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Passus VIII - Im Traum vereint - Druckversion

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Passus VIII - Im Traum vereint - Tryss - 13.01.2017

Foto: Bine G. | Dawnthieves.de
 

Passus VIII - Im Traum vereint

Ein paar Tage Quarantäne hatten Entwarnung gebracht. Sowohl der Fremde, der sich als Erasmus vorgestellt hatte und die ein oder andere abenteuerliche Geschichte aus seinem Leben preisgegeben hatte, als auch die Welpen waren verschont geblieben. Verschont von der Krankheit, die die Hunde dahingerafft und die Angst des Todes für kurze Zeit in ihre Herzen gebracht hatte. Auch Skadis Wunden hatten angefangen zu heilen – zumindest die, die äußerlich sichtbar waren und welche Tamias ihr zugefügt hatte. Der Rüde, der mit dem Hund Melf in Richtung der Kinderschar entschwunden war, blieb fern. Als er sich auch nach zwei Wochen nicht mehr bei der Gemeinschaft zeigte, beschlossen die Wölfe, dass es an der Zeit war weiterzuziehen. Es blieb keine Zeit auf jemanden zu warten, der womöglich niemals wiederkam – und dessen Herz sich schon vor langer Zeit von ihnen verabschiedet hatte. Mit Erasmus als neuem Gefährten begaben sich die Wölfe weiter in Richtung Norden. Eine Woche wanderten sie, überquerten den Rhein an einer seichten und ungefährlichen Stelle unerwartet problemlos. Das Bad in dem Fluss war ihnen eine willkommene Abwechslung, denn für September war die Hitze allzu drückend. Sie begannen, nachts oder früh am Morgen loszulaufen, mittags legten die Wölfe immer öfter eine Ruhepause ein, um am Abend ihren Weg noch etwas fortzusetzen. Auch an diesem Tag hatte die Gemeinschaft ihren Marsch früh begonnen. Der Weg führte über einige steile Anhöhen und durch einige Täler und war recht beschwerlich. Umso erschöpfter war die Gruppe – egal ob jung oder alt – als sie ein lichtes Wäldchen erreichten, in dem sie sich zur Mittagsstunde ablegen konnten. Das war auch bitter nötig, denn dieser Tag war heißer als jeder, den sie bisher gemeinsam durchlebt hatten. Kein Windhauch wehte, kein Gewitter kündigte sich durch schwüle Luft an. Stattdessen war es drückend heiß und die Pause allen wohlig willkommen. Es dauerte nicht lange, da waren alle Wölfe eingeschlafen – sogar Tryss, der eigentlich die Wache hatte übernehmen sollen.

Kälter. Es war viel kälter, als es noch eine Sekunde zuvor gewesen war. Nicht kalt, und dennoch. Ich atmete leise, dann öffnete ich die Augen und blickte mich um. Mitten in einem Wald war ich zu stehen gekommen. Die Blätter der Bäume waren saftig grün, aber noch klein. Einige der braunen Riesen waren noch kahl vom Winter. War es Frühling? Ich blickte nach oben. Dort, über den Baumkronen am Himmel kreisten zwei Falken. Sie drehten ihre Runden, immerfort und offenbar über einer einzigen Stelle. Was gab es dort zu sehen? Neugier trieb mich voran. Hindurch zwischen Baumreihen trugen mich meine Pfoten. Seltsam. Der Boden war kaum zu erkennen. Auch meine Läufe schienen nur schemenhaft zu sein. Das Laufen aber war angenehm, federnd und ohne Mühe legte ich Meter um Meter zurück. Leise raschelten die Blätter, wenn ich die Pfoten aufsetzte, sanft wurde die Erde nach unten gedrückt. Mein Blick fiel auf einen kleinen Bach, der sich nur eine Wolfslänge von mir entfernt durch den Wald schlängelte. Kleines Gewässer... warst du eben schon dort gewesen? An einer Stelle am Ufer entdeckte ich kleine Blumen. Gelb wie die schönste aller Sonnen wuchsen sie, eine länger als die andere und doch keine länger als der Fang eines ausgewachsenen Wolfes. Mein Kopf wirbelte herum, als ein Geräusch an mein Ohr drang. Die Falken! Geschrieen hatten sie. Zweimal, dreimal? Ein Zeichen musste es sein, ein Zeichen, dass ich mich dem Ziel näherte. Dann sah ich sie. Eine Lichtung, im dunklen Wald erschien sie mir heller, leuchtender.

Und wirklich. Kaum hatte ich eine Pfoten zwischen den Bäumen hervor gesetzt, musste ich die Augen zusammenkneifen, den Kopf wegdrehen. Nur langsam gewöhnte ich mich an das helle Licht, in das sich alsbald eine Gestalt schob. Blinzelnd wandte ich mich dem Licht erneut zu und öffnete die Augen einen Spalt breit. Schemenhaft bildete sich ein Umriss ab, der nach und nach die Gestalt eines Wolfes annahm. Nein, einer Wölfin! Das Licht verblasste und nach und nach ließen sich Details ihres Gesichtes erkennen. Quer über ihrem Nasenrücken verlief eine Narbe, breit und dunkel. Ihre Lefzen beinahe weiß, die Ohren etwas dunkler. Ihre Augen – so klar, so leuchtend, so weise, so voller Erinnerungen an Leid und Trauer und doch voller Zuversicht und Hoffnung. Sie trat einige weitere Schritte nach vorn und auch ich näherte mich vorsichtig. Erst da erkannte ich den Pfeil, der wie eine Drohung aus ihrer Brust ragte. Doch kein Blut sickerte, kein Leid war der Wölfin anzumerken – wie konnte das sein? „Hab keine Angst“, flüsterte es da plötzlich. Die Fähe hatte gesprochen und trat nun noch einen Schritt heran, sodass sie nur eine halbe Wolfslänge entfernt stand. „Ihr seid auf dem Weg, nicht wahr? Auf dem Weg in den Norden?“ Ihre Stimme klang wunderschön und friedlich, fest und standhaft aber gleichzeitig hoffnungsfroh. Es war ein lieblicher Singsang, dem sich kein Wolf entziehen konnte. Die Antwort lag mir auf der Zunge, doch ich war nicht fähig zu antworten. Stattdessen antworte sie, indem sie wissend nickte. „Dort, wo die Menschen noch eins mit der Natur sind und nicht vor Macht und Gier vergessen haben, dass wir alle zusammen gehören, dass niemand leben kann, wenn der andere stirbt. Ihr sollt diesen Ort sehen, wo ihr euch nicht mehr verstecken müsst. Geht, geht weiter, zieht weiter nach Norden, nehmt andere mit euch, auch wenn es ein weiter, ein beschwerlicher Weg ist.“ Sie hielt kurz inne und blickte nach oben. Dort kreisten noch immer die beiden Falken in luftiger Höhe. Es war, als wachten sie über uns, damit die Wölfin in Ruhe ihre Wort überbringen konnte.

Beschwerlich, ja. Wie beschwerlich der Weg sein konnte, das hatten wir erfahren. Ich war versucht zu Nicken, doch Bewegungen hinter der Fähe, wo noch immer das Licht strahlte, zogen meine Aufmerksamkeit auf sich. Drei Gestalten traten hinter die Fähe. Sie kamen mir so bekannt vor, diese Rüden, die nun eine Länge hinter der Wölfin zum stehen kamen und trauernd die Köpfe senkten. Ich kniff die Augen zusammen und versuchte einen Blick auf ihre Gesichter zu erhaschen. Erschrocken jedoch riss ich sie wieder auf, als die Rüden ihre Köpfe kurz umwandten. Hinten Tryss - sehr sicher, links Kaya – ganz sicher, rechts Tamias – noch viel sicherer. Mein Kopf war versucht darüber nachzudenken, doch die Wölfin trat nun einen weiteren Schritt vor, bis ihr Kopf beinahe gegen den meinen stieß. Ihre Stimme war jetzt zu einem Flüstern geworden, als sie zum letzten Mal zu sprechen begann. „Geht... und sucht den Frieden... Liebe.. ohne Hass. Und fangt auf eurem Weg bei euch selbst.. euch selbst.. damit.. an... damit an.“ Mit den letzten Worten begann das Blut aus der Wunde an ihrer Brust zu sickern und die Wölfin selbst begann zu verblassen. Ich wollte einen Schritt vortreten und sie fassen, sie festhalten und ihr Fragen über ihre Worte stellen. Doch meine Pfoten schienen wie festgefroren und ich sah, wie die Fähe nach und nach vor meinen Augen verschwand – begleitet vom wehleidigen Heulen der drei Rüden im Hintergrund.


Die Bilder waren gekommen, kaum dass den Wölfen die Augen zugefallen waren. Jeder träumte den Traum für sich – und dennoch träumten sie alle gemeinsam, sahen ein- und dieselben Bilder in ihrem Geiste. Ob es an der Hitze lag? An den unsichtbaren Dämpfen, die ein nahegelegenes Moor zu ihnen herüberschickte? Die Antwort darauf blieb verborgen sowie die Gemeinsamkeit ihrer Traumbilder zunächst ein Geheimnis bleiben würde – bis einer von ihnen darüber sprach.
 

Kurzinformationen

Datum: 12. September 1202
Tageszeit: Früher Nachmittag
Temperatur: 39°C
Wetter: Extreme Hitze und Trockenheit, keine Wolke ist am Himmel zu sehen
Wind: Keiner
Situation in Kürze: Die extreme Hitze macht es unmöglich weiterzuwandern. Am Morgen haben die Wölfe einige Kilometer zurückgelegt, doch sie sind so erschöpft vom Lauf in der prallen Sonne, dass alle auf einer Rast in der Mittagshitze einschlafen. Was folgt, ist ein seltsamer Traum – in dem nicht nur Kaya und Tamias vorkommen, sondern auch die tote Wölfin. Als sie aufwachen, haben alle Wölfe denselben Traum gehabt.


(Hinweis für Tryss, Chu und Erasmus: Erasmus erkennt zwei der drei Wölfe natürlich nicht - lediglich Tryss kommt ihm bekannt vor. Auf die anderen beiden Wölfe reagiert er verwundert. Für Chu ist lediglich Kaya ein Unbekannter. Tryss erkennt sich natürlich selbst und reagiert im Traum erschrocken.)


RE: Passus VIII - Im Traum vereint - Tryss - 14.01.2017

Blinzelnd öffnete ich die Augen – und schnappte nach Luft ob der plötzlichen Hitzewelle, die über mich hereinbrach. Vor einigen Sekunden war es noch angenehm kühl gewesen, doch nun brannte die Sonne und die glühende Luft des heißesten Herbstes meines Lebens holte mich in die Wirklichkeit zurück. Ich fühlte mich benommen und das lag sicher nicht am Wetter. Was für Bilder waren das gewesen? Warum hatte ich von der Wölfin gesehen? Was sollte diese... Warnung am Ende? Und welche Bedeutung hatte das Klagelied, das Kaya, Tamias und ich am Ende angestimmt hatten? Ich hatte uns sofort erkannt. Die beiden Rüden und mich selbst – war zusammengezuckt beim Anblick des Abbilds, das ich sonst nur im Wasser erblicken konnte. Und ohne Zweifel hatte ich sie erkannt. Die Wölfin.

Meine Gedanken wanderten die vergangenen Monate zurück – aber für mich fühlte es sich an, als wären es Jahre. So viel war geschehen, seit ich den beiden Rüden begegnet war. Seit wir gemeinsam mit Kaya und Tamias auf der Lichtung stand, auf der die Wölfin ihre letzten Atemzüge tat und uns unser Ziel vor Augen führte, bevor das Leben sie verließ. Damals waren noch Raskild und Seritas bei uns gewesen – auch, dass diese beiden Fähen uns verlassen hatten, kam mir wie eine Ewigkeit vor.
„Geht... und sucht den Frieden... Liebe.. ohne Hass. Und fangt auf eurem Weg bei euch selbst.. euch selbst.. damit.. an... damit an.“
Ein kalter Schauer durchlief meine Glieder, als ich an ihre Worte dachte. Sie hatten sich tief in mein Herz eingeprägt, genau wie das Bild der toten Fähe, die mit einem Lächeln und Hoffnung auf den Lefzen starb, den Pfeil im Körper. Auch, wenn ich mir sicher war, dass er nicht in ihrer Brust gesteckt hatte. Oder irrte ich mich? Ihr Rat hatte damals seltsam geklungen. Dabei war es ein Mantra für den Beginn unserer kleinen Gemeinschaft. Und nun? Wurde er zur Mahnung vor einem vorzeitigen Ende unseres Weges? Die vergangenen Ereignisse hatten ihre Spuren hinterlassen. Nun, die körperlichen waren geheilt – oder würden es zumindest bald sein. Skadis Lauf etwa. Aber die seelischen? Schmerzlich wurde mir bewusst, dass das die Worte der Wölfin dringlicher gebraucht wurden als eh und je. Und dass ich als einziger Wolf übrig war, der sie wirklich gehört hatte.

Ich schnaubte leise und hob die Augen, die zuvor nachdenklich auf den Boden der Waldlichtung gestarrt hatten. Auch die anderen schienen wach zu werden. Ich erschrak. Ich hatte Wache halten sollen! Blitzschnell überflog ich die Lichtung und zählte die Wölfe - aber es waren alle anwesend und offenbar wohlauf. Ich stieß leise und erleichtert die Luft aus, niemand hatte Schaden genommen und so war meine Pflichtverletzung wohl von nicht allzu großer Bedeutung. Ich stand auf und streckte mich. Es war noch immer heiß, aber nicht mehr so schlimm wie um die Mittagszeit. Dennoch spürte ich, dass meine Kehle trocken war. Hatten wir nicht in der Nähe Wasser gewittert?

„Ich werde etwas zu trinken suchen gehen. Möchte mich jemand begleiten?“, fragte ich an die anderen gewandt. Allerdings war ich nicht schlüssig, ob es mir lieber war, wenn sich jemand finden würde – oder wenn ich allein mit meinen Gedanken sein konnte.


RE: Passus VIII - Im Traum vereint - Skadi - 19.01.2017

Mit aufgestellten Nackenhaar fuhr mein Kopf hoch. Schwer atmend, ein Knurren herunter schluckend, angespannt bis tief in den letzten Muskeln erwachte ich. In den ersten Sekunden - die sich viel länger anfühlten - suchte ich die Umgebung nach ihm ab.

"Hau ab! Deine Entscheidung ist gefallen und ein Zurück gibt es nicht mehr. Also nimm deine Pfoten ins Maul und hau ab!"

Waren die Worte, die auf meiner Zunge warteten. Gedanklich war dieser Dialog schon tausend Mal gesprochen. Und immer wieder verdrängt. Ich grübelte dann darüber nach, ob es der heimliche Wunsch war, dass er doch zurückkehrte. Dass ich ihn abweisen würde, er aber um mich kämpfen würde. Meine Lefzen zogen sich jedes Mal bei diesem Gedanken an.

Nein! Ich brauche ihn nicht. Und ich will auch nicht, dass er zurückkommt! Und wenn, dann zeige ich ihm, dass er nicht mehr erwünscht ist!

Aber wieso war er wieder im Traum aufgetaucht? So lange hatte ich nicht mehr an ihn gedacht. Wieso stand er mit Tryss und Kaya zusammen und jaulte? So wehleidig und schmerzlich, wie ich noch nie ein Lied gehört habe. Gesungen von drei Rüden, dessen Wege sich schon längst getrennt hatten.
Alles Vorangegangene im Traum war nur noch schemenhaft in meinem Gedächtnis. Mit jeder Sekunde, die ich wach war, verschwanden die Bilder immer weiter, so wie die Fähe im Traum, die direkt vor mir wie im Nebel versank.
Wäre Tamias nicht am Ende aufgetaucht und hätte mich kurz vorm Erwachen so aufgewühlt, dann hätte ich den Traum am Morgen mit einem beherzten Fellausschütteln hinter mir gelassen. Nun jedoch war ich angespannt bis in die Knochen und versuchte meine Gedanken wieder unter Kontrolle zu bringen.

Tryss, der aufstand und um Begleitung zur Wassersuche aufrief, kam mir da nur recht. So abrupt einen das Öffnen der Augen aus den Träumen reißt, stand ich auf und trabte auf Tryss zu.

"Ich komm' mit"

Kündigte ich nur kurz an, schloss auf, stupste beim Vorbeigehen an die Flanke des Rüden und ließ mich nicht weiter aufhalten. Mein Lauf war wieder voll belastbar. Nur eine Stelle noch ausgedünntes Fell erinnerte an die Wunde, die Tamias mir zugefügt hatte. Würde mich jemand fragen, würde ich sagen, dass alles okay wäre. Dass in mir jedoch noch Einiges weh tat, würde ich nicht zugeben. Ich belog in dieser Hinsicht jeden, eingeschlossen mich selbst. Ich war schon einige Wolfslängen vorangegangen, bis ich mich zu Tryss umdrehte.

"Kommst du?"

Fragte ich auffordernd, jedoch nicht forsch. Ein (mir noch) unerklärlicher Drang mich fortzubewegen trieb mich an.

[Wacht auf | Will Tryss begleiten]


RE: Passus VIII - Im Traum vereint - Avis - 19.01.2017

Ein Wimmern entfuhr meinen Lefzen und es dauerte noch einige Atemzüge, bis ich richtig realisierte, dass dieses Geräusch von mir gekommen war. Ruckartig hob ich den Kopf. Mein Blick fuhr unruhig hin und her, ich blieb jedoch liegenm wartete einige Herzschläge bis sich mein Körper wieder beruhigt hatte und ich wieder klarer im Kopf wurde. Sofort suchte ich nach Chu und Kimya, aber beide schliefen noch genau an den Punkten, wo ich sie zuletzt erblickt hatte im Schatten, bei den Bäumen. Es war immer noch genauso drückend, also schien ich nicht lange weg gewesen zu sein und offenbar hatte auch niemand mein Wimmern vernommen.

Ich atmete tief durch, senkte den Kopf auf meine Pfoten und starrte den trockenen Boden an. Es war nicht der erste seltsame Traum, den ich hatte, aber in der Regel träumte ich nur von den Wesen, die ich kannte. Das hier war so anders gewesen. Warum um Wolfs Willen träumte ich von einer Fähe mit einem Pfeil in der Brust? War sie tot, war sie ein Geist? Aber wenn sie ein Geist war, warum waren da dann Tryss, Tamias und Kaya? Zumindest von Tryss konnte man doch wohl behaupten, dass er lebte und qietsch lebendig war, wie er mir auch gleich bewies, als er aufstand und verkündete zum Wasser zu gehen. Mein Ohr zuckte. Eigentlich war die Idee gut, mein Körper schrie fast nach Flüssigkeit, aber als ich leise vernahm, dass auch Skadi mitgehen wollte, verzichtete ich lieber. Wir hatten uns seit Tamis Abgang nichts mehr zu sagen gehabt, war auch nicht nötig gewesen. Tami war genau so ein falscher Wolf wie meine Mutter. Abgehauen. Uns einfach allein gelassen. Verräter.

Wut kam in mir hoch und meine Krallen fuhren in die Erde. Was nützten mir diese dämlichen Träume, sie änderten eh nichts. Nichts machte all das hier leichter und die Hitze tat gerade ihr Übriges. Ich wusste doch im Grunde gar nichts von diesem Ort, wo wir hin wollten. Woher auch? Ich war nun mal ein Welpe und musste mit, konnte mich ja schlecht allein versorgen und eigentlich hätte ich auch sonst nicht gewusst, was ich machten sollte. Wollten eigentlich alle Wölfe dorthin? Wollte meine Traumwölfin auch dorthin und hatte es nicht geschafft? Hatten die Menschen sie getötet? Wie sollte ich nur Kimya und Chu beschützen? Ich war doch ihr Bruder und das war meine einzige Aufgabe. Ich würde niemals zulassen, dass ihnen etwas passierte, vor allem jetzt. Chu hatte schon Tami verloren und das alles war bestimmt nicht leicht für sie.

Ich stand langsam auf, tapste die wenigen Schritte zu ihr und legte mich zusammengerollt neben sie. Unsere Felle am Rücken berührten sich leicht, so war ich wenigstens sicher, dass sie sicher war und schloss meine Augen wieder, allerdings nicht, bevor ich noch einen Blick auf Kimya geworfen hatte. Irrer Traum, mal sehen was noch kam. Es lag wohl an der Hitze, so einen Tag wie heute hatte ich noch nicht erlebt. Meine Pfoten brannten noch immer. Ich hoffte sehr, dass nicht viele davon folgen würden.


[hält seinen Traum für irrsinnig, legt sich neben Chu um sie zu beschützen und fühlt sich dort am wohlsten]


RE: Passus VIII - Im Traum vereint - Erasmus - 29.01.2017

Ich schlief. Ich träumte. Ich wachte. Wie jeden Morgen war es seltsam, wach zu werden. Ich verstand es noch immer nicht so ganz, Teil eines Rudels zu sein oder als Solches in Erscheinung zu treten. Ich war den Anderen Großteils aufgeschlossen, aber wirklich wohl fühlte ich mich im Rudel noch nicht. Es war ja auch das erste Rudel, in dem ich kein einziges Familienmitglied hatte. Es war komisch, keinen so Nahestehenden zu haben. Es verwirrte mich ein bisschen, um ehrlich zu sein. Auf meiner Reise hatte ich auch eine Bezugsperson gehabt und nun war es nur Nebensächliches, nichts Ernstes. Abgesehen natürlich von meinen Geschichten, die  ich gerne erzählte. Ich glaube sogar, dass sie den Anderen gefielen, vor allem den Welpen. Ja, sie bewunderten mich vielleicht sogar ein bisschen.

Ich zuckte mit dem Ohr und konzentrierte mich wieder auf mich selber. Was hatte ich da bitte geträumt und was hatte der Alpha dieses Rudels in meinem Traum zu suchen? Wo man gerade von ihm sprach. Da stand er, war wohl auch eben erst wach geworden und sprach ein paar Silben mit einigen Anderen, die wach geworden waren. Ich war noch ein bisschen zu verschlafen, um sie ihren Namen zuzuordnen. Müde hob ich meinen Kopf und blickte zu dem Rüden.

"Wie war die Nacht? War es ruhig?"

Ich wusste, dass Tryss Wache gehalten hatte, aber irgendwie sah er ein bisschen zu ausgeruht dafür aus, wobei, wenn ich genauer hinsah wirkte er vielleicht etwas verwirrt oder angespannt. Ich kniff die Augen zusammen, aber die Müdigkeit hing in meinen Gliedern. Zu sehr, um wirklich darüber nachzudenken. Vielleicht hatte er ja von mir geträumt. Nur hoffentlich sah nicht so überrascht aus wie er.
Kurz schlich sich ein Grinsen auf meine Lefzen und ich drehte meinen Kopf leicht hin und her, um meinen Nacken etwas zu entspannen. Irgendwie hatte ich wohl falsch gelegen, obwohl ich jede Nacht gleich lag.

Mein Blick streifte über die anderen Wölfte, die noch schlummerten. Auch sie sollten langsam wach werden. Die aufkommende Hitze war nur noch schwer zu ertragen. Ekelhaft, dass es so heiß werden konnte. Am Liebsten würde ich meinen Pelz ausziehen, aber ein kahler Wolf war irgendwie peinlich.
Tryss hatte gefragt, ob jemand durstig war und prinzipiell war das keine schlechte Idee zum Wasser zu gehen.

"Ich komme mit! Dann kann ich euch zeigen, wie gut ich schwimmen kann!"

Langsam, wie ein Greis, stand ich auf und schüttelte mich. Das Halsband klirrte leise. Es war unter meinem Pelz bedeckt und bisher hatte mich noch niemand darauf angesprochen, auch wenn ich mich jeden Tag schüttelte und ich es hörte. Es war immer wieder eine Erinnerung.
Ich dachte nochmal kurz nach, ehe ich die ersten Schritte machte. Der Traum war noch da. Ich erinnerte mich an alles. Vermutlich wurde dieser Traum durch dieses Wetter verursacht. Diese verdammte Hitze raubte mir anscheinend nicht nur den Schlaf, sondern auch die Nerven!


[ redet mit Tryss ; denkt ]



RE: Passus VIII - Im Traum vereint - Tryss - 02.02.2017

Es schien noch immer niemand bemerkt zu haben, dass ich meine Wachaufgabe vernachlässigt hatte. Wo kein Kläger, da keiner Richter – ich entspannte mich wieder ein wenig. Allerdings hing mit noch immer der Traum nach. Nicht, dass Träume ungewöhnlich waren. Ich hatte in den letzten Wochen öfter nicht sonderlich gut geschlafen – schon in der Nacht, als wir die Welpen auf die erste Jagd schickten. Wahrscheinlich musste mein Kopf erst einmal alle Ereignisse verarbeiten, alle Dramen, alle Streitigkeiten. Und wo viele Gedanken waren, war wenig Platz für anderes. Mir waren sogar die Fragen ausgegangen.

Avis erhob sich, aber im Gegensatz zu Skadi, die bekundete mich begleichten zu wollen, schien der junge Rüde kein Interesse daran zu haben mitzukommen und legte sich stattdessen zu Chu. Mein Blick blieb auf der jungen Fähe hängen und meine Ohren klappten ein wenig nach hinten, als ich an ihr Flehen bat, Tamias zurückzubringen. Deka und ich hatten den Rüden nicht finden können. Es musste furchtbar für Chu gewesen sein, als wir ohne ihren Retter und Held zurückgekehrt waren. Hätten wir weitersuchen sollen? Hätten wir ihn je gefunden? Hätte er überhaupt gefunden werden wollen? Ich wusste es nicht. Ich wusste nur, dass sich tiefes Mitleid in meiner Brust ausbreitete – und ein Schuldgefühl, dass dort eigentlich nicht hätte sein dürfen, denn immerhin waren Deka und ich nicht für sein Verschwinden verantwortlich. Aber es war da und es saß so tief wie die Schuld Ares an die Menschen verloren zu haben.

An Tamis Stelle war dagegen ein anderer getreten und auch Erasmus wollte mitkommen.

"Die Nacht? Dir macht die Hitze wohl auch gehörig zu schaffen. Es ist Nachmittag, sieh doch, wo die Sonne steht",

entgegnete ich dem Rüden, der danach fragte wie die Nacht war - und das obwohl wir uns gerade mittags zum Dösen abgelegt hatten. Ich klang nicht zu spöttisch, wollte ich doch keinen Streit anfangen. Zumal Skadi schon fast unterwegs war und wir uns spurten mussten.. Warum hatte sie es so eilig? Nun, mir sollte es recht sein. Mein Fang war trocken und ich brauchte etwas Wasser, um ein wenig Klarheit in meine Gedanken zu bringen. Im Prinzip war es mir egal, wer mitkam. Ich warf noch einen prüfenden Blick auf die anderen, bevor ich nickte und mich ebenfalls umwandte. Schade, dass Deka nicht mitkam. Während Skadi mit dem Neuling beschäftigt gewesen wäre, hätten wir womöglich ein paar Minuten für uns gehabt. Ich wollte mit ihr über diesen Traum reden, auch wenn ich nicht ganz verstand, was er bedeuten sollte. Ich nahm wir vor, das nach dem Weg zum Wasser zu machen und folgte Skadi. Erasmus wollte ich ein „vielleicht solltest du uns erst einmal zeigen, wie du laufen kannst“, entgegenwerfen, aber ich ließ es. Mir war nicht nach Sticheleien zumute.

[Bei Skadi und Erasmus | auf dem Weg zum Wasser]


RE: Passus VIII - Im Traum vereint - Malik - 06.02.2017

Seit Tagen schon rastete ich in der Nähe des Moorsees. Die Himmelsscheibe brannte in den letzten Tagen erbarmungslos auf die Erde herab, dass ich tagsüber mich kaum mein schattiges Plätzchen unter einem großen Baum verließ. Abends dann, wenn die Himmelscheibe hinter dem Horizont verschwunden war, machte ich mich auf einige kleine Beutetieren zu erlegen wenn ich Erfolg hatte. Aber sonst unterschieden sich meine Tage kaum voneinander. Am Tag versuchte ich mich so wenig wie möglich zu bewegen und in der Nacht bewegte ich meine vom Liegen steif gewordenen Glieder. Ich könnte weiter ziehen, aber die Hitze trieb mich dazu in der Nähe des  Sees zu bleiben und so lange mich kein beißender Hunger zwang weiter ziehen zu müssen um größere Beutetiere zu finden, würde ich diese wertvolle Wasserquelle nicht verlassen. Da war ich ein klein wenig Pragmatisch, ich gebe es zu.
 
Ich lehnte mit dem Kopf gegen meinen Baum. Ich schlief schon tage lang unter diesem, also sah ich diesen als mein Baum an. Dösig blinzelte ich in die Gegend ohne wirklich ein Ziel vor Augen zu haben. Es war schon wieder so heiß… Die Luft schien vor meinen Augen zu flimmern und ich beschloss, dass es heute wieder einer der Tage werden würde, an dem ich kaum meinen Schatten verlassen werde. Auch hatte der Schlaf mir einen Traum beschert, über den ich eine ganze Weile nachdenken konnte. Ein merkwürdiger Traum war es gewesen und die ganze Zeit hatte ich mich gefragt, ob diese Wölfin die ich gesehen hatte mit mir sprach, oder es einfach nur eine belanglose Träumerei war. Ich hielt nämlich nicht viel von Vorhersehenden oder Zeichen. Nicht, dass ich es nicht  glauben würde, nur war etwas für mich nicht wirklich Existent wenn ich es nicht fressen konnte, oder aber es nicht versuchte mich zu fressen. Mit einem geräuschvollen gähnen hab ich meine Gedanken wieder auf. Es war einfach zu heiß, um sich dann auch noch extra den Kopf rauchen zu lassen. Ich seufzte und vor meiner Nase stoben Staub und Sand fort. Eine Abkühlung  fand ich jetzt ganz nett und so raffte ich meinen Körper auf und schlenderte mit schweren Schritten hinüber zum Ufer. Mit aufgestellten Ohren und erhobenen Schweif stakste ich immer tiefer in das Nass, bis es meinen Bauch berührte. Erst dann begann ich einige Schlucke zu trinken. So angenehm das Wasser auch war, ich vermied es mein Fell komplett durch eine Runde schwimmen nass zu machen. Ich wollte mein Lager nicht in eine Matschgrube verwandeln, wer wusste schon wie lange ich noch hier bleiben würde.

[allein am See]


RE: Passus VIII - Im Traum vereint - Skadi - 07.02.2017

Nacht. Tag. Die Diskussion ging an mir vorbei. Ich hing in einem ganz eigenartigen Gemütszustand fest. Auf einer Seite wach, fit, getrieben und auf dem Sprung endlich voran zu kommen. Norden. Den Norden - und damit den Frieden - endlich zu erreichen. Auf der anderen Seite zog eine tief sitzende Müdigkeit meine Pfoten zu Boden. Jeder Schritt fühlte sich so an, als würde jemand meine Läufe packen und nach hinten ziehen. Träge, erschöpft und geschwächt.
Es fühlte sich vielleicht so an, als hätte ich keine Zeit. Aber, keine Zeit für Was? Wofür lief mir die Zeit davon?
'Und was ist das überhaupt, diese Zeit. Bin ich inzwischen schon alt? Und ab wann ist dieses 'alt sein' überhaupt erreicht - und was ändert sich damit?'

Erleichtert drehte ich mich um, als ich die Worte von Erasmus hörte. Der Rüde war auf jeden Fall noch nicht alt. Mit seinen Geschichten und Taten die er so berüchtigt ankündigte. Er spielte noch und wusste noch gar nicht wer er war oder werden wollte.
'Wusste ich es denn?'
In diesem Moment wusste ich nichts über mich - außer vielleicht, dass mich ein beißender Durst antrieb schnell zum Wasser zu gelangen.

"Vielleicht solltest du uns erst Mal zeigen wie schnell du deine Läufe bewegen kannst, anstatt deine großen Reden zu schwingen!"
Ich blickte ihn über meinen Rücken hin an und zwinkerte ihn ein Mal zu. Es war kein Angriff, nur ein Wink mit der Rute, dass ich es etwas eiliger hatte. Immerhin hatte ich keine Zeit mehr zu verlieren. Und ich musste endlich voran kommen. Weiter kommen. Nicht mehr auf der Stelle stehen. Mich nicht mehr bremsen lassen, von... von was eigentlich? Oder von wem? Wieso hatte ich das Gefühl, dass ich festhing?

Wieder schüttelte ich den Kopf um meine eigenen verwirrenden Gedanken los zu werden. Was war nur mit mir los? Ich war wie gefangen in einer Gedankenschleife. Obwohl ich wusste woran es lag und womit ich es beenden konnte, denn im Endeffekt dachte ich nur über unnützes Zeug nach, damit ich mich nicht mit meinem wahren Problem auseinander setzen musste: Der Verletzung die Tamias mir zugefügt hatte. Ich wollte es verdrängen und nicht wahr haben, dass dieser Rüde mich mit seinem Abgang verletzt hatte. Nicht der Kampf und die Wunde an meinem Lauf, das war verheilt und beeinträchtigte mich nicht. Es erinnerte mich nur Tag für Tag an die Verletzung tief in mir. Die keiner einfach ablecken konnte mit einer sanften, heilenden Zunge.

Ich beschloss, dass ich mich früher oder später tatsächlich damit auseinander setzen musste. Schon beim letzten Mal war ich davon gerannt und habe damit nur noch mehr Zeit verstreichen lassen. Zeit in der ich gegen mich selbst gekämpft hatte. Versucht hatte stärker zu sein, als ich eigentlich war. Gefühlslos zu sein, obwohl es mich doch eigentlich nach so viel Gefühl dürstete. Doch was war mir anderes übrig geblieben? Ich musste stark sein, damit ich überlebte. Ich war auf mich alleine gestellt gewesen. Bis ich diesen nach Norden ziehenden Haufen aus einer brennzlichen Situation gezogen hatte. Von diesem Haufen war nur noch einer da, Tryss. Mein Blick war unbewusst zu dem Rüden gewandert, der inzwischen neben mir lief und nicht ahnte, wie wertvoll sein Anblick gerade in dieser Situation für mich war. Denn der inzwischen deutlich erwachsenere Rüde bot mir Halt, denn ich damals nicht hatte. Schutz, hinter dem ich mich zusammen rollen konnte und meinen Kampf ausfechten konnte. Ich war kurz davor wieder in diese Verbitterung ab zu rutschen. Alles und jeden von mir fern zu halten und mich ein zu igeln in einer abweisenden und mürrischen Grundeinstellung.

Während ich diesen Entschluss für mich fasste, hatte ich Tryss die ganze Zeit angestarrt. und wenn er mit mir gesprochen hat, dann habe ich ihn nicht gehört. Vorsichtig stupste ich ihn beim Gehen meine Nase hinter sein Ohr.
"Hilfst du mir mein Lachen wieder zu finden?"

Hauchte ich die frage ganz leise in sein Ohr. Und dann wich ich beim Gehen von seiner Seite, ohne die Antwort ab zu warten. Zweierlei Dinge passierten: Erst die Scham für meinen Gefühlsausbruch - Ich war eben Ich und konnte nicht wegen einem eben gefassten Entschluss eine 180° Wendung hinlegen. Und die Fährte eines Rüden tauchte auf. Ich stellte die Ohren auf und die Rute peitschte kurz von einer zur anderen Seite. Dann sah ich wieder zu Tryss.

"Sollten wir uns ankündigen?"

Fragte ich ihn und gab die Verantwortung der Entscheidung damit ab.

[Mit Tryss und Erasmus auf dem Weg zum Wasser | Wittert Malik]


RE: Passus VIII - Im Traum vereint - Tryss - 19.02.2017

Während Erasmus noch über das Tag-Nacht-Problem nachzugrübeln schien, war ich Skadi gefolgt. Niemand von den anderen schien sich uns noch anschließen zu wollen – und ich war trotz meiner Verwunderung über ihre plötzliche Eile doch froh darüber, dass die Fähe sich sputen wollte, denn meine Kehle war so trocken wie der Waldboden unter unserer Pfoten. Ich achtete nicht darauf, ob Erasmus uns folgte. Der Rüde würde sich ein wenig Respekt verdienen müssen, wenn er welchen wollte. Normalerweise hätte ich ihn und seine Erzählungen sicher unglaublich interessant gefunden. Allerdings war er nicht nur zu einem besonders ungünstigen Zeitpunkt aufgetaucht, sondern hatte sich durch sein Verhalten auch noch extrem unbeliebt bei mir gemacht. Es war dumm und ungeschickt gewesen und ich sah keinen Grund, nicht nachtragend zu sein. Immerhin hatte er sich und Kimya in Gefahr gebracht. Ob ich ihn mit meiner Ignoranz allerdings strafen konnte, bezweifelte ich. Wahrscheinlich fiel es ihm nicht einmal auf, schließlich kannten wir uns kaum und er hatte so einige andere Gesprächspartner in den letzten Tagen gehabt.

Skadi riss mich aus meinen Gedanken. Schweigend hatten wir uns in Bewegung gesetzt und waren gelaufen – und plötzlich berührte sie mich, stupste mir ihre Nase ans Ohr. Man musste sich das einmal bildlich vorstellen und jedes Wort einzeln auf der Zunge zergehen: Krawall-Skadi stupste (!) mir ihre Nase (!) hinter das Ohr. Sanft! Meine Ohren zuckten bei der Bewegung unwillkürlich zurück und legten sich ein wenig nach hinten, während ich den Kopf in einer raschen Bewegung umwandte und die Fähe irritiert ansah. Was sollte ich ihr helfen? Ihr Lachen wiederfinden? Fast hätte ich sie gefragt, welches Lachen sie meinte. Und je länger ich darüber nachdachte, desto mehr festigte sich meine Ansicht, dass ich Skadi äußerst selten hatte Lachen sehen – wenn überhaupt. Also was wollte sie? Und warum fragte sie mich? Und wie sollte ich das bitte anstellen? Ein Gefühl noch unbehaglicher als das, welches ich heute nach dem Erwachen aus diesem seltsamen Traum verspürt hatte, beschlich mich. Warum klang sie bei ihrer Bitte so fröhlich? Und warum wartete sie keine Antwort ab? Misstrauisch schielte ich seitwärts auf die Fähe. Das wollte alles in keinster Weise zusammenpassen. Skadi bat nicht um Hilfe – schon gar nicht mich oder irgendeinen anderen jüngeren Wolf, der aus Sicht der erwachsenen Tiere nur Flausen im Kopf hatte. Skadi war stark und selbstbewusst und traf ihre eigenen Entscheidungen. Sie brauchte keinen halbwüchsigen Jungwolf, der sie unterstützte. Oder doch? Die Fähe und Tamias hatten sich sehr nahe gestanden – und nach allem was geschehen war, musste sie innerlich sehr verletzt sein, auch wenn sie es sich nicht anmerken ließ. Dennoch zweifelte ich daran, dass ich derjenige sein konnte, der ihr über den inneren Schmerz hinweghalf. Ich hatte genug mit meinen eigenen Gedanken zu tun, mit einer traurigen Deka und der Stimmung innerhalb unserer Gruppe. Und ich zweifelte noch mehr daran, dass ich ihr aufmunternder Hofnarr sein wollte.

Bevor ich weiter über meine Rolle in Skadis neuen Wohlfühlplänen nachdenken konnte, hatte sie schon wieder das Thema gewechselt. Aber immerhin war es eines, dass uns allen ein wenig Ablenkung verschaffen konnte. Die Fähe hatte eine Fährte gewittert. Ich hielt die Nase in die Luft und sog den Geruch ebenfalls ein. Windig war es nicht – zumindest fühlte sich die aufgeheizte Luft eher an, als stünde sie schon seit drei Tagen an ein und demselben Ort. Weit konnte der Fremde jedenfalls nicht entfernt sein.

„Hm, ich weiß nicht. Ich hätte lieber einen Moment der Überraschung auf unserer Seite. Wer weiß, was das wieder für ein Fremdling ist. Aber wenn euch eine Ankündigung lieber ist... “


Ich verzog die Lefzen zu einem schiefen Grinsen, um zu signalisieren, dass es mir letztendlich egal war. Der vorletzte Satz war natürlich ein Seitenhieb gegen Erasmus, aber ich mühte mich, den Tonfall nicht allzu auffällig und abwertend klingen zu lassen, sodass es wahrscheinlich kaum auffallen dürfte. Wahrscheinlich würden die beiden es im Falle des Falles auf die Hitze zurückführen – und darauf, dass die Trockenheit und der Wassermangel mich mürrisch gemacht hatten.

[Unterwegs mit Skadi und Erasmus | Malik in der Nähe]


RE: Passus VIII - Im Traum vereint - Erasmus - 20.02.2017

Ja, ich merkte es schon fast. Das Alter. Wie es über mich kam, wie es mich müde machte und mich länger schlafen ließ, als alle anderen. Bald würd ich nur noch ein Greis sein. Alt und müde und kaputt und hässlich. Nichts würde dann mehr von dem Hübschling an Wolf übrig bleiben, der ich Zeit meines Lebens war und vielleicht noch ein paar Tage sein durfte. Ich seufzte innerlich, ehe ich mich aufraffte und den beiden Jungspunden nachlief. Einige Meter lief ich etwas schneller, um sie einzuholen.

"Nur weil die Sonne am Himmel steht, heißt das nicht, dass wir Tag haben oder gar Nachmittag. Es könnte eine Halluzinationallozination sein oder ein Traum. Manchmal sind Träume wie echt. Also vielleicht träumen wir nur!"

Ich versuchte mich zu verteidigen. Irgendwie. Zwar war es dumm, was aus meinem Maul kam, aber es war immerhin etwas und zeigte, dass ich nicht einfach alles hinnahm. Ha!
Ich hatte etwas Mühe schritt zu halten, meine Glieder waren immer noch irgendwie müde. Gar nicht so leicht, diese wieder aufzuwecken. Ich fiel also etwas hinter die Beiden, spürte die Sonne auf meinem Rücken brennen. Ja, vielleicht war das hier doch irgendwie echt. Also vielleicht war doch Nachmittag und vielleicht hatte ich doch sehr lange geschlafen, aber das war doch nicht schlimm! Es war okay. Nicht so ganz okay, aber okay.

"Hast du gesehen, wie ich gerannt bin? Richtig schnell. Da kannst du nicht mithalten, was?"

Diese Worten waren Skadi gewidmet. Sollte sie ruhig spotten, aber abhängen würde ich sie locker.  Da war noch Kampfgeist in mir, der heraus musste.
Mit jedem Schritt, den ich machte fühlte ich mich jünger, weniger steif und gesünder. In mir drin wurde es lebendig, langsam aber sicher. Ich war frei und was noch? Ich war sehr ausgeruht. Hieß es nicht immer, dass in der Ruhe die Kraft lag? Endlich stimmte mal einer dieser Sprüche. Haha!
Ich beobachtete, wie Skadi dem Anführer näher kam, ihre Nase kurz hinter sein Ohr drückte.

"Erzählt ihr zwei Liebeswölfe um welches Geheimnis es geht? Dann erzähle ich euch auch eins. Oder besser zwei. Mein eines ist nämlich nicht so geheim!"

Ich zuckte mit dem Ohr und witterte die Veränderung in der Luft. Es war ein starker Geruch. Ein wilder Geruch. Ein wölfischer Geruch. Tryss sagte, dass wir ihn überraschen sollten. Aber wie sollten wir das bitte tun? Was schenkt man einem Wolf, den man nicht kennt?

"Ich bin nicht vorbereitet auf eine Überraschungsparty. Und ein Geschenk habe ich auch nicht!"

Vom Greis zum Welpen binnen ein paar Atemzügen. Ich grinste und nahm die Gefahr, die von dem Wolf ausgehen konnte nicht ernst. Warum auch? Wir waren drei.


[ Tryss & Skadi // Malik in der Nähe ]