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Passus VII - Die erste Jagd - Druckversion

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RE: Passus VII - Die erste Jagd - Erasmus - 06.05.2016

Meines Erachtens nach war das alles hier eine sehr ungewöhnliche Situation, die ich nicht einschätzen konnte. Zwar war ich nie wirklich Mitglied eines Rudels, aber wenn ich ein fester Bestandteil wäre, hätte ich erwartet, dass man mir nachstürmt, wenn ich wie vom Blitz getroffen, ohne ein Wort, von jetzt auf gleich das Weite suche.
Nachdem ich den jungen Wolf aus den Augen verloren und mich wieder den beiden Wölfen zugewandt hatte, beobachtete ich beide eine Weile. Der Rüde war kleiner als ich und die Fähe war dicht an ihn gedrückt und versuchte ihre Schultern zu heben, um größer und stärker zu wirken. Irgendwie war das süß. Irgendwie versuchte sie mit ihm stark und groß zu sein, aber ich war größer und vielleicht würde ich gegen beide verlieren, wenn es hart auf hart kommen würde. Sie beide bildeten vermutlich mit dem Jungen ein kleines Rudel. Sie konnten jagen, die Beute in die Enge treiben. Ich konnte das nicht. Ich musste immer alleine den Bewohnern des Waldes nachhetzen und war froh, wenn ich mal etwas dickeres als eine Taube zu fressen bekam. Zwar waren im Wald viele Hasen unterwegs, aber ich war groß und blieb oft hängen und meine Kondition ließ auch zu wünschen übrig. Vermutlich waren meine Muskeln einfach nicht so stark, weil sie kaum genährt waren. Momentan sah ich ziemlich ausgezerrt aus. 

Ich fixierte kurz die Augen des Rüden und dann der Fähe. Der Rüde öffnete den Fang, um zu sprechen. Oh, er belehrte mich. Ich legte den Kopf schief, stellte meine Ohren auf und starrte ihn ernst und ungläubig an. 

"Etwa ein Virus?"

Natürlich hatte ich mich dem Kranken nicht zu nah genährt, habe immer Abstand gehalten. Mein Unterbewusstsein wollte das so, weil es wusste, dass etwas nicht stimmte. Ich warf nochmal einen Blick auf den Hund, wie er da lag, so schwach und leblos. Ich blickte wieder zu der Fähe. Sie hatte nichts gesagt, richtete aber ein Grollen an mich. Ein Grinsen schlich sich auf meine Lefzen. Ich mochte sie. Ich sah in ihren Augen auch keinen Hass, sondern Besorgnis und Angst. 

"Ich habe auch schon mal erlebt, wie eine Plage unsere Sippe durchkreuzte. Die einen quälten sich dem Tod entgegen und die Anderen waren glücklich und fühlten sich wie kleine Welpen. Das war vielleicht schlimm. Zum Glück haben sie rechtzeitig entdeckt, was uns fehlte, sonst wäre ich nicht hier. Welche in Jammer das wäre, nicht?"

Ich hatte in meiner Gedankenverlorenheit vollkommen vergessen, dass das vor mir Wölfe waren und keine Hunde, denen man erzählen konnte, dass die Menschen Helden waren - Ups. Jedenfalls hatte ich mich verplappert. Ich trat unbeholfen von einer Pfote auf die andere und blickte zu der Fähe, die schnurrstracks auf den toten Hund zu ging und ihn begutachtete. Sie meinte nach einer Weile, dass 'wir' gehen könnten. Ich zählte mich nicht zu diesem 'wir'. Sie fragte mich nichts, behandelte mich wie Luft. 

"Gehen?! Gehen ist gut! Ihr da lang und ich dort. Vielleicht sieht man sich ja mal wieder, war schön mit euch zu plaudern. Und viel Glück mit der Krankheit.. äh.. Besserung. Ihr packt das! Ihr seid toll. Also bis dann ne?"

Ich schüttelte mich und hetzte in den Wald. Irgendwo da hatte ich einen Weg gesehen, auf dem ich dort hin kam, wo der junge Rüde hingelaufen war. Es war interessanter jemanden zu folgen, der wegen einer Gefühlsregung davon gelaufen war, als bei welchen zu sein, die kaum Gefühle zeigten. 
Ich wollte nicht erahnen müssen, was mein Gegenüber von mir will, sondern es wissen. Also hetzte ich so schnell ich konnte dem jungen Rüden nach. Ich roch die anderen noch, aber vielleicht hatten sie es nicht so eilig oder schlugen eine andere Richtung ein. Ich beeilte mich noch mehr, spürte meine Beine kaum noch, bis ich beinah über den Körper am Erdboden stolperte. 
Bevor ich mich bremsen konnte und mit dem jungen Rüden kollidierte, drückte ich mich vom Boden ab und sprang in einem Satz über den Körper. Ein paar Rutenlängen weiter kam ich zu stehen und warf einen Blick zurück. Da lag er. Im Laub, das vom Herbst geblieben war. Ein Winseln kam mir über die Lefzen und ich streckte meinen Kopf gen Boden.


x erst bei Rúna & Tyss / dann bei Kimya x


RE: Passus VII - Die erste Jagd - Kimya - 07.05.2016

wusch – wusch – wusch
Das Herz sauste in meinen Ohren, mit einem immer wieder schlagenden lauten wusch.
Mir war übel. wusch. Ich bekam keine Luft. wusch.  Hitze überkam mich. wusch. Irgendetwas schien meinen Kopf von außen zerdrücken zu wollen, so sehr schmerzte er. wusch. Pure Verzweiflung und Angst packte mich im Nacken und drückte mich zu Boden. wusch. Eine Welle der Kälte drang über mich ein und es fröstelte mich.
Und dann spürte ich erst den Schmerz in meinem linken Vorderlauf. Einen Schmerz, der daher rührte, da ich auf meinem eigenen Lauf kaute. Ich kaute tief in mein Fleisch herein - es blutete schon längst, doch das schmeckte ich nicht - um all die anderen Empfindungen zu verdrängen – und Schluss endlich gelang es mir. Das rauschen in meinen Ohren ließ nach und damit verging auch der Rest. Bis auf die Kälte Verzweiflung und die Kälte, die mich am Boden hielt.

Tränen rannen ungebremst aus meinen Augen. Ich merkte es nicht ein Mal. Es gab keine Gedanken, den ich richtig fassen konnte. Bis sich plötzlich ganz kurz der Himmel über mir verdunkelte. Irgendetwas griff mich an!
Instinkt – etwas anderes konnte es nicht sein – riss mich aus der Starre und ich sprang auf. Bedrohlich kläffend, winselnd und kurrend zugleich baute ich mich auf und ging sogar einen Schritt auf das Etwas zu, das über mich gesprungen war. Aufgestelltes Fell, von Nacken bis zur Rute. Größer, als ich je in meinem kurzen Leben war!
Doch dann erkannte ich ihn. Der Rüde, der bei dem Toten war und sein Klagelied gesungen hatte – weswegen wir die Beiden sofort gefunden hatten. Mit der Erkenntnis schwand meine Kraft auch wieder so schnell, wie sie aufgekommen war.
Ich sah in ihm keine Gefahr. Es war dumm, sicherlich. Würden Skadi und Tamias das sehen, wäre der nächste Einlauf angesagt. Heute war der Tag, an dem ich wohl alles vergessen hatte, was mir je gelehrt wurde. Seine Haltung und sein Winseln spendeten mir in diesem schrecklichen Moment Trost. Trost, den ich so sehr brauchte.

“Ich – ich hab noch nie – einen Toten  gesehen!“

Stotterte ich schluchzend. Immer wieder rang ich mit schnoddriger Nase nach Luft.

“Was soll ich denn jetzt tun?“

Es sprach die pure Verzweiflung in mir. Ich verstand nichts mehr. Alles in mir war verkehrt und ich konnte die einfachsten Dinge nicht sehen, oder äußern. Die richtige Frage wäre gewesen: Warum tut es mir so weh? Oder: Wann hört es auf?
Und dann vergaß ich selbst Runas Anweisungen, die nur wenige Augenblicke her war: Niemanden zu berühren. Ich weiß nicht, wie meine zittrigen Läufe mich zu dem Fremden geführt hatten, aber ich fand mich zitternd an seine Beine geschmiegt wieder. Wenn ich hoch sehen würde, würde sein Brustfell gerade an meiner Nase kitzeln – so groß war er. Oder so klein war ich noch. Viel zu klein und zu jung, um mit diesem schrecklichen Bild alleine fertig zu werden.

[Befindet sich in einem Schockzustand | Schmiegt sich hilfesuchend an Erasmus, als dieser auftaucht]


RE: Passus VII - Die erste Jagd - Skadi - 08.05.2016


Spielleitung für Tamias - Ausstieg

Nur mit viel Überwindung war der Rüde lange ruhig geblieben. Es war ein tiefer Groll, der immer mehr in ihm aufkeimte. Die herrischen Anweisungen von Skadi machten ihn rasend. Niemand sollte ihm sagen, was er zu tun oder zu lassen hatte.
Als Skadi erneut nachdrücklich sagte, dass nun alle gehen sollten, brannten bei ihm die Sicherungen durch. Er sprang auf sie zu, biss in ihren Nacken und drängte sie mit seinem Gewicht zu Boden. Skadi allerdings wehrte sich. Damit hatte Tamias nicht gerechnet. Für diese wenige Masse, die die Fähe hatte, war sie erstaunlich stark und wendig. Allerdings hatte sie nicht ansatzweise eine Chance es mit dem Rüden auf zu nehmen.
Skadi biss um sich, teilte einige kleine Wunden aus, verteidigte sich und wich aus. Der Rüde hingegen wollte die Fähe einfach nur dominieren und kämpfte brutal: Er attackierte immer wieder den Nacken - aus dessen Griff sich Skadi jedoch immer wieder winden konnte - und schlussendlich Packte er ihren Hinterlauf, biss tief in den Muskel - Skadi jaulte schmerzerfüllt auf - und riss sie mit einem Ruck zu Boden. Mit dem Kopf voran fiel sie zu Boden und rührte sich nicht mehr zu einem Gegenangriff.
Damit war der Kampf so schnell beendet wie er begonnen hatte.

Tamias wandte sich Chu zu.
"Ich bleibe bei Melf und hole Runa wenn es sein muss. Warte nicht auf mich"

Sagte er durch den Kampf viel zu energisch und schnaufend. Dann stupste er die junge Fähe mit seiner Nase unter die Schnauze. Er verteilte unbeabsichtigt Blut von Skadi in Chus Fell.
Und dann kehrte er, wie kurz zuvor Melf, der Gruppe den Rücken und rannte über die Brücke.

Skadi war in der Zeit schwer atmend aufgestanden und sah dem Rüden mit wütenden Augen hinterher. Den Hinterlauf angezogen. Blut tropfte auf den Boden. Ihr Nacken wies ebenfalls Fellrötungen auf.




RE: Passus VII - Die erste Jagd - Chu - 15.05.2016

Irritiert presste ich meine Ohren fest an den Hinterkopf. Ich verstand nicht, was Skadi uns jetzt sagen wollte. Sie hatte uns lieb? Irgendwie hatte ich nie das Gefühl gehabt, dass wir ihr besonders nahestanden. Im Gegenteil hatte sie uns eher spüren lassen, dass wir nicht gut genug waren und alles falsch machten. Oder hatte ich mich etwa so sehr in ihr geirrt? Wenn wir ihr so wichtig waren, war das jedenfalls eine ziemlich seltsame Art, uns das zu zeigen. Ich war allerdings nach wie vor nicht dazu bereit, Melf einfach aufzugeben und zu gehen. Egal wie sehr Dekaja zu vermitteln und erklären versuchte, für mich lief es doch nur auf eines hinaus – dass unser Leben scheinbar wichtiger als das der Hunde war. Dass niemand sonst zu Schaden kommen durfte. Dass Melf das verstehen und sogar gutheißen würde und deshalb seine Entscheidung getroffen hatte. Ich sah das allerdings anders – Melf war ein kleiner Hund, der sich nicht nur um seinen Freund sorgte, sondern selbst vermutlich Todesangst hatte. Denn ich wusste genau, wie wir aus seiner Perspektive wirkten, ich, die ich selbst kein richtiger Wolf war. Wölfe waren riesengroß und wild und furchteinflößend und das alles hatten wir ihm zur Genüge demonstriert, indem wir uns gegenseitig ankeiften und uns stritten, anstatt an einem Strang zu ziehen. Es war die feindselige Stimmung, die ihn verscheucht hatte. Der offensichtliche Unwille, ihm zu helfen, der einen Keil in das Rudel zu treiben drohte.

„Melf ist weggerannt, weil er Angst hat! Weil er gemerkt hat, dass wir ihm gar nicht wirklich helfen wollen!“

Sie hatten ihm Angst gemacht. Es war einfach so schrecklich unfair. Meine Stimme war zum Ende hin immer leiser geworden, aber sie bebte nach wie vor. Vor Empörung, aus Mitleid, aus Angst, ich wusste es selbst nicht mehr. Nur dass das alles hier ganz furchtbar falsch lief, das wusste ich. So hätte es nie kommen dürfen. Hilfesuchend presste ich mich fest an Avis und suchte dabei wieder und wieder Tamias‘ Blick. So lange er hier war, würde ich mich nicht von der Stelle rühren. Er hatte es mir doch versprochen! Er hatte versprochen, dass er sich um uns und Melf kümmern würde, dass alles wieder gut wurde! Zitternd und hilfesuchend blickte ich zu ihm empor. Als er sich schließlich rührte, spitzten meine Ohren erwartungsvoll nach vorn, nur um sich gleich darauf wieder ganz fest an den Hinterkopf zu pressen. Denn plötzlich brach im wahrsten Sinne des Wortes die Hölle los. Ich quietschte entsetzt, als er sich plötzlich Skadi packte, doch erst an dem wilden Gebaren der Fähe erkannte ich, wie ernst die Sache war. An ihrer Stelle hätte ich mich vermutlich winselnd auf den Bauch geworfen und ihn einfach ziehen lassen. Ich verstand nicht, warum sie das nicht auch einfach tat. Bestimmt hätte Tamias sie dann sofort losgelassen? Er war nicht böse oder grausam, das wusste ich. Es war einfach nur ein Streit, der eskaliert war, den man nicht mehr mit Worten lösen konnte. Skadi wollte uns daran hindern, Melf zu helfen, und Tamias kämpfte für uns. Und dann floss plötzlich Blut und es war vorbei. Mit angstvoll aufgerissenen Augen starrte ich zu meinem vermeintlichen Beschützer empor.

„T-Tamias?“, brachte ich lediglich mit erstickter Stimme heraus, die dünne Rute fest zwischen die Hinterläufe geklemmt.

Doch da hatte er sich schon umgedreht und setzte Melf hinterher. Waren Wölfe immer so brutal? Musste das so sein? Ich wollte nicht hier bleiben bei einer ramponierten, blutenden und wahrscheinlich äußerst mies gelaunten Skadi. Nein, ich wollte das alles nicht! Es war einfach falsch, so furchtbar falsch! Das Ganze war mir so unheimlich, dass mein Nackenfell inzwischen steil nach oben stand. Winselnd presste ich mich an Avis, der Einzige, der mir in dieser Situation noch halbwegs normal vorkam und mir Halt geben konnte. Ich wollte hier nicht weg. Ich wollte trotz allem auf Tamias warten.


[Avis, Skadi, Dekaja]



RE: Passus VII - Die erste Jagd - Tryss - 15.05.2016

Mit Argusaugen behielt ich den fremden Rüden im Auge, als Rúna sich ebenfalls dagegen entschied Kimya sofort zu folgen und stattdessen den toten Hund umrundete. Ein Grinsen schlich sich auf die Lefzen des Fremden, als die Fähe sich den Kadaver genauer betrachtete. Ich war ebenfalls wie Rúna zuvor versucht zu grollen, aber ich unterließ es, solange der Fremde nichts tat. Der Rüde machte keine Anstalten sich zu bewegen, stattdessen begann er zu erzählen wie ein Wasserfall. Herrje, der war ja schlimmer als ich! Ich kniff die Augen noch ein wenig mehr zusammen. Hatte er gerade „sie“ gesagt? Was hatte er damit gemeint? Und wo war seine Sippe, wenn sie doch offenbar genesen waren? Mir drängten sich noch einige Fragen mehr auf, aber dieser Tag war offensichtlich nicht dafür prädestiniert ein Tryss-Frage-Tag zu werden. Und dieser Kerl war mir viel zu suspekt, als dass ich ihn ausfragen konnte. Immerhin schien er schnell begriffen zu haben, dass er nicht erwünscht war. Als Rúna ihre augenscheinliche Untersuchung beendet hatte und zum Gehen rief, suchte er schwafelnd ebenfalls das Weite. Das konnte uns nur recht sein, so mussten wir uns nicht auch noch um einen Fremden kümmern zu allem Durcheinander, das es ohnehin schon gab.

„Wie schlimm ist es?“ fragte ich leise, als ich mich umgewandt hatten und an Rúnas Seite mit schnellen Schritten begann Kimya zu folgen. Ich warf ihr einen ernsten Blick zu, der keinen Zweifel daran ließ, dass ich die Wahrheit sehr gut vertragen konnte – egal wie furchtbar sie sein mochte. Ich unterdrückte den Drang ein „Siehst du, ich wusste doch, es war ein Fehler sie allein gehen zu lassen“ hinterher zu schieben. Jetzt war nicht die Zeit für Anschuldigungen oder Rechthabereien – auch wenn es mir ein wenig Genugtuung verschafft hätte, vor allem wenn wir später Skadi und den anderen wiederbegegnen würden. Wir waren bereits einige Meter weit voran gekommen, Kimyas Witterung wurde stärker und nach wenigen Augenblicken tauchte auch schon seine Gestalt vor uns auf. Wie erstaunt war ich allerdings, als er nicht allein war. Der Fremde war bei ihm – wie hatte er es vor uns hierher geschafft, wo er doch gar nicht in diese Richtung gelaufen war? Hatte er uns absichtlich umgangen, um an Kimya heranzukommen? Ein Grollen drang aus meiner Kehle, wie zuvor aus Rúnas und ich hastete zu den beiden Rüden. Die Lefzen entblößt rammte ich den Kopf nach vorn gerichtet frontal in die Schulter des Fremden, sodass durch den Rückstoß etwas Abstand zwischen ihm und Kimya geschaffen werden würde. Ein leichter Schmerz durchzuckte meinen Kopf, aber ich ignorierte ihn. Den jungen Wolf zu beschützen, der zu mir gehörte, war wichtiger als die furchtbarste Qual der Welt. Stattdessen entblößte ich erneut meine Zähne, zog die Nase kraus und richtete die Ohren drohend nach vorn.

„Was willst du von uns, Fremder? Welche Absicht verfolgst du dich an verletzte Jungwölfe heranzuwerfen?“

Knurrend trat ich einen weiteren Schritt nach vorn, um noch mehr Abstand zwischen den Rüden und Kimya zu bringen. Dass dieser nur Trost bei dem Fremden gesucht hatte, entging mir.

[Erst Rúna, dann noch Kimya und Erasmus]


RE: Passus VII - Die erste Jagd - Avis - 17.05.2016

Die Zeit war wie in Sand gegossen. Egal was kam, ich wollte keinesweg mit Skadi und Dekaja zurück gehen. Es würde bedeuten ein Leben zurück zu lassen, es käme mir vor wie der schlimmste Verrat. Irgendwie kamen mir momentan alle vor wie Verräter, setzten ein Leben über das Andere. Werteten ein Leben gegen ein Anderes und zwangen zu Entscheidungen, die jeder selbst treffen musste. Einzig Chu war ein Lichtblick und wäre sie nicht direkt neben mir, wäre ich sicher über Skadis Befehl hinweg hinter Chu her. Chu versuchte nochmal ein Appell an die Vernunft, aber ohne Erfolg. Mein Herz hatte sich etwas beruhigt, inzwischen hatte ich eher eine lauernde Haltung, man könnte es auch Ruhe vor dem Sturm nennen, auch wenn er eben erst aus mir hervor gebrochen war, geklärt war nichts, die Fronten eher verhärtete. Neben mir konnte ich Chus Herzschlag spüren, schnell.

Ich drehte meinen Kopf und aus der Bewegung heraus sah ich plötzlich Tamias vorschnellen. Tami, der die ganze Zeit über wütend und still gewartete hatte. Ich hatte noch nie gesehen wie ein Wolf voller Wut einen Anderen angriff, jetzt sah ich es. Ich zuckte zusammen, genau wie Chu und bevor ich überhaupt realisieren konnte was passierte, sah ich Blut. Knurren, Zähne. Er würde Skadi töten, ja in diesem Moment hatte ich gedacht er würde Skadi töten. Dabei waren sie doch immer zusammen und jetzt? Avis bekam Angst, ein machte einen Schritt, als würde er automatisch Chu abschirmen und etwas aus der Schussbahn drängen. So schnell wie es begonnen hatte, war es vorbei. Tamias kam direkt auf uns zu, so hatte ich ihn noch nie gesehen. Wut. Der ganze Wolf bestand aus Wut und Zorn. Er war gar nicht er selbst, er wirkte gefährlich und zu allem entschlossen. Dann stand er vor Chu, stupste sie an und ging weiter. Er wollte Melf helfen, zu allem entschlossen. Ich starrte ihm hinterher, fassungslos und voller Angst. War ich wie er. Ich hatte auch so eine Wut in mir, hätte ich Skadi auch verletzt wenn ich etwas mehr Kraft gehabt hätte? Wäre ich auch so. ich legte meine Ohren an und wenig erwachsen entwich meinem Fang ein Wimmern. Ich drückte mich an Chu, sah ihr rotes Fell, scharlachrot. So falsch. Ohne nachzudenken fuhr meine Zunge in ihr Fell, einerseits um mich selbst zu erden, um sie zu beruhigen, andererseits weil ich das Blut da weg haben wollte. Es gehörte nicht auf Chu, niemals.

Ich schmeckte es auf meiner Zunge, eisern, anders, falsch. Kein Wolf sollte es schmecken, niemals. Ich hatte fast Angst mich wieder in Skadis Richtung zu drehen. Ich musste schlucken und nahm all meinem Mut zusammen, dann wendete ich meinen Kopf, sag die Fähe stehen, allerdings sah sie nicht gut aus. Ihr Pelz war rot, ihre Miene schmerzverzerrt. Mein Instinkt wollte, dass ich zu ihr ging, aber nein, dazu war zu viel passiert, ich konnte mich nicht bewegen, ich starrte sie nur an, mit bebenden Pfoten ohne mich auch nur einen Zentimeter zu bewegen, konnte nicht verstehen was hier gerade eben passiert war.

[steht fassungslos neben Chu, starrte Skadi an]


RE: Passus VII - Die erste Jagd - Rúna - 19.05.2016

Überrascht verfolgte ich, wie der fremde Rüde davon stürzte, sah mit fragendverwirrtem Blick zu Tryss zurück und setzte den begonnen Weg schließlich fort. Nur wenige Schritte dauerte es, da war der Rüde wieder an meiner Seite und stellte mir die eine Frage, die ich mir selbst nicht beantworten wollte. Doch Tryss ernster Blick zwang mich dazu, mich den Tatsachen zu stellen.

„Sollten Kimya, Avis und Chu krank werden, sieht es nicht gut aus. Auch wenn sie schon groß sind, sind sie noch immer kleiner als wir und ich weiß nicht ob ihre Körper gegen solch eine Krankheit stark genug sind…. Wenn sie erkranken, werde ich tun was ich kann, um ihnen zu helfen, aber den Kern der Krankheit können sie nur selbst bekämpfen…“

Gab ich ihm schließlich die ehrliche Antwort. Ich war mir sehr sicher, was für eine Krankheit die Hunde und ihren Herren dahin gerafft hatte, obgleich ich sie niemals an Hunden oder Menschen erlebt hatte. Die einzelnen Nuancen der Gerüche stimmten jedoch mit dem überein, was meine Großtante mir beigebracht hatte und was ich selbst einst an toten Nagetieren gewittert hatte.

Während des Laufens schüttelte ich kurz meinen Kopf, um die ebenso hilf- wie nutzlosen Gedanken aus diesem zu vertreiben. Wachsam waren meine Ohren nach vorn gerichtet und schließlich kamen Kimya und der fremde Wolf in Sicht.

„Was…“

Konnte ich noch herausbringen, da stürzte Tryss bereits an mir vorbei und rammte dem Fremden seinen Kopf in die Seite um ihn von Kimya zu vertreiben. Doch das Bild das noch kurz zu vor intakt gewesen war, hatte nicht bedrohlich gewirkt, falsch ja, aber hatte sich Kimya nicht eher an den Fremden geschmiegt? Schutzssuchend?

„Kimya…?“

Kam nun auch ich langsam näher und sah den jungen Rüden fragend, verwirrt an und irgendwo dahinter verbargen sich auch noch immer Schmerz und Sorge. Kurz flog mein Blick zurück zu den größeren Rüden, ehe er wieder auf dem Jüngeren landete.

„Wie geht es dir?“,

fragte ich ihn leise mit sanfter Stimme als ich mich bis auf eine kleine Hasenlänge genähert hatte. Auch konnte ich nicht anders, als in seine Richtung prüfend zu wittern. Konnte ich bereits etwas wahrnehmen?

[folgt mit Tryss zu Kimya und Erasmus]


RE: Passus VII - Die erste Jagd - Erasmus - 20.05.2016

Nachdem ich über den Wolf gehetzt war, war ich nur mühevoll zum stehen gekommen. Ich war einfach zu schnell unterwegs gewesen, aber ich wollte wissen, was mit dem jungen Wolf war, ehe es die beiden anderen tun konnten. Irgendetwas hatte mich gepackt und ich musste unbedingt meinem Instinkt folgen. 
Ich stand also auf dem Boden und ordnete mich erst einmal, schüttelte mir die aufgewirbelten Blätter aus dem Fell und fuhr mir mit der Zunge über die Lefzen, als der junge Wolf auf einmal aufsprang. 
Gott, man konnte ihn nicht wieder erkennen. Er war vollkommen starr und fixierte mich. Sein ganzer Körper zitterte vor Anspannung und seine Zähne waren gebleckt. Zu allem Übel knurrte der Kleine auch noch. Etwas erschreckt legte ich die Ohren an und bäumte mich auch langsam zu einer Angriffshaltung auf. Ich würde zwar nicht angreifen, aber vielleicht machte ich ihm so etwas Angst.

Irgendwie war es aber nicht weiter nötig mich aufzurichten, meine Brust raus zu stecken und ihm mein Gebiss zu zeigen, weil er mit einem kurzen Satz auf einmal bei mir stand, sich an mich schmiegte und etwas in meinen Pelz faselte, von wegen, dass er nicht wüsste, was zu tun sein und er hätte und noch nie einen Toten gesehen hatte.
Wir hatten doch alle schon Tote gesehen. Wir ernährten uns von Totem, aber das war vermutlich etwas anderes, oder? Ich verwarf den Gedanken wieder. Jetzt war kein Moment für dumme Gedanken, ich musste dem Kleinen irgendwie helfen. 

"Weißt du, du musst das erst einmal auf dich wirken lassen. Das geht vorüber. Leben und Tod liegen immer nah aneinander und wer weiß, vielleicht tollt dieser Hund ja mit dem Rudel der Ewigkeit durch die Wolkenberge. Mein Paps ist auch da. Dem Hund wird es gut gehen, glaube mir!"

Ich hatte meinen Kopf erst leicht auf den des Jungwolfes gelegt und begann nun ihn liebevoll zu lecken. Das war ein Zeichen von Zuneigung. Meine Mutter hatte das auch immer gemacht, wenn wir schlafen sollten. Vielleicht hatte seine Mama das auch gemacht und er wurde so etwas ruhiger. Möglich wäre es. Ich lächelte sanft und sagte dann:

"Ich sollte dich zu deinem Rudel bringen, damit du etwas schlafen kannst, du bist vollkommen erschöpft und das ist -"

Mir wurde die Luft abgeschnitten. Ich brach vollkommen im Satz ab und spürte nur, dass meine Schulter und ein Teil meiner Brust schmerzen. Irgendetwas hatte mich brutal zu Boden gestoßen, weg von dem kleinen Rüden. 
Dieses Mal rappelte ich mich nicht auf, sondern sprang auf alle Viere, knurrte und blickte den Rüden nur hasserfüllt in die Augen, während er mich anknurrte. Mein Fell stand struppig von meinem Körper ab und nun zitterte ich vor Anspannung. Geräuschvoll entließ ich die Luft durch die Nase, als ich die Worte des Rüden hörte.

"Ich bin selber ein Rüde!"

Das war erst einmal das Wichtigste!

"Und heranwerfen? Er ist doch mich angesprungen. Wenigstens kümmere ich mich um eure Welpen, anstatt sie sich selbst im Wald zu überlassen! Daran mal gedacht? Der Kleine hätte tot sein können. Bären, Wildschweine die schlecht gefrühstückt haben oder Menschen, nah, wobei.. Letztlich hab ich deine Aufgabe gemacht. Ich war für ihn da. Du solltest dich mal bei mir entschuldigen!"

In all der Hast hatte mein Mund Worte geformt. Erst im Nachhinein begriff ich, dass ich zu viel gesagt hatte. Ich war selber wie ein Hund. Plappern, wenn es kompliziert wurde. 
Meine Haltung veränderte sich. Ich stand nicht mehr da, als würde ich angreifen wollen. Ich hatte die Pfoten nach vorne gestreckt und berührte mit der Brust fast den Boden. Meine Hinterteil deutete nach oben. Angriffslustig. Vielleicht wollte der Miesepeter auch nur spielen, hm?

Aus dem Augenwinkel beobachtete ich die Wölfin, die den Jungwolf etwas fragte und näher gekommen war.

(Tryss, Runa und Kimya)


RE: Passus VII - Die erste Jagd - Kimya - 21.05.2016

Es waren nicht unbedingt die Worte, die mich trösteten. Die Worte waren zwar fürsorglich und gut gemeint, aber in diesem Schock-Zustand erreichten sie mich nicht. Allerdings war es die Nähe und seine fürsorgliche Zunge, die mein Köpfchen streichelte, wertvoller Trost für mich. Die Tränen versiegten und mein Puls beruhigte sich.
Als er wieder anfing zu reden, sah ich zu ihm auf. Und plötzlich, mitten im Satz, flog er von mir. Ich geriet kurz ins Stolpern, da ich mich an ihn gelehnt hatte und sein Halt abrupt abriss. Nicht nur körperlicher sondern auch der seelische Halt, den er mir geboten hatte wurde zerrissen und das geborgene Gefühl der Sicherheit schwand. Automatisch hatte ich mein Nackenfell aufgestellt und die Lefzen angezogen, noch ehe ich Tryss als den 'Übeltäter' entdeckte. Mit fragenden Augen sah ich zu ihm auf, als er erbost den Fremden anknurrte. Ich verstand nicht, warum Tryss so böse war!
Dann tauchte Runa in meinem Blickfeld auf und ich kam ihr einen zögerlichen Schritt entgegen, als sie meinen Namen sagte.
Bittend sah ich sie an. Sie musste das beenden!
Und dann fragte sie wie es mir ging.

"Ich, mir, ich"

Stotterte ich. Wie ging es mir? Schrecklich. Hin und her gerissen. Ich hatte Angst, war verschreckt, war wütend. Es waren zu viele Empfindungen auf ein Mal, die ich gar nicht richtig benennen konnte!

"Er hat nichts falsches getan, Runa, er hat mir geholfen!"

Sagte ich dann, und blickte zu dem Fremden, der Tryss entgegen trat und ihn 'schlechten Umgang mit uns Welpen' vorhielt.

"Die sollen aufhören!"

sagte ich dann wieder an Runa gerichtet, jedoch mit etwas festerer und lauterer Stimme als zuvor.

[Bei Erasmus | Spricht mit Runa, als sie und Tryss auftauchen]



RE: Passus VII - Die erste Jagd - Dekaja - 25.05.2016

Hilflos. Ich fühlte mich hilflos. Die Stille, die folgte, die Blicke, die von den Jungwölfen kam, zerriss mich fast, weil ich wusste, dass meine ganzen Worte nicht genug Verständnis gesät hatten. Ich wünschte mir in diesem Moment so sehr, das Tryss mitgekommen wäre. Vermutlich wäre das mit Avis noch schlimmer geworden, aber ich brauchte das dichte Fell so sehr, in das ich meine Schnauze einfach drücken konnte, um mich vor der Welt zu verstecken. Niemals hätte ich gedacht, dass die erste Jagd der Welpen so eskalieren könnte…dass es das Rudel so sehr spalten könnte. Und niemals hätte ich gedacht, dass mich das Ausbleiben einer Antwort oder Entgegnung so sehr treffen könnte, aber das tat es.

„Das…glaube ich nicht, Chu. Er hat doch gemerkt, wie viel euch daran liegt….er wollte nur auch vermeiden, dass es zu unnötigen Schaden kommt. Bitte, Chu. Glaube mir…wir wollen ihm helfen! Aber das möglichst schonend ohne weitere Tode! Ich…weiß nicht, wie ich es noch erklären soll…ich habe selbst wahnsinnige Angst...“,


hauchte ich, diesmal weitaus leiser als noch zuvor, als nähme mich die Situation gleichermaßen mit, bis ich erschrocken zusammenzuckte, als ich spürte, wie Tamias zu explodieren schien. Aber…aber was machte er denn da? Skadi! Ich spürte einen eiskalten Schauer meinen Rücken hinunterlaufen, als ich das Blut in ihrem Fell sah. Meine Pfoten zuckten deutlich…ich wollte eingreifen. Nie hatte ich erlebt, wie jemand…wie sogar Tamias so brutal und aggressiv vorgehen konnte. Wieso tat er das? Erst, als Skadi sich nicht mehr rührte, hörte er auf.

„Wieso…wieso hast du das getan?“,

hauchte ich zittrig. Ich wusste in diesem Moment nicht mehr, was ich denken sollte, was ich von Tamias zu halten hatte. Erst die Tatsache, dass er sich konsequent aus Entscheidungen heraushielt und jetzt seinen eigenen Weg ging und gegen Widerworte vorging. Das war nicht der Tamias, den ich kannte. Er war ruhig…und besonnen…sicher auch dominant, aber nie in dieser Form. Zittrig taumelte ich zu Skadi und stupste sie an, leckte das Blut aus dem Fell.

„Ist…ist alles in Ordnung mit dir…? Es tut mir so leid…“,


hauchte ich. Ich hatte in diesem Moment große Angst vor Tamias bekommen...Angst, die so nie dagewesen war. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte…ich war so sprachlos von den Ereignissen der letzten Sekunde, dass ich nichts tun konnte außer nah bei Skadi stehen zu bleiben. Dieser Vorfall hatte einfach alles erschüttert. Sicher gehörte es auch zu einem Leben als Gemeinschaft, Regeln klar zu stellen…aber nie so…so etwas wollte ich nicht mehr erleben. Ich war selbst starr vor Schreck in diesen Sekunden, unfähig zu reagieren.

[Avis, Chu, Skadi]