in mein Gesicht. Am liebsten wäre ich noch einen Schritt zurückgewichen, musste Abstand zwischen mich und diese Gefühle bringen, doch mir blieb nur, kurz die Augen zu schließen und dagegen anzukämpfen.
 
Es war nicht Avis Aufgabe, für Kimya zu sorgen und auf ihn aufzupassen. Es war meine, Verdammt! Ich hatte versagt und nun gab sich Avis die Schuld daran. Seine Worte rissen an mir und ich sah ihn kurz gequält an.
 
Du hast nichts falsch gemacht, Avis.“, sagte ich leise und sah ihn dann ernst an, fuhr mit festerer Stimme fort. „Wäre ihm etwas passiert, wärst sicher nicht du Schuld daran gewesen...“ Der Satz blieb unvollendet, doch ich war mir sicher, dass Avis das "sondern ich!" problemlos würde fassen können, selbst wenn ich nicht stark genug war, mir meine Schuld erneut vor ihm einzugestehen. Ich sah ihn eindringlich an, hoffte er verstand, was ich ihm sagen wollte. Doch im nächsten Atemzug fiel mir ein, dass ich ihm das Wichtigste noch gar nicht verraten hatte und der gequälte Ausdruck in meinem Gesicht wurde ein wenig weicher.
 
„Aber es geht ihm gut, Avis. Er ist bei Skadi, Runa und Kaya. Sie alle sind wohl auf!“ Vielleicht war das der erste Schritt einer ganzen Reihe von Wiedergutmachungen.


RE: Arkanis und Avis / vier Tage nach dem aktuellen Plot - Avis - 10.07.2019

Mir war nicht klar was meine Worte und Empfindungen bei meiner Mutter auslösten, sonst hätte ich vielleicht weniger harte Worte genutzt. Andererseits sprach ich nur die Wahrheit, sie selbst hatte sich das eingebrockt. Sie selbst hatte Fehler gemacht und musste nun damit zurecht kommen, dass ich ihr nicht sofort verzeihen konnte. Vielleicht hätte ich sie weniger ins Gericht genommen, wenn ich es besser verstanden hätte. Doch es wollte nicht so recht in meinen Kopf gehen, weshalb eine Mutter ihre Jungen zurückließ. Weshalb sie solche Angst hatte. Nichts was sie bis zu ihrem Verschwinden tat, hatte sich für mich falsch angefühlt. Damals war sie mein Vorbild gewesen, ich wollte genauso werden wie sie. Das hatte sich jedoch geändert, denn eines wollte ich niemals tun. Ich wollte nicht davonlaufen und meine Familie zurücklassen.

Seltsam, dass ich genau das durch die Flammen getan hatte. Unweigerlich war ich in die Pfotenabdrücke meiner Mutter getreten und hatte den wichtigsten Wolf in meinem Leben allein gelassen. Ich hatte meinem Bruder erneut wehgetan, ganz so wie Arkanis. Wir waren uns viel ähnlicher als es mir im Augenblick lieb war und doch konnte und wollte ich sie nicht von mir schubsen. Ich wollte nicht länger in der Einsamkeit herumirren. Egal wie wütend ich auf sie war, sie blieb meine Mutter und sie versprach mir nie wieder zu verschwinden.
Eine lange Zeit sah ich sie an, haderte, weil ein Teil in mir seine Nase so gerne in ihrem Fell vergraben hätte, nur um die Sicherheit zu spüren, die trotz allem von ihr ausging. Doch mein eigener Stolz verhinderte diesen Drang und so nickte ich nur: „Ich nehme dich beim Wort.“ Sollte sie jemals ihr Versprechen brechen, verlor sie damit mein Vertrauen, welches sich langsam wieder aufbaute. Beflügelt von dem Wissen, dass es ihre Angst vor Fehlern war, die sie dazu gebracht hatte. Sie wusste woran es lag, sie konnte etwas dagegen tun und ich wollte ihr doch irgendwie auch die Angst davor nehmen. Ihr zeigen, dass sie auf dem richtigen Weg war.

Nicht nur sie hatte Fehler begangen, bemerkte ich bald. Ich war hitzköpfig davon gelaufen auf der Suche nach einem neuen Abenteuer und hatte Kimya zurückgelassen. Ich war nicht viel besser als meine Mutter und so kamen die nächsten Worte zögerlich über meine Lefzen. Ich hatte den Blick gesenkt und bekam daher den inneren Kampf meiner Mom nicht mit. Sah nicht den Schmerz in ihren Augen, weil sie nicht mir sondern sich allein die Schuld daran gab. Erst als sie wieder zu mir sprach, sah ich sie an und konnte hören und sehen, dass sie mir nicht böse war. Ganz im Gegenteil, sie nahm mir die Last ab. Sie sagte mit den unausgesprochenen Worten, dass es nicht meine, sondern ihre Aufgabe gewesen war. Ich schluckte und nickte erneut, auch wenn es nichts an der Tatsache änderte, dass wir beide ihn verloren hatten.

Ihre nächsten Worte ließen mich überrascht und verwirrt blinzeln. Ich war mir nicht sicher, ob ich es wirklich richtig verstanden hatte oder ob mir mein Gehör einen Streich spielte und mich hören ließ, was ich mir so sehr wünschte.
„Es geht ihnen gut?“, fragte ich ungläubig und sprang beinah auf die Pfoten vor aufkommender Aufregung, „Kimya ist nichts passiert? Du hast sie gefunden? Du weißt wo er ist?“ Ich sah mich hektisch um, witterte und sprang von einer Seite zur anderen, ehe ich Arkanis wieder anstarrte, weil ich nichts wahrnehmen konnte.
„Wo sind sie?“, fragte ich aufgeregt und ließ meine Rute sacht hin und her pendeln, vergaß vor lauter Spannung und Sehnsucht sogar die Müdigkeit und Erschöpfung. Ich wollte so sehr zu ihnen, zu Kimya und mich mit eigenen Augen von seiner Unversehrtheit überzeugen.


RE: Arkanis und Avis / vier Tage nach dem aktuellen Plot - Arkanis - 13.07.2019

"Das kannst du", sagte ich schlicht, als Avis meinte, er würde mich beim Wort nehmen. Mir war klar, dass dies meine letzte Chance war und das ich, würde ich nochmal abhauen, ihn für immer verlieren würde. Doch das würde ich nicht tun, ich würde zu meinem Wort stehen.

Wärme machte sich in mir breit, als ich Avis beobachtete, wie er suchend umhersprang, wie das Leuchten in seine Augen zurückkehrte, als er erfuhr, dass sein Bruder noch lebte. Ich wedelte leicht mit der Rute und trat näher zu ihm, sah ihn nun wieder fest an.
 
“Natürlich weiß ich, wo er ist.“, sagte ich großspurig und zwinkerte ihm zu. Es war so schön zu sehen, wie die Sorgen, die Schuld von Avis abfielen und er – nur für den Moment – wieder in die Rolle eines sorglosen Welpen schlüpfen konnte. Ein Welpe, der nichts anderes tun musste, als seiner Mutter zu folgen, weil er wusste, dass sie den richtigen Weg kannte.
 
An einem anderen Tag hätte ich ihn vielleicht zu einem Wettrennen angestiftet, hätte mir angesehen, wie er glücklich durch den Wald jagte, auf dem Weg zu seinem Bruder, um ihn schließlich absichtlich gewinnen zu lassen, damit ich mir das Wiedersehen in seinem ganzen Ausmaß ansehen konnte. Doch ich hatte seine verletzte Pfote nicht vergessen, so wandte ich mich nur langsam um und deutete einladend mit dem Kopf in die richtige Richtung.
 
“Ich weiß, das wird dir schwerfallen“, sagte ich mit einem belustigten Funkeln in den Augen. “Aber lass uns langsam machen. Kimya wird nicht weglaufen und deiner Pfote tut es sicher nicht gut, wenn wir kopflos durch den Wald stürmen.“
Ich sprach bereits wieder wie eine Mutter mit ihm und warf ihm einen gespannten Seitenblick zu. Es war nicht leicht, sofort wieder in diese Rolle zu schlüpfen und zu erwarten, dass Avis das einfach so akzeptierte, nachdem zuvor doch er die meisten Entscheidungen hatte treffen müssen. Doch andererseits war ja ich es, die den Weg kannte und so würde ihm kaum was anderes übrigbleiben.
 
Meine Rute stellte allmählich wieder ihr lockeres Pendeln ein und ich sah ihm während unseres gemütlichen Marsches durch den Wald ernst von der Seite an.
 
“Kimya sagte mir, Erasmus und… Chu? wären bei dir gewesen.“ Ich erinnerte mich dunkel an die Namen, die Kimya mir verraten hatte.
“Und Tryss und Dekaja haben sich auch auf die Suche nach euch gemacht. Warum… warst du alleine?“, fragte ich ihn ruhig. Ich hielt es für das Beste, ihm diese Fragen hier und persönlich zu stellen. Es waren Fragen, die das Rudel sicher auch stellen würde und ich bildete mir ein, dass es Avis vielleicht leichter fallen würde, wenn ich Skadi und den anderen diese Fragen würde beantworten können. Avis würde froh sein, endlich wieder bei Kimya zu sein, da brauchte ihn das nicht mehr zu belasten.
 
Der Wald um uns herum wurde wieder grüner, der Mond schien hell hinab auf gesunde, vom Feuer unberührte Bäume. Ich sog tief die Luft ein und genoss es sichtlich, aus dieser verbrannten Hölle entkommen zu sein. Wie erleichtert musste da erst Avis sein?


RE: Arkanis und Avis / vier Tage nach dem aktuellen Plot - Avis - 31.07.2019

Sie hatte Kimya und die anderen nicht nur gefunden, sie wusste auch wo sie jetzt waren. Mein Herz schlug schneller in meiner schmalen Brust und ich spürte wie etwas Großes von mir abfiel. Als ob jemand einen großen Stein von meinen Schultern nahm, so dass mich neue Stärke und Energie durchströmte.
„Wo? Bitte sag doch wo?“, bettelte ich und sah von ihr wieder umher, witterte noch einmal ohne Erfolg, „bitte zeig mir den Weg, bitte!“ Jetzt fehlte wirklich nicht mehr viel und ich wäre ihr am liebsten an ihren Fang gesprungen, um ihr über die Lefzen zu schlecken und ihr somit die Antwort abzuringen. Ich wollte einfach nur so schnell wie möglich zu meinem Bruder!

Ein leises, frustriertes Schnaufen entwich meiner Kehle als Mutter mich bat es langsam anzugehen und damit vor allem meine verletzte Pfote meinte. Stolz und stark wie ich mich immer gab, hob ich den Kopf und versuchte ohne zu humpeln um sie herum zu laufen.
“Ach meiner Pfote geht es gut, siehst du?!“, sprach ich und schaffte es beinah erfolgreich einmal um sie drum rum, ehe ich doof auf einen spitzen Stein trat, leise fiepte und mich duckte. Tja und dann humpelte ich ein paar Schritte erstmal doller als vorher. Das war also gehörig nach hinten losgegangen. Demnach blieb mir nichts anderes übrig als langsam, quälend langsam neben Arkanis her zu laufen. Mir blieb nur die Hoffnung, dass der Weg nicht so weit war und falls doch, war es mir auch egal. Hauptsache am Ende war Kimya!

Während wir durch die Nacht liefen sah ich mich immer wieder um, spitze die Ohren und behielt die Umgebung im Auge. Das war vor dem Feuer nicht so gewesen, doch das Alleinsein hatte mich zur Aufmerksamkeit gezwungen, immerhin hatte ich anfangs hinter jedem Baum einen Freund gesehen oder meinen Bruder. Später waren es die dunklen Schatten, die die Einsamkeit noch unerträglicher machten. Ich war nicht länger allein und doch behielt ich es bei. Ich hatte sie alle gesucht, im abgebrannten Wald, auf den Feldern drumherum und einmal war ich sogar einer der menschlichen Behausung sehr nahe gekommen, doch es war jedes Mal vergeblich gewesen. Ich erinnerte mich an die verkohlten Überreste eines Dachses, der weniger Glück gehabt hatte als ich und der mich bitter daran erinnerte hatte, dass es einem der anderen ebenso ergangen sein konnte. Mond am Himmel war ich froh endlich zu wissen, dass es zumindest Kimya, Skadi und die anderen geschafft hatten.  

Arkanis Worte rissen mich aus meinen Gedanken, sie fragte mich nach dem Grund weshalb ich alleine war und verriet mir gleichzeitig, dass sie keine Ahnung hatte wo Chu und Erasmus abgeblieben waren. Die Ungewissheit verlor sich nicht gänzlich im Wind, ein Teil meines Rudels blieb verschwunden. Meine Schritte wurden einen Moment langsamer als ich die Augen schloss und mir Chus Gesicht und ihren ängstlichen Blick in Erinnerung rief.
„Das Feuer hat Chu, Erasmus und mir den Weg zu den anderen abgeschnitten. Wir haben versucht zu ihnen zurück zu kommen, doch es ging nicht“, begann ich zu erzählen und spürte bald, nach langer Zeit unverbrannten Boden unter meinen Pfoten, wir ließen die Schrecken endlich hinter uns, „aber ich wollte und musste doch zurück zu Kimya… also hab ich Chu hinter Erasmus hergeschickt und bin zurück gelaufen soweit ich konnte. Nur da waren überall Flammen…“
Seither war ich keinem Wolf mehr begegnet, weder Chu noch Tryss oder Dekaja, die offenbar nach uns suchten.
„Sie sind nicht bei Skadi und den anderen, nicht wahr?“, fragte ich vorsichtig und sah hinüber zu meiner Mom, „ich hoffe es geht ihnen gut.“ Die letzten Worte kamen nur geflüstert über meine Lefzen, weil es gut möglich war, dass sie es nicht geschafft hatten. Das Chu nicht aus dem Wald flüchten konnte. So sehr ich auch zu Kimya zurück wollte, ich hätte sie nicht allein lassen sollen. Ich hätte sie alle nicht allein lassen sollen. Das keiner von beiden jemals allein war und stattdessen ich derjenige war, der viele Nächte einsam war, ging mir nicht durch den Kopf. Es war noch immer die Schuld, die an mir nagte und nicht so einfach davon zu spülen war. Was wenn Dekaja und Tryss meinetwegen auch noch fort waren?


RE: Arkanis und Avis / vier Tage nach dem aktuellen Plot - Arkanis - 09.08.2019

Belustigung lag in meinen Augen, auch wenn ich versuchte, Avis für seine Showeinlage einen strengen Blick zuzuwerfen. Zur Strafe drosselte ich das Tempo allerdings noch ein wenig mehr. Wie ich ihm gesagt hatte würde Kimya nicht weggehen und da er in den ersten Schritten nur noch stärker humpelte, hielt ich ihn anfangs besorgt im Blick.

Doch schon bald wurden seine Schritte wieder sauberer und gleichzeitig stieg seine Aufmerksamkeit an. Ich konnte es ihm nicht verbieten, ihm sagen, das er jetzt wieder einfach nur Welpe sein musste. Dafür war in den letzten Wochen viel zu viel passiert.

Nun kam der unangenehme Teil. Ich warf meinem verlorengeglaubten Sohn nur noch hin und wieder flüchtige Seitenblicke zu, wollte nicht sehen, wie die Last ihn wieder einholte. Aber dieses Gespräch musste sein.

Stumm lauschte ich seinen Ausführungen und nun wurde mir im vollen Ausmaß bewusst, was die letzten Tage Avis abverlangt hatten. Er hatte den Schutz seiner Gruppe verlassen und sich auf eigene Faust und ganz alleine auf die Suche nach seinem Bruder gemacht. Das zeugte von einer gehörigen Portion Mut, ein wenig Dummheit, wenn nicht sogar purem Wahnsinn – und von Liebe. Er würde alles für Kimya tun, mehr noch als ich, wie die Vergangenheit uns beiden bitter gezeigt hatte. Und auch wenn er sicher aus Verzweiflung eine überstürzte Entscheidung getroffen hatte, hatte ihm ebendiese vermutlich das Leben gerettet.

“Nein.“, sagte ich kurz und sah ihn wieder direkt an. “Du bist der einzige, den wir gefunden haben.“ 
Ich blieb stehen und drückte ihm kurz meine Nase ins Fell, eine Geste zu der ich mich früher nicht hätte hinreißen lassen. Doch auch ich war nicht mehr die selbe und hatte gemerkt, wie sehr Kimya diese kleinen Zuwendungen genossen hatte. Und wenn ich ehrlich war tat es mir ja nicht weh.