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Passus VII - Die erste Jagd - Druckversion

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RE: Passus VII - Die erste Jagd - Tryss - 26.05.2016

Rúnas Worte hallten noch immer in meinem Kopf nach, während ich den fremden Rüden mir gegenüber weiter drohend anstarrte. Was wäre, wenn sie sich wirklich angesteckt hatten? Was, wenn wir sie verlieren würden? Würden die älteren Wölfe - erwachsen wollte ich sie nicht mehr nennen - dann endlich zur Vernunft kommen und einsehen, dass sie viel zu fahrlässig gehandelt hatten, indem sie die Welpen allein auf die Jagd geschickt hatten? Ich bezweifelte es. Und das machte mich wütend. Wütend darüber, dass ich Recht behalten hatte, dass etwas passiert war und die Welpen noch viel zu jung und unerfahren waren, um richtig zu reagieren. Und dann kam da dieser Fremde und scherte sich einen Dreck darum, welche Anweisungen wir Kimya gegeben hatten. Er tat das, was ich nicht durfte - und war nun auch noch so dreist, das auszusprechen. Ein drohendes Knurren verließ als Erwiderung meinen Fang. Das Schlimmste war: Er sprach die Wahrheit. Er sprach genau das aus, was ich Tamias und Skadi gesagt hatte, wofür Skadi mich angegangen war und was angeblich falsch gewesen war. Aber ich konnte nun schwerlich zurückziehen und ihm zustimmen. Ich war in der Pflicht die Entscheidungen der anderen zu tragen - das tat man so in einer Wolfsgruppe, zumindest war das eine der Lektionen gewesen, die mein Vater mich gelehrt hatte.

„Und hast du daran gedacht, dass wir nicht ohne Grund von ihm fern bleiben? Er hatte Kontakt zu einem Hund - womöglich ist er krank und ansteckend. Und du nun auch, Fremder. Abgesehen davon zeugt es nicht gerade von sonderlich großer Intelligenz sich an zwei erwachsenen Wölfen vorbeizuschleichen und dann Freundlichkeit zu erwarten.“


Meine Stimme war leiser geworden, die letzten Worte würden für Kimya und Rúna kaum hörbar sein. Gerne hätte ich den Fremden fremd sein lassen und mich zu den beiden umgewandt, hätte Kimya den Trost und Schutz gegeben, den er suchte und brauchte. Doch ich durfte nicht, Rúna hatte es verboten - und das aus gutem Grund. Was für eine schmerzhafte Ironie des Schicksals: Ich hielt mich an die Regeln, missachtete keine Anweisungen und tat genau das, was man von mir erwartete - und es fühlte sich falscher an, als jede Missachtung, als jede Dummheit, die ich bisher begangen hatte. Das war ungerecht und versetzte meinem Herzen einige schmerzhafte Stiche. Anmerken ließ ich mir von diesen Gedanken nichts. Stattdessen behielt ich den Fremden weiter im Auge, beobachtete jede seiner Bewegungen. Natürlich war mir seine Rutenhaltung kaum entgangen, aber er war keineswegs so viel größer, dass ich keine Chance gegen ihn hatte. Muskulös war er, aber auch ich hatte in den Monaten der Wanderung einiges an Muskeln, Kraft und Erfahrung hinzugewonnen. Wenn er kämpfen wollte, konnte er das gerne haben. Noch immer hatte ich die Drohhaltung inne - und dieser Möchtegerntröster würde mich nicht davon abbringen, die zuerst fallen zu lassen.

[Erasmus, Kimya und Rúna]


RE: Passus VII - Die erste Jagd - Skadi - 31.05.2016

Der Rüde war schon lange verschwunden, zwischen den Bäumen und Büschen auf der anderen Seite der Klippe. Und doch starrte ich ihm hinterher. Ich konnte nicht sagen, wie lange meine Lefzen noch angezogen war, wie hoch mein Nackenfell stand, wie viel Blut auf den Boden tropfte. Ich starrte einfach zu dem Flecken, an dem erst Melf und dann Tamias verschwunden waren. Gedankenleer. Nur Wut und Anspannung.
Wurde um mich herum gesprochen? Ich weiß es nicht.
Erst als Dekaja neben mir auftauchte, zuckte ich mit meinen Ohren. Ihre Zunge in meinem Fell und ihre Worte ließen meine Starre und Abwesenheit dann gänzlich fallen. Ich sah zu Dekaja und schüttelte sachte den Kopf.

"Du kannst doch nichts dazu, dass der... Der so durchdreht"

Sagte ich leise und schaute wieder zu der Stelle, an der Tamias verschwunden war.
Schmerzen? Trauer? Enttäuschung? Alles Gefühle und Empfindungen, die ich in diesem Moment nicht zugeben wollte. Ich musste mit einem Gefühlsausbruch kämpfen, denn alles in mir wollte dass ich zusammenbreche und mich dem Schmerz - äußerlich und innerlich - hingab. Aber nie würde ich vor den Welpen - oder sonst wem - diese Schwäche zeigen.

Um keine Worte sagen zu müssen leckte ich meine Wunde am Bein, bis das Blut an der Bissstelle weniger wurde und sich eine Film aus Speichel über diese gelegt hat. Lange halten würde es nicht. Nicht bei einem Muskel, der so viel kontraktieren muss, bei einem normalen Bewegungsablauf.
Wortlos kehrte ich um. Die Fremde interessierte mich nicht, ich ließ sie stehen. Ich ging einfach. Zum Lager, so wie es der Plan war. Auf drei Pfoten, die Vierte setzte ich nur sanft auf um meinen Muskel zu entlasten.
Es war mir nicht egal, was Avis und Chu taten. Aber eine Diskussion würde jetzt Ausarten. Ruhig bleiben würde ich jetzt nicht mehr und gerade bei Avis - mit dem ich später sowieso noch ein Hühnchen rupfen musste, wegen seiner Beschuldigungen - Würden die Fetzen fliegen. Ich wollte ihn nicht die Wut spüren lassen, die Tamias in mir ausgelöst hatte.

[Kehrt zum Lager zurück]



RE: Passus VII - Die erste Jagd - Chu - 09.06.2016

Wie versteinert ließ ich mir von Avis das Blut aus dem Fell lecken. Ich hatte noch immer noch nicht so ganz realisiert, was gerade eigentlich passiert war. Trotz allem vertraute ich auf Tamias. Er war der einzige, der sich jemals so sehr für mich eingesetzt hatte. Er hatte mich beschützen und sich um mich kümmern wollen. Und bestimmt … bestimmt gab es Gründe warum er so reagiert hatte. Skadi hatte ihn provoziert. Sie hatte uns aufhalten wollen, hatte einfach so entschieden, dass Melfs Leben nichts wert war und wir alle parieren mussten. Aber sie hatte Unrecht und indem sie jetzt von Tamias wie von einem Monster sprach, wuchs die Abneigung gegen diese Fähe in mir nur noch mehr. ‚Dass der so durchdreht‘. Der. Der Bösewicht, der Spinner. Aber Tamias war kein Monster, er war ein Wolf genau wie wir. Ein Wolf, den ich mochte und dem ich vertraut hatte. Ein Wolf, der wiederkommen und mich abholen würde, raus aus diesem Wahnsinn, weg von diesen bösen Wölfen, die sich nun im Nachhinein die Pfoten reinwuschen und alles auf den bösen Tamias schoben. Auch Dekajas Worte erreichten mich nicht, mit verschlossener Miene und fest aufeinandergepresstem Kiefer ließ ich diese Moralpredigt über mich ergehen. Ich glaubte ihnen nicht mehr. Melf  und sein Freund waren ihnen doch vollkommen egal,  ganz egal wie oft sie mir das Gegenteil versicherten. Das hatten sie doch schon durch ihre Handlungen zur Genüge demonstriert. Und als Dekaja dann auch noch ganz besorgt und sichtlich schockiert zu Skadis Hilfe eilte, stahl sich ein trotziger Funke in meine Augen. Sie also auch. Sie dachte also genau so. Melf, sein Hundefreund, sie alle waren jetzt vergessen. Plötzlich war Skadi das arme Opfer.

„Tamias ist kein Monster“, verkündete ich mit zitternder Stimme und wandte mich dann an Avis. „Ich warte hier, bis er zurückkommt.“

Es war mir vollkommen egal, dass Skadi nun einfach den Rückweg antrat und uns links liegen ließ. Und genauso egal wäre es mir, wenn Dekaja ihr nun pflichtschuldigst hinterher dackelte. Ich würde hier bleiben und auf Tamias warten. Sollten sie uns doch allein lassen. Wir brauchten sie nicht.


[bei Avis | bleibt an Ort und Stelle]



RE: Passus VII - Die erste Jagd - Avis - 14.06.2016

So da standen wir nun, zwei halbwüchsige, eine blutende Fähe und eine die grade unter Schockstarre litt. Durch meine Wut auf Skadi war ich inzwischen weniger schockiert, vielmehr konnte ich fast sowas wie Verständnis für Tamias aufbringen. Mochte sich vielleicht dämlich anhören, aber dem war so. Dekajas Worte, die dann kamen schienen an mir ebenso abzuprallen wie an Chu. Ich starrte nur auf den Fleck, wo bis eben noch der Rüde gestanden hatte. Was war da eben nur passiert? War es eh nur eine Frage der Zeit gewesen bis es auch so passiert wäre oder war einzig und allein ein hilfloser Hund schuld an unserer Situation? Ich konnte sehen, wie Deka, als einzige zu Skadi ging, sie ebenfalls wortlos hinter Tamias her starrte. Ich beobachtete stumm die Lage. Als die Fähe Tamias als durchgedreht hinstellte schwall plötzlich wieder Zorn in mir hoch. Diese Fähe war schuld an alldem hier und gab jetzt einem Anderem die Schuld ab? Das konnte doch nicht wahr sein. Ein brummen entwich keiner kehle und zum Glück von uns allen drehte sich Skadi wortlos um und ging, wie sollte es auch anders zu erwarten sein, stur ihren Rückweg. Sie sie es wollte. Wie sie es uns befohlen hatte. Vielleicht war es besser so uns zu trennen, zumindest, oder auf jeden Fall für den Moment. Ich blickte kurz und ernst Deka in die Augen. Mein Blick machte nur zu klar, dass ich auf gar keinen Fall dieser Fähe dort folgen würde, nicht mal wen sie mich an meiner Rute hinterher zerren würde!

Als ich Chus Worte neben mir vernahm, drehte ich mich endgültig zu ihr, stupste sie kurz am Fang und sprach leise.

„Nein, das Monster ist jemand anders, Tami wollte nur helfen…!“

Allerdings hatte ich nun ein weiteres Problem. Kimya. Ich konnte schlecht Chu hier stehen lassen, sie würde sofort hinter Tamias her rennen wenn ich sie allein ließ, das konnte ich nicht zulassen! Ich wagte zu bezweifeln, dass sie dann jemals wieder kommen würde. Andererseits wollte ich Kimya auch nicht unbedingt bei Skadi lassen. Dann würde er ihre Version vom geschehen hören. Noch bevor er MEINE gehört hätte. Ich konnte nicht ja aber auch schlecht halbieren. Verflixt und ..argh…meine Pfote kratzte verzweifelt und wütend über den Erdboden.

„Chu, wir können hier nicht einfach dumm rum stehen.. lass uns Kimya holen. Tamias wird Melf schon finden…!!“


..und selbst nie wieder zurüc kommen. Das sagte ich aber lieber nicht laut. Ich hatteschon andere Wölfe aus weniger komplizierten Gründen gehen sehen und Chu mochte Tamias sehr. Er hatte sie von den menschen zu uns gebracht, außerdem würde ich sie nicht mit der Fremden hier lassen, obwohl Chu wahrscheinlich mit allem besser klar kam, aber nein. Ich musste doch auf sie aufpassen.

[steht neben Chu, versucht sie zu überreden Kimya zu holen, bei Deka]


RE: Passus VII - Die erste Jagd - Dekaja - 21.06.2016

Ich zuckte etwas erschrocken zusammen, als ich Skadis Worte hörte. Durchdrehen…war das das richtige Wort? Ich hatte so eine Reaktion noch nie von Tamias erlebt und ich reiste nun auch schon eine ganze Weile mit ihnen. Streng war er immer gewesen, aber niemals hatte er so voller Zorn reagiert, so unbeherrscht. In letzter Zeit hatte ich aber das Gefühl gehabt, das ihm die Gemeinschaft an sich egal geworden war und was diese tat und dass er sein eigenes Ding durchziehen wollte.

„Ich…ich weiß nicht, wieso….sonst hat er auf so etwas immer ruhiger reagiert…früher..“, hauchte ich leise.

Mein Blick glitt kurz zu den Jungwölfen und ich erschrak selbst, als ich sah, das meine Worte dort vollkommen abprallten und es sogar so schien, als wären wir nun die „Bösen“…als wäre Tamias das Opfer. Es war nicht so, dass ich es nicht verstehen konnte. Unser Eindringen und das Ändern des Plans und dann das Verschwinden von Melf hatte uns nicht sonderlich sympathisch gemacht, trotzdem tat es mir sehr weh zu sehen, wieviel Misstrauen und Unwillen uns gegenüber gezeigt wurde, obwohl ich mich mehrfach erklärt hatte. Ich machte mir auch Sorgen um Melf, obwohl ich ihn nur kurz gesehen hatte. Irgendwie hoffte ich, er stieß vielleicht zufällig auf Rúna und ließ sich helfen. Ich konnte jetzt nicht einfach hinterher, denn gerade schien es so, als gingen alle getrennte Wege.

Mich zog es natürlich zu Skadi, denn auch, wenn es ein Akt zur Klärung der Rangfolge gewesen wäre und wer das Sagen hat, fand ich Tamias‘ Reaktion vollkommen überzogen. Skadi hätte das mit Sicherheit auch auf sanftere Weise verstanden…man hätte darüber sprechen können. Dann aber wollte ich die Jungwölfe keineswegs allein lassen. Es erschien mir nicht richtig und wenn sie nicht freiwillig mitkamen, dann würde sie niemand zwingen können.

Das ist er auch nicht. Niemand hat ihn als Monster betitelt…aber er hat die Beherrschung verloren…so aggressiv ist er noch nie geworden.“,

erwiderte ich. Ich hätte Chu auch gerne gesagt, dass sie Tamias gar nicht kannte und erst seit kurzem mit uns reiste, aber das schien mir nicht fair und vermutlich würde es noch mehr Öl ins Feuer gießen. Ich sah, dass Skadi nun einfach losging, zurück zum Lager. Sollte ich mitgehen und davon ausgehen, dass die Welpen mitkamen? Oder sollte ich hierbleiben? Selbst letzteres löste bei mir gerade einen riesigen Frosch im Hals aus, weil ich das Gefühl hatte, das meine Anwesenheit von den Jungwölfen ohnehin unerwünscht war….das war nie so gewesen. Und deswegen verletzte es mich auch so enorm. Ich blieb sitzen, fast apathisch.

„Ich…ich komme gleich zum Lager nach…“
, hauchte ich leise.

Ich sah vermutlich wie ein Häufchen Elend aus….oder man interpretierte mich als eine Art Wache, um zu sie zu kontrollieren. Es schien, egal, was ich tat, alles war falsch und würde auch so ausgelegt werden.

„Wie ich sagte…ich hätte nicht anders als ihr gehandelt, obwohl ich älter bin…und kein Jungwolf mehr….das glaubt ihr vermutlich ohnehin nicht…oder vermutlich kommt es gar nicht an, was ich sage…aber ich wollte vorhin, als ich Kimya traf, auch am liebsten losstürmen und schauen, ob ich helfen kann…erst als Rúna die Krankheit erwähnte, hab ich mich umstimmen lassen…aber es ist nicht meine Absicht, Melf deswegen sterben zu lassen….“

Ich zuckte leicht mit den Ohren.

„Natürlich ist mir das Leben von euch mehr wert…aber das ist doch bei jedem so…es ist natürlich. Für mich ist das Leben von Tryss auch mehr wert als das von Skadi…und das von Skadi mehr wert als das eines fremden Wolfs…daran ist nichts verwerfliches. Wir charakterisieren uns durch unsere Beziehungen…aber das heißt nicht, dass uns Schicksale wie Melf deswegen egal sind….“

Ich sah noch immer zum Boden.

„Es ist auch egal an sich…ich wollte eigentlich nur sagen, dass mir euer beider Leben auch wichtig ist…ihr Familie seid für mich...egal, was kommt…und das heißt für mich auch, ich möchte nicht ohne euch ins Lager zurückkehren. Ich zwinge euch gewiss nicht dazu, das kann ich ja gar nicht, aber ich bleibe bei euch…ob ihr nun Tamias folgt, Melf suchen geht oder zum Lager zurückkommt...“
Ich hoffte natürlich, Chu würde auf Avis Vorschlag anspringen. Ich wäre so gerne bei Tryss gerade, der mit solchen Situationen weitaus besser umgehen konnte, aber…das war gerade nicht zu ändern. Ich versuchte, meine alte Zuversicht wiederzufinden. Alles war so schnell gegangen und plötzlich bröckelte alles. Ich wollte heim.

[unschlüssig, bleibt aber erstmal bei Avis und Chu]


RE: Passus VII - Die erste Jagd - Erasmus - 28.06.2016

Die Muskeln unter meinem Fell schienen zu kochen, vor Anspannung zu zerreißen. Der große Rüde nahm es wohl nicht sonderlich gut auf, dass ich mich mit seinem Schützling - den er nicht geschützt hatte - gut verstand. Was konnte ich denn dafür, dass der Kleine mir um den Hals gefallen war? Es war doch normal, dass Welpen komische Dinge taten oder? War das hier schon zu komisch? Und okay, er war kein Welpe mehr, aber sollte man von einem jungen Wolf nicht erwarten können, dass er Blut gewohnt war? Vielleicht war ein Wolf, viel mehr ein Hund, etwas anderes, ich wusste es ja selber, aber gleich so panisch zu reagieren war schon etwas sonderbar. Normaler Weise sollte er neugierig sein, das war er aber nicht.

Ich verharrte noch einen Moment in dieser Position und legte dann den Kopf schief, als der Große seine Empörung nur so heraus kläffte. Er beleidigte mich sogar als dumm. Als einen Idioten. Aber vielleicht hatte er gar nicht so unrecht. Ich hob meine Schultern und stand gerade vor ihm. Stark und groß, wie ich war. Ich legte erneut den Kopf schief, so schief wie Welpen, wenn sie etwas eigenartiges hörten oder den Sinn der Worte nicht verstanden, die man ihnen entgegen brüllte.

"Also erst mal heiße ich Erasmus. Hallo!"

Ich holte tief Luft und spürte, wie mein massiger Oberkörper sich ausdehnte und gleich wieder zusammenzog, als ich die Luft wieder frei gab. Dann grinste ich.

"Es kann dir doch nur Recht sein, wenn ich verrecke oder? Du willst mich doch eh nicht hier haben."

Ich erinnerte mich an all den Wind, all den Regen und all die bitter kalten Nächte, die ich überlebt hatte. An die Tage, in denen ich unter den Menschen gelebt hatte, wie sie mich behandelt hatten und wie ich manchmal grässlicher als ihre Hunde hatte leben müssen, nur weil ich nicht von Anfang an pariert hatte. Wenn ich all das überstanden hatte, würde mir dieser Schnupfen nichts anhaben können.

"Aber ich würde einen besseren Daddy abgeben als du, was?"

Die letzten Worte hauchte ich ehr. Kaum hörbar. Sie waren nicht gewinselt, sondern ehr gemurmelt. Ich lugte zu dem kleinen Rüden, der mit der Fähe etwas abseits stand. Die Fähe rührte sich nicht und hörte auch nicht auf die Worte des Kleinen. Was hätte sie denn auch machen sollen?
Zwischen uns gehen? Eine Fähe? Zwischen zwei starke Rüden, von denen sie den einen nicht kannte? Vielleicht wäre ich nicht so sanftmütig zu ihr, wie mein Gegenüber. Immerhin würde sie mich wieder in eine Situation bringen, in der ich mich angegriffen fühlen konnte. Wenn sie also wirklich so schlau war, müsste sie da stehen bleiben und es sich mit ansehen, wie wir beide uns stritten.

"Manchmal muss man jemanden anschreien, auch wenn das eine komische Art der Begrüßung ist. Würdest du so begrüßt werden wollen, Kurzer?"

Ich drehte meinen Kopf leicht zu dem kleinen Rüden und zwinkerte ihm zu. Meine Stimme war ruhig, entspannt, als hätte man mir Honig ums Maul geschmiert. Man hätte anhand ihrer Färbung nicht erkennen können, dass ich sie noch gerade eben dazu benutzt hatte, jemanden anzuschreien oder gar einen Kampf zu verkünden. Das mit dem Kampf war vielleicht etwas übertrieben. Ich hatte nicht vor, dass der Kleine heute noch eine Leiche zu Gesicht bekam, mit der er vielleicht sogar verwandt war.
Und ich hatte keine Lust wieder die Schulter zum ausheulen zu sein, wobei ich gerne einen Wegbegleiter hätte, dem ich die Welt zeigen könnte. Hm. Diese Gedanken gefielen mir zu gut, aber sie waren zu schlecht, um sie wirklich in die Tat umzusetzen.


[ bei Rúna, Kimya & Tryss - überheblich ]



RE: Passus VII - Die erste Jagd - Skadi - 30.06.2016

Wo zuvor die Wut auf Tamias zentriert war, kroch sie nun langsam auf Avis und Chu über. Die Anschuldigungen von Avis waren nur der Anfang gewesen, nun übertrieben sie. Sie gaben mir an allem die Schuld und nahmen Tamias in den Schutz. Den Wolf, der ausgerastet war und ohne Rücksicht auf Verluste seine Verbündeten attackiert hatte. Ohne Vorwarnung hatte er abrupt zum Angriff angesetzt. Und dennoch war er der Gute.

Ich war das Monster. Ich war egoistisch. Ich handelte nur zu meinem eigenen Nutzen. Oh mein eigener Nutze wäre es gewesen Chu einfach diesen verdammten Tamias hinterher zu jagen und Avis am Nacken zu packen und nach Hause zu bringen.

Beide hätten eine ordentliche Standpauke verdient. Zurechtweisung. Sie trieben es zu weit. Sie steigerten sich in ihre Wut rein und ließen sie komplett an mir aus. Ich zwang mich besser zu sein als diese beiden Welpen. Ich ging einfach weiter. Schmerzhaften Schritt für Schritt. Zwang mich weg zu hören, zu ignorieren.

Sobald der Hunger an ihnen nagte oder Tamias sie verjagte würden sie zurück gekrochen kommen. Spätestens, sobald sie ein anderes Beutetier fanden - eher gefunden würden. Wobei, diese beiden Exemplare von Wolf würden noch einen Bären als Freund sehen wollen!

Mit vor Wut zusammen gekniffenen Zähnen lahmte ich einfach weiter. Die Stimmen hinter mir wurden leiser. Dekajas Monolog verebbte irgendwann in den morgendlichen Waldgeräuschen. Knackende Äste unter meinen Pfoten und singende Vögel in den Baumwipfeln umgaben mich. Der schwache Geruch von Melfs Krankheit und der frische Geruch meines Bluts umgab mich. Ich war endlich alleine mit mir - und dem zerreißenden Gefühl in mir, dem ich nun die Freiheit gewährte aus zu brechen.

Warum?

Schmerzhafter als die Verletzung am Lauf und die Anschuldigungen von Avis und Chu waren diese Fragen.
Wieso konnte ich mich so in ihm täuschen? Seine Wut übersehen. War ich nur ein Spielstock für ihn, den es zu Tragen langweilig und nervig wurde? Warum hat er mir das angetan? Warum?

[Geht/humpelt zum Lager zurück]



RE: Passus VII - Die erste Jagd - Kimya - 30.06.2016

Der Streit zwischen Tryss und dem Fremden - der sich als Erasmus vorgestellt hat - wurde auf eine eigenartige Weise hitzig. Sie zeigten zwar beide keine direkte Kampfeslust und doch brodelte die Gefahr zwischen ihnen. Während Tryss einen Schwall von Abweisung und unterschwelligen Beleidigungen raus bellte, kläffte Erasmus höhnische und Tryss in Frage stellende Worte.
Sie prasselten so schnell aufeinander ein, dass Runa gar nicht zu einer Antwort kam, ehe Erasmus mich direkt ansprach. Was sollte ich jetzt tun. Antworten? Keine Antwort wäre frech aber mit 'dem Fremden reden' war offensichtlich bitter bei Tryss aufgestoßen. Also gab es kaum etwas richtiges, was ich tun konnte.
Außer eine Lösung zu finden. Eine Lösung die allen half musste her!
Hilfesuchend sah ich zu Runa. Sie wusste bisher auf jede meiner Fragen eine Antwort! Wieso war sie nur jetzt so still? Wollte sie, dass Erasmus von Tryss vertrieben wurde, obwohl ich ihn hätte anstecken können? Meine Augen weiteten sich. Ich hatte eine Idee.

"Tryss, wir müssen ihn mitnehmen."

Sagte ich ganz leise und ging zögernd einen Schritt auf die streitenden Rüden zu.

"Wenn ich erkranke und weiß, dass er draußen ganz alleine ist, dann möchte ich lieber sterben als überleben. Weißt du, mit dieser Schuld kann ich einfach nicht leben."

Ich blickte anfangs zu Tryss, dann zu Erasmus.

"Du kannst froh sein, dass nicht unser ältester Rüde vor dir steht. Ich glaube er und seine Fähe hätten nicht nur schreiend 'hallo' gesagt.
Es tut mir leid, dass ich dich in diese Lage gebracht habe. Aber du musst mit uns kommen. Mein Bruder, unsere Freundin und ich müssen isoliert werden. Und du auch. Falls wir krank sind haben wir eine Heilerin die uns rettet. Aber ich möchte nicht mit der Angst leben, dass ich einen unschuldigen Wolf ermordet habe, weil ich ihn angesteckt habe. Bitte komm mit uns, nur für ein paar Nächte, damit ich weiß dass du gesund bist."


Bewusst hatte ich keinen Namen genannt. Bis ich mich vor stellte.
"Ich bin Kimya, und ich bitte dich einfach bei mir zu bleiben, bis ich weiß das du nicht krank sein kannst."

Dann wandte ich mich an Tryss.

"Wenn wir alles ausgesessen haben kannst du ihn ja verjagen. Dann kannst du dich auch nicht anstecken. Und außerdem müsstest du um ehrlich zu sein mich verjagen. Ich habe mich an ihn rangeschmissen, er hat wirklich keine Schuld. "

Isolation war die einzige sinnvolle Lösung. Etwas anderes fiel mir nicht ein, aber trotzdem suchte ich Runas Blick. Hatte ich jetzt endlich etwas richtiges getan oder war es wieder alles falsch?

[Versucht den Streit zwischen Erasmus und Tryss zu schlichten]



RE: Passus VII - Die erste Jagd - Chu - 07.07.2016

Verunsichert schmiegte ich die Ohren dicht an den Hinterkopf. Wieder einmal sprach Avis genau das aus, was ich insgeheim ebenfalls dachte. Nicht Tamias war der Böse. Jemand anders war schuld. Jemand, den ich nicht ganz so gern mochte, wurde jetzt zum Sündenbock, ohne dass es mir wirklich bewusst war. In meinen Augen war Skadi der Auslöser, egal wie gut ihre Intentionen gewesen sein mochten. Denn Tamias war ein guter Wolf, ein Vorbild, und er hatte sich meiner angenommen. Ich vertraute ihm und hatte das Bedürfnis, ihn trotz allem vor den Anderen zu verteidigen. Natürlich hätte er Skadi nicht so grob anpacken müssen, das hatte mich ehrlich gesagt auch ziemlich erschrocken, aber … aber … vielleicht war das ja normal? Es gab Gründe.

„Weil Skadi ihn provoziert hat“, beharrte ich stur auf Dekajas Einwände hin. „Sie hätte sich ihm nicht in den Weg stellen dürfen. Sie ist gar nicht unsere Alpha, also kann sie uns auch nicht herumkommandieren.“

Ja, genau, das hatten mir am Anfang alle erklärt und immer wieder betont, dass wir gar nicht wie ein normales Rudel waren. Dass wir keine Leitwölfe hatten, sondern eine Gruppe bildeten, in der alle gleichberechtigt waren. Nicht, dass ich mir damals besonders viel darunter hatte vorstellen können. Für mich war das schlicht und ergreifend nicht wichtig gewesen. Erst jetzt wurde es langsam relevant, wo ich Zeuge der ersten, gröberen Konflikte wurde. Und wenn ich ehrlich war, erschütterte mich das alles schon ziemlich. Den trotzigen Ausdruck in meiner Miene konnte ich dementsprechend auch nicht besonders lange aufrecht erhalten. Bald schon wirkte ich wieder genauso verunsichert wie zuvor und drückte meine Schnauze mit einem kläglichen Fiepen in Avis Fell. Zum Glück war er da. Auch er war sichtlich mitgenommen von der ganzen Sache, aber wo ich ängstlich und verunsichert reagierte, da wirkte er eher selbstbewusst und zornig. Er gab mir einfach ein wenig Sicherheit und ich fühlte mich nicht ganz so allein und hilflos, solange er an meiner Seite war. Er bot Lösungen, wo ich selbst keine fand. Skadis Verhalten verstand ich nicht und Dekaja … so wohlmeinend ihre Erklärungen auch sein mochten, so sehr überforderten sie mich auch in dieser Situation. Unentschlossen spielte ich mit den Ohren und wusste nicht so recht, wie ich das jetzt finden sollte, dass sie bei uns bleiben wollte. Hieß das, dass sie uns wirklich helfen wollte? Oder wollte sie nur den Aufpasser spielen, damit wir nichts ‚Dummes‘ anstellten? Ich wusste es schlicht und ergreifend nicht. Unsicher schielte ich zu Avis. Sein Vorschlag war so einfach, wie er gut war. Auch Kimya hatte Melf helfen wollen und er musste unbedingt wissen, was inzwischen passiert war. Danach konnten wir dann zu dritt weitermachen. Ich nickte.

„Ja, holen wir Kimya, dann können wir ihnen gemeinsam folgen.“

Avis hatte Recht, immer einen Schritt nach dem anderen. Dass die Erwachsenen uns womöglich nicht mehr fortlassen würden oder Kimya es sich gar anders überlegt haben könnte, daran dachte ich in diesem Moment nicht. Die Situation war so verwirrend und schrecklich, dass sie mich komplett überforderte. Und obwohl wir Welpen versuchten, das Beste daraus zu machen, waren wir eben doch noch Welpen.

[Avis, Dekaja | Rückweg zum Lager?]



RE: Passus VII - Die erste Jagd - Rúna - 14.07.2016

Die ganze Situation wurde für mich immer abstruser. Erst schien Kimya die wichtigsten Grundsätze, die ich ihm beigebracht hatte, völlig zu vergessen und dann tauchte auch noch dieser fremde Einzelgänger auf. Und gerade als wir dachten er wäre verschwunden, finden wir ihn zusammen mit Kimya, als wären die beide eng Vertraute. Vielleicht trug auch das neben der für mich beständig herrschenden Gefahr dazu bei, dass ich mich immer mehr in die Rolle einer stummen Beobachterin begab.

Noch immer sah ich Kimya an, vernahm seine Antwort und konnte währenddessen nicht verhindern, dass ein winziger Hoffnungsschimmer in mir aufkeimte, als ich noch keinen verräterischen Geruch an ihm wahrnehmen konnte. Mein Kopf sagte allerdings zugleich deutlich, dass es dafür ohnehin noch viel zu früh wäre. Auf seine letzten Worte hin, wandte ich mich ebenfalls wieder zu Tryss und dem Fremde um, deren Wortwechsel ich nicht völlig verfolgt hatte, dessen Intention jedoch unverkennbar war: Freundlich gingen sie nicht mit einander um.
Doch noch ehe ich selbst endlich reagieren konnte, war es wieder Kimya, der nach vorn trat und einen Vorschlag machte. Meine eigenen Gedanken überschlugen sich bald nur noch, während ich ihm lauschte und selbst zu einem Schluss zu kommen versuchte.

Wenige Schritte trugen mich neben Tryss, an dessen Seite ich zwar aufrecht, aber doch kleiner und etwas zurückhaltender als er stehen blieb. Dieselbe Position, die ich zuvor schon einmal eingenommen hatte und mit der ich deutlich machte, dass Tryss derjenige war, der führte, dass er dabei aber dennoch nicht allein war. Gleichzeitig waren meine Ohren aufmerksam gen des fremden Rüdens gerichtet, die Rute locker hängend und keine Spur von Anspannung oder Aggressivität in mir zu finden.

Auch ich sandte, noch während der Jungwolf sprach, einen kurzen Blick zu Tryss, an den sich jedoch kurz darauf wieder Kimya wandte, ehe dessen Blick schließlich auf mir hingen blieb.

Schließlich war ich es, die wieder das Wort ergriff und mich an den Fremden wandte,

„Erasmus… du hast Kimya gehört und ich bin geneigt mich seinen Worten anzuschließen. Wenn du willst, bleibe in der Nähe und warte gemeinsam mit den jungen Wölfen, ob du krank wirst oder nicht. Solltest du aber Ihnen oder den anderen zu nahe kommen, werden wir dich vertreiben. Sollte Kimya oder den anderen in dieser Zeit auch nur irgendetwas anderes als die Krankheit zustoßen…. werde ich dich töten. Solltest du dich aber als vertrauenswürdiger Beschützer erweisen aber krank werden, werde ich versuchen dich ebenso zu heilen, wie ich es bei ihnen versuchen werde….“

Ich machte eine kurze Pause nach diesen Worte, die ich mit ruhiger und fließender Stimme gesprochen hatte. Noch immer war sie, selbst bei jenem einen Satz, frei von jeglicher Aggression und stellte dem anderen Rüden lediglich die für mich herrschenden Tatsachen zur Überlegung. Er sollte wissen worauf er sich einließe und woran er war, wenn er beschloss Kimyas und meinem Angebot zu folgen.

„Niemand hier wollte, dass das alles hier geschieht und vielleicht wären die Begrüßung anders ausgefallen, wären wir uns unter anderen Umständen und an einem anderen Ort über den Weg gelaufen. Aber nun ist es so geschehen und wir müssen entscheiden was wir tun. Ich kann nicht für die anderen sprechen, ob sie dich in der Nähe der Jungen dulden werden und was geschehen wird, wenn wir sicher sind, dass keiner von euch erkrankt ist, aber das Angebot, dass nur ich dir machen kann, steht dir frei zu wählen….“

Erst danach wandte ich mich zu Tryss um,

„Du und die anderen müssen entscheiden ob er bleiben darf und wie lange. Wir wissen nicht warum er allein und ohne Rudel unterwegs ist. Aber bisher hat er weder dich noch zuvor Kimya etwas getan und er hätte Zeit und Möglichkeiten genug dafür gehabt… und nicht jeder wandernde Wolf tut dies weil ein Rudel ihn verstoßen hat…“

gab ich ihm einen Teil meiner Überlegungen zu denken. Hätte ich geahnt, was für eine Szene sich unweit von uns abspielte und dass nicht alle zu uns zurückkehren würden und es bereits die ersten Verletzungen gab, so hätte ich vermutlich anders gehandelt…. Aber nun waren meine Worte gesprochen.

[erwacht langsam aus ihrer Passivität und stimmt Kimyas Vorschlag zu | wendet sich dabei an Erasmus und nimmt sich vielleicht ein wenig viel Entscheidungsfreiheit heraus]