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Passus VII - Die erste Jagd - Druckversion

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RE: Passus VII - Die Erste Jagd - Chu - 09.11.2015

Je näher wir dem Lager kamen, desto größer und euphorischer wurden meine Schritte. Lange würde Melfs todkranker Freund nicht mehr durchhalten müssen. Im Geiste sah ich schon vor mir, wie eine strahlende Anyana uns begrüßte und dann zusammen mit Stephan zur Rettung des Hundes eilte. Und wir waren natürlich die Helden bei der ganzen Geschichte und nicht mal Skadi konnte uns einen Vorwurf machen!

„Ja, wir sind gleich da“, bestätigte ich Avis. „Glaube ich.“

Letzteres entschlüpfte mir eher leise und auch nur, weil sich inzwischen doch eine gewisse Irritierung eingestellt hatte. Zunächst wusste ich nicht, warum dieses komische Gefühl das anfängliche Hochgefühl verdrängt hatte, aber je mehr wir uns dem Lager näherten, desto deutlicher wurde es. Und dann fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen – es war still. Zu still. Das Lager war immer von Leben und Lärm erfüllt. Manchmal war es selbst mir zu viel geworden, denn die Kinder waren praktisch immer laut. Selbst in der Nacht gab es eine stetige Geräuschkulisse von knisterndem Holz, Stimmen, die sich unterhielten, Schritte und das Rascheln der Zeltplanen. Aber jetzt war es hell und eigentlich müssten sie richtig laut sein. Langsam schwante mir Böses, auch wenn ich Melf zuliebe versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. Vielleicht gab es dafür ja eine ganz harmlose Erklärung?
Und dann zwängten wir uns endlich durch die letzten Büsche, die uns die Sicht versperrten, und sahen … nichts. Nur leeres, ödes Land und hie und da ein paar verstreute Überreste des Lagers. Bestürzt blickte ich mich zu Melf und Avis um. Der kleine Hund war jetzt sicher am Rand der Verzweiflung, aber er durfte nicht aufgeben. Das war nur ein kleiner Rückschlag, weiter nichts!

„Sie sind weitergezogen“, stellte ich bedrückt fest, ehe meine Stimme wieder lauter und kräftiger wurde. „Aber das ist nicht so schlimm, wir finden sie trotzdem. Wir müssen nur ihrer Spur folgen. Selbst ein blinder und sehr dummer Wolf würde das schaffen. Sie hinterlassen meistens eine richtige Schneise und trampeln alles platt. Und sie kommen nicht besonders schnell voran, weil sie alles Mögliche mit sich herumschleppen. Wir haben sie bald eingeholt.“

Ich nickte bekräftigend zu meinen eigenen Worten. Jawohl, so war es. So musste es sein! Ich selbst wollte vielleicht noch mehr daran glauben als jeder andere, denn zum ersten Mal fühlte ich mich Anyana so fern wie noch nie. Es war schwer gewesen, mit dem Rudel zu gehen und bei ihnen zu bleiben, aber bisher hatte ich immer in der Gewissheit gelebt, dass die Kinder nicht weit weg waren und ich sie jederzeit besuchen konnte, wenn ich nur wollte. Und jetzt waren sie fort. Ich schluckte. Erst die Gestalt eines fernen Wolfes, der sich über den leeren Platz bewegte, ließ mich stutzen. Mit zusammengekniffenen Augen versuchte ich zu erkennen, wer das war. Vielleicht Rúna? Im Grunde spielte es keine Rolle, denn wer auch immer sich da herumtrieb, es war ein Erwachsener und ich befürchtete automatisch das Schlimmste – nämlich dass er oder sie uns an der Durchführung unsere Mission hindern würde. Dabei hing ein Leben davon ab!

„Los, wir müssen uns beeilen“, drängte ich daher meine Begleiter. „Wir dürfen uns davon nicht aufhalten lassen.“


[Mit Avis & Melf am Rande des Lagers]



RE: Passus VII - Die Erste Jagd - Skadi - 10.11.2015

Mit den Augen verfolgte ich die Bewegungen. Tamias und Dekaja waren Gesprächslos aus dem Lager verschwunden und auch hinter den Büschen und Bäumen fingen sie kein Gespräch an. Runa wartete noch einen kurzen Augenblick und suchte sich dann den Weg zu Tryss. Ich horchte noch auf die ersten Worte, sie fragte ob sie gehen solle. Worüber sie dann sprachen interessierte mich zwar brennend - denn auch ich hätte gerne gewusst was mit Tryss los war. Doch anders als Tryss ging es mir nicht. Wir waren beide gereizt. Aus den fragenden Jüngling und der souveränen Fähe sind hysterische Furien geworden. Hauptsache lauter und stärker.
Ich schüttelte innerlich meinen Kopf über diese immer wieder eindrückende Erkenntnis. Ja, ich wusste dass es so war und es störte mich. Ich fand nur keine Antwort warum es so war. Theorien, aber keine wahrhaftigen Antworten.
Wir brauchten mehr einen Alpha als uns lieb war. Wir erzogen Welpen, die nicht die unseren waren. Wir wanderten und hatten keine Heimat - und richtig wandern taten wir auch nicht mehr. Alles hielt uns auf. Die Welpen. Die Menschen. Wir selbst. Über jede Kleinigkeit wurde Diskutiert und Gestritten. Der Weg war Steinig geworden und so manches Mal überlegte ich einen eigenen Pfad zu beschreiten, ohne die Nervereien der Anderen.
Aber dann hielten mich die Welpen, die schon keine Welpen waren, hier. Und auch das Ziel zog mich an. Selbst wenn ich nicht an ein Friedvolles Land im Norden glaubte, ich glaubte dass es gut war ein Ziel zu haben. Ich konnte es mir inzwischen nicht mehr vor stellen irgendwo zu rasten und zu bleiben. Ein Revier auf zu bauen, dieses zu verteidigen. Nichts Neues zu sehen - außer die Menschen die das Revier oder das Rudel immer wieder zerstören würden.

Wieder war ich gefangen in meinen Gedanken. Ich wollte nicht mehr einfach nur Denken und Theorien auseinander nehmen. Ich wollte das es weiter geht.
Ohne darüber nach zu denken stand ich auf und ging zu Tryss und Runa. Noch auf dem Weg dort hin öffnete ich meinen Fang.

"Wir stecken fest!"

Sagte ich laut. Lauter als gewollt und nötig.

"Wir stecken fest in Streit und Diskussionen. Es gibt keine gerade Linie der wir folgen und trotzdem ist jeder Blick von dieser Linie falsch. Wir kennen uns zu gut um getrennte Wege zu gehen und irgendwie zu schlecht, um die Schwächen der anderen zu kompensieren."

Mit dem letzten Wort hatte ich mich vor die beiden gesetzt. Ich hatte laut gesprochen, aber ruhig im Ton. Nur Gedanken die ich hatte ausgesprochen. Vielleicht erging es Ihnen ähnlich, vielleicht sahen sie ganz andere Probleme. Vielleicht konnte ich deren Probleme lösen und sie die meinen.

"Das Streiten erschöpft mich so sehr"

Die letzten Worte waren nun leise gesprochen, fast mit einem Winseln unterlegt und ich ließ mich nieder zu den beiden Artgenossen und sah sie abwechselnd an.

[Denkt nach. Geht zu Runa und Tryss]


RE: Passus VII - Die Erste Jagd - April - 14.11.2015

Sanft blies der Wind durch mein Fell, während ich den wüsten Platz betrachtete. Der Ort hatte etwas bedrohliches, kein Grashalm fand sich, nur Äste waren mehr oder weniger über den Boden verteilt. Ich hatte bereits Knochen entdeckt, doch der Grund warum mich dieser Ort angezogen hatte, war der vertraute Geruch von vergangenem Feuer. Der scharfe Geruch brannte in meiner Nase und löste unangenehme Erinnerungen in mir aus. Gedankenfetzen von brennenden Bäumen, panischem Jaulen und erstickender Asche flogen durch meinen Kopf. Betroffen blinzelnd mache ich einige Schritte zurück. Der Geruch von Asche konzentrierte sich auf wenige Bereiche innerhalb des wüsten Fläche. Was war hier nur passiert? Vor mir fand ich verkohltes Holz und ich konnte nicht anders als es anzustarren. Neben der Sorge und die Traurigkeit fand ich in mir die Hoffnung. Ein Teil der glaubte, dass noch jemand überlebt hatte und nun seinerseits einen Ort suchte, wo er in Frieden leben konnte. Ob sich jemals jemanden aus ihrem Rudel wiedersehen würde. Ich hoffte es, denn wenn ich an diesem Gedanken nicht mehr festhalten würde, würde ich daran zerbrechen. Der Geruch der Asche erfüllte meine Nase so sehr, dass er andere Gerüche überdeckte. Erst als ich in dem Vorhaben zu gehen aufblickte, entdeckte ich sie, vertraute Konturen, Gestalten, die ich als meine Artgenossen wiedererkannte. Wie lange hatte ich nun keinen Artgenossen mehr gesehen?

Ein Ruck ging durch meinen Körper. Fast von alleine richtete ich mich auf und hob den Kopf leicht. Ganz unbewusst nahm ich eine dominantere, aber keineswegs böse Haltung ein. Ich sollte die Chance wohl nutzen, deshalb zögerte ich nicht lange. Jeder Schritt führte mich näher zu den Gestalten und mit jedem Schritt wurde mir bewusster, auf was ich da zulief. Jungwölfe, vielmehr Welpen und ein Hund. Hunde kannte sie nur im Zusammenhang mit Menschen und ich wurde skeptisch. Langsam trat ich näher und hob meine Rute ganz leicht. Wieso waren diese Welpen ganz alleine unterwegs? Hatten sie ihre Familie verloren? Unzählige Ideen und Möglichkeiten wirbelten in meinem Kopf umher. Doch egal was für einen Grund es gab, es war für Jungtiere nicht gut so alleine umherzustreifen. Ebenso war es für mich schwer einzuschätzen, wie der Hund da mit reinpasste. Es sah nicht so aus, als seien die Welpen in Gefahr, doch ein erster Eindruck konnte auch täuschen wie sie mittlerweile wusste. Es waren nur noch wenige Wolfslängen zu überwinden und einen gewissen Abstand während setze ich auch gleich zum sprechen an.

"Entschuldigung? Mich nennt man April. Verzeiht die nun doch sehr direkte Frage, seid ihr etwa ganz alleine unterwegs?"

Ich war nicht immer so direkt, doch diese Situation erforderte das. Denn ohne es zu wollen, war Sorge in mir hochgekommen. Ich war schon immer der Typ, der sich mehr um andere kümmert, als um mich selbst. Zumal es hier um Jungtiere ging. Ich musste sich einfach sicher sein, deshalb lieber direkt als lange drum herum zu reden. Der nette Nebeneffekt von Gesellschaft war gewiss auch ein Grund, wenn auch die Sorge überwog.

[Rand des Lagers | Avis & Chu & Melf]



RE: Passus VII - Die Erste Jagd - Tamias - 15.11.2015

Immer wieder verlor ich die Spur der Welpen, griff sie wieder auf und folgte ihr. Es erforderte einiges an Konzentration. Ich war absolut außer Übung. Wo waren meine Instinkte geblieben? Mein wildes Leben lag hinter mir. Ich hatte mich von dieser Gemeinschaft so einlullen lassen, dass ich mich selbst dabei vergaß. Die Gemeinschaft tat mir nicht gut, es war wie ein Teufelskreis. Immer öfter merkte ich, wie verschieden die Interessen doch waren. Ich wollte weiter wandern, endlich voran kommen. Keine Diskussionen, kein Streit, am liebsten noch nicht einmal Gespräche. Die Welpen hielten uns auf, obwohl es nicht sein müsste. Es würde bald so weit sein, dass wir darüber streiten ob wir rechts oder links am Baum vorbei gehen würden. Würde nicht mehr lange dauern. Ich wäre für rechts herum und würde den Weg gehen. Dekaja und Tryss würden das ausdiskutieren, Skadi sich darüber aufregen, die Welpen würden wieder dazwischen stehen und Runa würde wohl möglich die Wogen glätten und im Endeffekt würde jeder seinen Weg gehen. Doch wir würden alle hinter dem Baum wieder zusammen treffen.
All solche Gedanken beschäftigten mich, ehe ich Chu, Avis und ... diesen Köter erreichte. Doch was war das? Ein anderer Wolf? Das wurde ja immer besser. Den würden wir wohl möglich auch mitnehmen. Mir war nach totbeißen des Hundes, Welpen einpacken und zum Lager zurück kehren zu mute. Das würde aber so nicht passieren.
Den Gesprächsfetzen bekam ich nicht ganz mit. Irgendwas mit alleine. Ich stellte mich hinter die Welpen und beachtete erst einmal den Hund nicht. Ich erhob den Kopf und die Nackenhaare sträubten sich. Ein leises Knurren entfuhr mir. Wer war dieser Wolf? Was machte dieser Hund hier? Wieso wollte Chu zu den Menschen zurück? Noch ergab das alles keinen Sinn für mich. Doch erstmal war ich bei Chu und das reichte mir.

[bei Chu/Melf und Avis angekommen, präsentiert sich erstmal]


RE: Passus VII - Die Erste Jagd - Dekaja - 16.11.2015

Ich stupste Kimya tröstend mit der Nase an und vergrub meinen Kopf kurz schützend an seinem Rückenfell, als der Jungwolf sich an meine Brust drückte. Wie aufgewühlt er doch war! Sogar sein rasendes Herz konnte ich schlagen hören! Die Jagd war wirklich alles andere als wie geplant gelaufen und doch hatte ich Mitgefühl mit Kimya, der irgendwie gar nicht wusste, wo ihm der Kopf stand. Kurz hob ich den Blick noch einmal dorthin, wo Tamias verschwunden war, dann richteten sich meine Ohren aufmerksam auf, um Kimyas Erklärungen zu folgen. Und als ich in etwa verstand, was los war, konnte ich gar nicht anders als ihre Motive nachzuvollziehen, verstehen zu können. Hätte ich anders gehandelt? Wohl kaum. Was wäre, wenn nur noch ich und Tryss wären und Tryss auch noch krank wäre? Da wäre auch ich dankbar für jede Hilfe gewesen. Und wenn es die Menschen waren. Und Menschen und Hunde…sie waren doch immer zusammen, wie ein Team, wie eine Familie. Vielleicht war es also in diesem Fall gar nicht so schlecht…auch wenn Menschen manchmal missverstanden. Aber das hier war doch eindeutig.

„Natürlich musstet ihr das! Es war die richtige Entscheidung…das ist es immer, wenn man jemanden aus tiefsten Herzen helfen möchte! Du hast nicht falsch gehandelt, Kimya, aber jetzt müssen wir uns beeilen und Rúna holen, vielleicht können auch die Menschen helfen, aber wir sollten ihnen Bescheid geben, auch wegen Avis und Chu. Und außerdem bist du verletzt, Kimya….schmerzt es sehr? Kannst du einigermaßen laufen?“,

fragte ich ihn besorgt, aber der junge Wolf schritt tapfer voran. Ich schmunzelte leicht dabei, wieviel Kraft er für andere aufwand und doch war diese Hilfsbereitschaft etwas, was ich sehr an Kimya mochte. Er war so anders als Avis. Wie Tag und Nacht schienen mir die beiden manchmal. Dann beschleunigte ich meinen Schritt und begleitete ihn Richtung Lager zurück, wo ich bald schon Skadi, Tryss und Runa zusammen sehen konnte. Meine Schritte beschleunigten sich etwas und ich machte wohl bereits von weiten den Eindruck, das etwas passiert war. Natürlich. Schließlich hatte ich Kimya bei mir und Tamias nicht mehr.

[mit Kimya auf dem Weg zurück zu Skadi, Tryss, Rúna | nähert sich]


RE: Passus VII - Die Erste Jagd - Melf - 20.11.2015

„Hatte er euch deshalb bei sich, weil er allein war?“
 
Die Frage irritierte mich. Ich hatte nie darüber nach gedacht, warum der Mensch sich bei uns hatte. Ich war Gedanklich nur von meiner Sichtweise ausgegangen. Warum wir bei ihm waren. Weil er uns Futter und Zuneigung gab. Weil er uns führte und strafte, wenn wir falsch handelten. Es war ein Spaß gewesen seine Grenzen aus zu testen, die Strafe war kurz Schmerzhaft, aber stets verdient.
Avis erzählte nun, dass die Erwachsenen Ärger machen würden, wenn Kimya bei ihnen ankommen würde. Also erzogen die erwachsenen Wölfe ihre Welpen so, wie die Menschen uns Hunde erzogen? Wie alt waren diese kleinen Geschöpfe eigentlich? Und wieso waren sie alleine im Wald, waren sie ausgebrochen? Oh, das würde wirklich Ärger geben. Was, wenn ich ihn abbekommen würde, wenn einer der Erwachsenen dachte, ich kleines Würmchen würde drei Welpen - die größer sind als ich selbst - verschleppen?
"Wölfe sind unberechenbar und Gefährlich. Sie greifen an, ohne vorher nach zu denken. Angriff ist ihre Verteidigung und Tot ist für sie kein Verbrechen. Sie sind eine Gefahr für jeden, deswegen hakten wir uns fern von Ihnen."
War meine Schule. Ich hatte nie an diesen Worten gezweifelt - aber diese drei Welpen bewiesen mir, dass Wölfe nicht Herzlos und 'unberechenbar Gefährlich' zur Welt kamen. Irgendetwas schien sie irgendwann Angriffslustig zu machen. Oder es war eine verbreitete Lüge unter den Menschen - und die Menschen schulten uns Hunde in Ihrem Glauben zu agieren.
 
Plötzlich blieben wir stehen. Vor uns war eine Brücke und hinter dieser Brücke ein bedrückendes Bild. Chu sagte in etwa das, was ich dachte. Abgestimmt bedrückt und leise, so wie die Situation und das Bild vor uns war. Ein Winseln meinerseits untermalte ihre Worte. Sie waren hier gewesen, die Menschen. Es war noch nicht lange her. Der markante Geruch der erloschenen Feuersglut lag noch über den der Ledergewänder und Exkremente. Braches Gelände. Sämtliche Fauna und Flora war platt getrampelt. Nur Stöcker, vereinzelte unbrauchbare Werkzeuge der Menschen und alte Feuerstellen blieben zurück. Und dann war da ein Wolf - ein ausgewachsener brauner Wolf - in der grauen Menschenpampa.
Chu drängte zur Eile und exakt in diesem Moment erhob der Wolf am anderen Ende der Brücke seinen Kopf und sah uns direkt an. Die Haltung des Wolfes - für mich war es unmöglich das Geschlecht zu ermitteln - nahm eine dominierende an. Womit kann ich es kaum sagen - die Ohren, vielleicht auch die Rute und die straffen Schultern? Und dann kam er auf uns zu, trat auf die Brücke, steuerte direkt uns an. Wir konnten unmöglich an ihm vorbei, ohne zu stürzen oder zerfleischt zu werden. Oder war es eine Falle? Hatte Kimya schon voraus geeilt und diese Falle einberufen? Meine Rute klemmte sofort wieder zwischen meinen Läufen und ich ging einen Schritt zurück. Doch dann sprach sie - durch die Stimme konnte ich endlich sagen ob es Fähe oder Rüde war.
Sie kannte die Welpen nicht. Mich auch nicht, davon mal ganz ab, das hätte ich gewusst! Und dann drang eine markante Geruchsnote in meine Nase, ich hörte noch kurz die kräftigen Pranken die auf dem Waldboden trommelten, drehte meine Blick nach hinten und dann sprang er schon imposant aus dem Gebüsch. Eindeutig ein Rüde, der sich hinter den Welpen auf baute - mich völlig ignorierend. Ich stand nun ganz hinten, vor mir ein ausgewachsener Wolf mit gesträubten Nackenfell, direkt davor zwei Welpen und dann eine erwachsene Wolfsfähe.
Meine kleinen Beinchen trugen mich langsame Schritte zurück.
 
"Komm mir nicht zu nahe, Wolf. Zerfetz mich nicht. Ich wollte euch nie was böses! Ich reiste mit kranken Tieren. Chu und Avis wollten mir nur helfen, aber bitte komm mir nicht zu nahe, du könntest krank werden. "
 
wollte ich sagen, aber Angst schnürte mir die Kehle zu. Noch nie stand ich einem ausgewachsenen Wolf gegenüber. Und nun waren es gleich Zwei! Was habe ich nur getan? Wie konnte ich mich in solch eine Gefahr bringen - und Ihn zurück lassen? Hätte mich die Angst nicht so gepackt und erstarren lassen, hätte ich die Flucht ergriffen. Sicherlich wäre das erfolglos gewesen, außer ich hätte ein Versteck gefunden in das dieses riesige Kerlchen vor mir nicht rein passte.
 
[Hinter Tami, Chu und Avis - Gegenüber von April | Beim Menschenkinderlager]


RE: Passus VII - Die Erste Jagd - Kimya - 20.11.2015

Dekajas Worte halfen mir. Sie schimpfte nicht, sie stimmte mir sogar zu und sagte, dass ich alles richtig gemacht hatte. Ich glaubte ihr und nickte erleichtert. Ihr Trost, ihre Nase und ihr warmer Atem in meinem Pelz, taten gut und die Angst legte sich langsam. Trotzdem zitterten meine Läufe bei den ersten Schritten. Ich wurde immer schneller und ging Zielstrebig neben Dekaja her.

"Ich hoffe Avis und Chu geht es gut."

Sagte ich leise zu Dekaja, fast nicht hörbar. Gedanklich war ich nur bei den beiden. Den kranken Hund, der, weswegen ich mich von der Gruppe getrennt hatte, war zwar irgendwo in meinen Gedanken - doch die Sorge lag wo anders. Ich hatte Angst, dass Ihnen auf dem Weg etwas passierte. Hoffentlich konnte Tamias die beiden finden, bevor es jemand anderes tat.
Dann kamen wir an das Lager und schritten durch die letzten Sträucher. Skadi, Tryss und Runa lagen beisammen und sprachen miteinander. Als ich Runa sah zog sich meine Rute zwischen die Hinterläufe und meine Ohren legten sich Reuemutig an. Ich versteckte mich hinter Dekajas Läufen und sah nur zu Runa.

"Ich brauche deine Hilfe"

Sagte ich ganz leise, so leise, dass es vielleicht nur Dekaja hörte. Mein Hals war ganz trocken geworden, mein Herz fing wieder an schmerzhaft in meiner Brust zu hämmern.
Ich wusste, dass Runa anders reagieren würde als Dekaja - in dem Moment in dem ich sie sah, wusste ich es einfach. Ich habe sie enttäuscht. In allen erdenklichen Punkten. Ich war Unfähig ihren Unterricht anständig um zu setzten. Ich habe mich ablenken lassen, wir sollten Jagen und nicht Gefahren aufsammeln. Ich habe meinen Bruder im Stich gelassen und bin alleine durch den Wald gelaufen. Ich hätte rufen sollen, als wir noch alle zusammen waren. Ich hätte Avis und Chu abhalten müssen von allen Taten - aber nein, ich habe sie angestochen.  Ich habe so viel falsch gemacht. Ich habe alles falsch gemacht.

[Im Lager hinter Dekaja | Skadi, Tryss und Runa]


RE: Passus VII - Die Erste Jagd - Tryss - 21.11.2015

Ich folgte Rúnas Bewegungen genau mit meinen Augen. Unbehagen stieg in mir auf, als sie sich neben mich legte und in meine Richtung sah. Mir wäre es lieber gewesen, sie hätte sich gegenüber abgelegt. Dann hätte ich sie problemlos im Blick behalten können, ihre Bewegungen studieren können, jede Kleinigkeit in ihren Reaktionen ablesen können. Aber so musste ich ihr den Kopf zuwenden, wenn ich dies tun wollte und konnte noch immer nicht alles sehen. Die einzige andere Wahl, die mir blieb, war sie gar nicht anzusehen, sondern nach vorn zu blicken. Da ich sie kaum ignorieren wollte, blieb mir nichts anderes übrig als meinen Kopf zu ihr zu drehen.

„Tryss, Rúna. Mein Name ist Tryss, nicht Wolf.“

Ich reagierte ein wenig verärgert auf ihre Anrede, versuchte bei meiner Korrektur aber sanft und eben nicht böse zu klingen. Es war auch keineswegs böse gemeint, doch Wolf, das klang unpersönlich, distanziert. Waren wir distanziert? Waren wir so weit voneinander entfernt, dass sie mich nannte wie jemanden, den sie noch nie zuvor in ihrem Leben gesehen hatte? Waren wir so fremd? Nein, ganz sicher nicht. Wir reisten seit Wochen miteinander, Rúna und ich teilten sogar das Geheimnis des Lagerbesuchs und sie hatte Deka und Alvarez geheilt – wir hatten mehr gemeinsam durchgemacht, als diese Anrede würde vermuten lassen. Noch bevor ich auf ihre eigentliche Frage geantwortet hatte – denn ich versuchte das, was mich störte in Worte zu verpacken, die nicht sofort wieder auf Unverständnis stoßen würden und neuen Streit hervorbringen würden – trat Skadi zu uns. Ich wandte den Kopf zu ihr und drehte die Ohren aufmerksam in ihre Richtung. Kurz erwartete ich, dass Anklagen aus ihrem Fang kommen würden, Worte, die mich erneut verbittert und wütend machen würden. Doch wie erstaunt war ich, als sie das aussprach, was ich fühlte. Ich hob überrascht die Augenbrauen, streckte den Hals ein wenig durch und legte den Kopf voll Erstaunen leicht schräg.

„So ergeht es mir auch. Ich habe das Gefühl auf der Stelle zu treten. Und immer, wenn wir versuchen voranzukommen, werfen wir uns gegenseitig Stöcker zwischen die Pfoten und stolpern über unsere eigenen Läufe. Welpen bekommen mehr Rechte als erwachsene Wölfe, und ohnehin scheint niemand mehr das Ziel vor Augen zu haben. Wir hatten doch alle ein gemeinsames Ziel... warum fällt es uns so schwer es gemeinsam zu verfolgen? Wo ist unser Wille hin? Warum stehen wir nicht mehr Seite an Seite, so wie wir es teilweise zu Beginn unserer Reise getan haben? Als wir... nun, ihr wart nicht dabei, aber lasst es mich erzählen... als Kaya, Tamias und ich die letzten Worte der Wölfin hörten, da war es, als würden unsere Herzen zusammen schlagen, als würde uns dieser eine Moment verbinden. Nicht nur in diesem Erlebnis, sondern in unserem gemeinsamen Ziel.“

Ich ließ den Kopf auf die Pfoten sinken, fühlte mich auf einmal so müde, wie es Skadi beschrieben hatte. Ich wollte nicht streiten. Aber uns war etwas verloren gegangen auf unserer Reise. Das mussten wir wiederbekommen. Nur wie? Brauchten wir klare Strukturen, wie in einem Rudel? Oder brauchten wir einfach einen Führer, der das Ziel nicht aus den Augen verloren hatte? Einen, der uns wieder vereinen konnte in unserem gemeinsamen Unterfangen?

____

Zunächst war mir, als bildete ich mir ihre Gestalt ein. Doch nachdem sie einige weitere Schritte zurückgelegt hatte, war ich mir sicher, dass ich keineswegs träumte. Dekaja war in unserem Sichtfeld aufgetaucht – zusammen mit Kimya. Kein Tamias, kein Avis und keine Chu. Ich sprang augenblicklich auf. Irgendetwas musste passiert sein. Ich lief einige Schritte nach vorn, blieb dann aber stehen, als Kimya sich schüchtern hinter Deka versteckte und leise Rúna ansprach. Verwirrt blickte ich erst zu dem jungen Wolf, dann zu meiner selbsterwählten Schwester.

„Was ist los? Was ist passiert? Wo sind die anderen, wo sind Chu und Avis? Ist ihnen etwas zugestoßen? Wobei brauchst du Rúnas Hilfe?“

Da war er wieder, der gewohnte Wortschwall. Er war sicherlich – wie so oft – nicht unbedingt hilfreich. Doch die vielen Fragen waren meine Art mit der Situation umzugehen und aus meinem Tonfall sowie der angespannten Haltung würden die anderen sicher erkennen können, dass es mir mit der Sorge ernst war.

[Lagerplatz | Zunächst Skadi und Rúna, dann Dekaja und Kimya]


RE: Passus VII - Die Erste Jagd - Avis - 30.11.2015

Da ich dicht neben Chu her ging, bemerkte ich schnell wie sie das Tempo angezogen hatte. Offenbar wusste sie jetzt ganz genau wohin sie gehen musste. Das beruhigte mich zumindest erst einmal. Gleich würden wir diese ganze sonderbare Situation vielleicht lösen können. Mitten in meine Gedanken hinein blieb Chu plötzlich stehen und starrte auf den Platz. Ich trat einen Schritt vor, doch ich sah nichts. Nein eigentlich stimmte das nicht, ich sah schon etwas. Der Boden war platt getreten und an konnte deutlich sehen, dass die Menschenwelpen hier waren, aber sie waren fort! Nein, das konnte doch wohl nicht wahr sein. Verdammt. Ich stellte meine Ohren auf, drehte mich zu Melf um doch da sprach Chu schon bevor ich meinen fang aufbekam. Ihre Worte klangen logisch, ja. Das würden wir schafften, wir mussten es einfach.

„Verdammt. Denkst du sie sind schon lange weg? Hoffentlich holen wir sie schnell ein!“

Ein kurzer aufmunternder Blick zum Hund, doch dann wurde mein Blick von etwas Anderen angezogen. Ein Wolf stand dort. Allein, aber definitiv nicht zu uns gehörend. Meine Ohren fuhren nach hinten, ich nahm eine bedrohliche Haltung an.  Ich kannte ihn nicht und ich musste Chu beschützen.

„Chu, vorsicht!“

Meine Stimme war leise und nur für die junge Fähe bestimmt, unbewusste hatte ich sie etwas hinter mich gedrängt und mich in den Vordergrund. Leider hatte der Fremde offenbar nichts Besseres zu tun und kam zügig auf uns zu. Mein Nackenfell sträubte sich.  Doch dann kam es anders…
Der Fremde, der sich dann als Fähe entpuppte stellte sofort Fragen. Eigentlich konnte der doch egal sein was wir hier taten und warum? Warum musste jeder meinen er könnte uns bevormunden. In mir kam schon wieder diese eigensinnige Wut auf.

„Wir sind nicht alleine wie du vielleicht sehen kannst!“

Meine Stimme war etwas zu laut und auch etwas patzig, mein Herz schlug wild und so selbstsicher und beschützend wie ich hier stand war ich definitiv nicht. Aber hier galt es meine kleine neue Schwester zu beschützen und in Sahen Wolf war ich in dieser Gruppe wohl noch an erfahrensten, wobei ich Melf gerade irgendwie vollkommen vergessen hatte! Ich zog den fremden Geruch durch meine Nase und hatte plötzlich noch einen anderen, mir vollkommen bekannten Geruch. Tami ???
Ruckartig fuhr mein Kopf rum, direkt in seine Augen.  So schnell war eine Situation noch nie entglitten, aber heute war das offenbar so. Tami war offenbar sehr schnell gewesen, mein Blick nahm aber eine trotzige Nuance an, bevor ich Chu ansah. Jetzt würden wir alles vergessen können. Was für ein Desaster!


[steht April gegenüber, mit Chu/Tami/Melf]


RE: Passus VII - Die erste Jagd - Rúna - 05.12.2015

Das Gespräch zwischen Tryss, Skadi und mir wurde jäh unterbrochen als Dekaja zum Lager zurückkehrte. Dicht hinter ihren Läufen stand Kimya und der Blick, den er mir zu warf ließ mich aufstehen. Es war unverkennbar, dass etwas nicht stimmte und Sorge überflutete meine Gedanken, wenngleich ich froh war, dass es dem jungen Rüden augenscheinlich gut ging.

… aber was ist mit Avis und Chu?

Von Kimya richtete sich mein Blick zu Dekaja,

„Was ist geschehen?“

stellte ich eine Frage während die Sorge zwar nicht in meiner Stimme, wohl aber dem Blick und der angespannten Haltung zu erkennen war. Doch ähnlich wie das Wasser hinter dem Damm eines Bibers, begann sie sich auf zu stauen und wuchs. Die Ohren waren steil aufgerichtet und den beiden Ankömmlingen zu gewandt, währen die Rute bald mehr einem leicht gehobenem Stock als etwas beweglichem, lebendigem glich.

Schließlich kehrte mein Blick zu Kimya zurück und endlich erkannte ich in seinen Augen, seiner Haltung, dass die von ihm empfunden Schuld vorrangig mir galt. Es dauerte einen Moment, doch als die Erkenntnis darüber, was mich von anderen unterschied, wie eiskaltes Wasser in meine Gedanken tropfte, nahm die Sorge um Avis und Chu noch einmal völlig neue Ausmaße an.

[steht Dekaja und Kimya schließlich gegenüber und beginnt auf Grund von Kimyas Reaktion schreckliches zu vermuten]