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Passus VII - Die erste Jagd - Druckversion

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RE: Passus VII - Die erste Jagd - Melf - 18.03.2016

Als dieser riesige Rüde, der offensichtlich zum Rudel von Avis und Chu gehörte, noch nichts sagte, war er mir lieber gewesen. Zwar hatte nur seine Anwesenheit mit schon in Furcht und Schrecken gebracht, doch deine Worte ließen mich erstarren. Er drohte der Fremden mit dem Tot, wenn sie böses im Schilde führte. Mir gegenüber war er zwar nicht so böse gesinnt, aber auch nicht gerade die Freundschaft in Person. Und seine Stimme und die Autorität die er damit untermalte reichte aus um seinen Vorschlag nicht gut zu finden. Chu hingegen belohnte ihn mit seinem Plan mit Zuneigung. Aber ich wollte nicht mit ihm auf die Suche der Menschenkinder gehen. Der Gedanke, dass er mir etwas antun würde hatte sich in meinem Kopf festgebrannt. Die anderen Wölfe sollten freundlicher sein, vielleicht sollte dann einer der anderen einfach mitkommen und dieser Rüde hier bleiben!
 
Die anderen Wölfe ließen nicht lange auf sie warten. Zwei Fähen waren es an der Zahl. Und die, die zuerst sprach, war mir alles andere als freundlicher gesinnt. Meine Rute zog sich immer enger  an den Bauch.  
"[...]Ohne den Hund!"
Der Rüde ging gegenan. Er wollte keine Befehle entgegen nehmen. Wollte seinen Plan nicht umwerfen lassen. Doch dann sprach die zweite Fähe, diplomatischer. Einfühlsamer. Sie erzählte davon, dass ich krank sei. Dass ich ansteckend sei. Und wahrscheinlich hatte sie Recht damit! Jedenfalls wollten beide Fähen mich auf Abstand, das zeigten sie deutlich. Und sie redeten von einer Runa. Runa, die heilen konnte? War das der Wolf, den auch Kimya gesucht hatte?
Es war mir kurz egal. Momentan waren es mir eindeutig zu viele Wölfe, die um mich standen. Und die Gewissheit, dass ich nicht hier stehen würde, wenn ich nicht krank sein könnte, schlich sich in meine Knochen. Die Angst sich bei mir an zu stecken war gerade mein größter Schutz. Schutz, der mir den Mut gab wieder zu sprechen.
 
"Ich."


Kratzig klang meine Stimme. Erstickt. Ich räusperte mich und setzte noch in Mal an.
 
"Ich kann alleine weiter gehen, dann gefährde ich keinen von euch!"
 
Um meiner Aussage mehr bedeutung zu untermalen, ging ich nun - mit guten Abstand - an Avis vorbei. Ich sah zu der Fähe hoch, die am Brückenende stand, auf dessen Höhe ich nun war. Kurz hielt ich inne, um ihr die Zeit zu geben Platz zu machen. mir aus zu weichen. Von mir zu weichen.
 
"Ich werde mich auch von den Kindern fern halten, solange ich mir nicht sicher bin, dass ich für niemanden eine Gefahr bedeute!"
 
Mit den Worten sah ich zu der letzten Fähe (Dekaja) die zu diesem Platz gekommen war.
Dann ging ich auf die Brücke. Doch bevor ich zu einem schnellen Lauf ansetzte, drehte ich mich um.
 
"Avis, Chu, ich danke euch beiden! Und Kimya, richtet ihn bitte meine Dankbarkeit aus! Ich werde euch auf ewig dankbar sein."
 
Und dann ließ ich sie hinter mir. Ich rannte einfach los. Auf der anderen Seite der Brücke wusste ich sofort, wo ich lang musste. Die Kinder hatten auffällige Spuren im hohen Gras hinterlassen. Es ist ein ordentlicher Trampelpfad, den ich folgen konnte um die hoffentlich helfenden Hände zu finden.

Auch wenn die letzte Fähe davon gesprochen hatte, dass diese Runa auch mir helfen konnte, so glaubte ich nicht daran. Ich war erleichtert von den Wölfen weg zu sein. Sie waren gefährlich. Wild, aufbrausend und herrisch. So groß und kräftig und nichts schien sie ein zuschüchtern. So, wie es alle Hunde und Menschen bisher berichtet hatten. Doch neben diesen gefährlichen Zügen hatte ich gelernt, dass sie auch hilfsbereit, liebevoll und mitfühlend sind. Allgemein sind sie uns Hunden gar nicht so unähnlich. Das Leben in der Wildnis würde auch jeden Hund zu den harten Zügen zwingen, die den Wölfen nachgesagt werden.
 
[Verlässt die Gruppe um alleine über die Brücke - zu den Kindern - zu gehen]


RE: Passus VII - Die erste Jagd - Avis - 31.03.2016

Ein sonderbares Gefühl stieg in mir auf, als Chu sich an mich schmiegte. Ich konnte es nicht beschreiben, doch es sorgte dafür, dass mein Herz schneller schlug und mein Fang plötzlich staubtrocken war. Wie konnte es nur sein? In so kurzer Zeit hatte sie sich in mein Herz geschlichen und dort eingenistet ohne mein großartiges bewusstes Zutun. Kimya war immer meine Welt gewesen, hatte mir alles bedeutet, alles, während ich mir selbst egal gewesen war. Für mich war nur wichtig gewesen schneller, besser und stärker zu werden um meinen Bruder zu beschützen. Es galt das nicht mehr. Zumindest nicht mehr nur für meinen Bruder wie ich plötzlich erkannte. Chu war mir genauso wichtig geworden. Schnell schüttelte ich kurz den Kopf, denn für Gefühlsduselein war überhaupt keine Zeit. Ich sag Chus Blick, der auf Tamias gerichtet war, hörte Tamis Worte. Eine Tochter. Das hatte ich nicht erwartet, aber wie auch. Der Rüde machte eh alles mit sich allein aus, sein Blick war immer ernst, verbissen. Anders hatte ich ihn nie gesehen. Aber innerlich dachte ich nur, umso besser, eine Tochter würde er hoffentlich mehr beschützen als ein sonstiges „Rudelmitglied“!

Dann kamen die Anderen, wobei es das nicht ganz traf. Skadi kam schnellen Schrittes näher, hinter ihr Dekaja. Nachdem ich Skadis Blick sah versteifte sich meine komplette Haltung und automatisch ging alles auf Abwehr. Sie war noch nicht mal ganz zu uns getreten da sah ich schon Zähne, hörte Knurren und beschissene gebellte Befehle und auch nur einen einziges Wort angehört zu haben oder einen Funken Mitgefühl zu zeigen. In mir brödelte es tief im Bauch, ein Gefühl mit dem ich bestens vertraut war. Zorn. Wut. Hilflosigkeit. Nein, das nicht mehr. Ich war nicht mehr so jung alles aus gegeben hinzunehmen, die Zeit war vorbei! Mein Blick fiel auf Melf, Mitgefühl leuchtete in ihnen, nein, so würde es nicht enden.

Bevor ich meinen Fang jedoch öffnen konnte meldete sich Tami zu Wort, eigentlich genau das sagend, was ich gerade gedacht hatte. Er hörte nicht auf Skadi, im Gegenteil. Ich war irritiert. Irgendwas musste zwischen den Beiden passiert sein seit wir weg waren, nur was? Tami mahnte dann jedoch Chu zum Aufbruch, bis sich Dekaja schnell einmischte. Ihr Ton war sanfter, ganz die übliche Diplomatin, kein Wunder das ich sie mochte. Was sie allerdings von sich gab gab meinem Zorn erst richtig Zunder. Was wäre wenn? Aber es könnte ja sein? Hallo????? Was ging denn hier ab? Mitten in dem ganzen Chaos meldete sich plötzlich deren Verursacher zu Wort. Ich konnte gar nicht so schnell reagieren, wie Melf plötzlich an der Blick war und uns einen Dank nachrief.

„Warte...!!!!“

Ich machte zwei Schritte nach vorn, aber Melf hatte sich umgedreht, sah nicht zurück. Ich war fassungslos und starrte auf Chu, doch nur einen gefühlten Augenblick, dann ließ ich meinen Zorn freien Lauf. Wütig machte ich einen Satz auf Skadi zu, es war mir scheiß egal, dass die Fähe größer war als ich.

„Sag mal hast du sie noch alle?!? Was soll der Scheiß? Ist dir bewusst das Melf NICHTS, aber auch gar NICHTS getan hat? Er hat Hilfe gebraucht!!! Wir konnten ihm Hilfe geben? Was gibt dir das Recht unser Leben, oder dein beschissenes Eigenes über das eines anderen Lebewesen zu stellen???? Ist er weniger wert als du oder ich oder irgendjemand hier, weil er ein Hund ist? Denkst du er hat sich das ausgesucht? Denkst du er hat sich ausgesucht den einzigen noch lebenden Begleiter wahrscheinlich zu verlieren???? Oooh dann haben wir uns angesteckt! Ist dann aber eine gute Art zu sterben, wenn man stirbt weil man jemanden geholfen hat! Vielleicht solltest DU eher an dieser Krankheit verrecken! Das du kalt bist war mir immer schon klar, aber das du keinerlei Mitgefühl hast nicht!
Vielleicht solltest du überdenken worauf es im Leben ankommt. Wegrennen? Angst haben? Du bist erbärmlich und ich lasse mich weder von dir, noch von sonst Jemanden hier rum kommandieren wenn ihr euch alle benehmt die der Dreck der unter meinen Pfoten klebt. Ihr sagt wir sind Welpen? Wir müssen ach sooo viel lernen? Was bitte schön seit ihr dann? Was bitte habt ihr gelernt? Was für eine Show zieht ihr hier ab?“


Meine Stimme war praktisch mit jedem Wort lauter geworden, meine Zähne deutlich zu sehen. Ich wusste wahrscheinlich nicht mal was für Worte mein Maul verließen, aber ich war zornig und wütend. Mein letzten Wort drehte ich mich um, brauchte Abstand und drückte meine Schnauze in Chus Bauchfell und atmete tief durch.



[bei Tami, Chu, Skadi, Deka und April, ist stink sauer und macht seienr Wut ordentlich Luft]


RE: Passus VII - Die erste Jagd - Kimya - 10.04.2016

Als Tryss zu mir sprach, sah ich mit hängenden Ohren zu ihm auf. Er erklärte mir, wie stark Dekaja war und das sie mit Runas Hilfe alles schaffen würde. Ich schloss die Augen und nickte dankbar für die Worte. Auch wenn sie mir nicht den Trost spendeten den ich mir wünschte, sie halfen mich zu beruhigen. Und dann mussten wir los. Mir wurde keine Zeit gelassen zu erklären, dass ich überfordert war und an liebsten nur noch hier liegen wollen würde. Und um ehrlich zu sein wagte ich auch nicht zu widersprechen
'Vor allem nicht, weil sie meine Fehler begradigen. Da muss ich mithelfen.'
Tryss war an der Spitze und führte uns mit einem schnellen Lauf zu dem Ruf des Fremden. Tamias Stimme war kurz bevor wir los gelaufen waren auch erklungen. Aber es stand nicht zur Debatte, dass wir diesem Folgen würden. Schließlich waren Dekaja und Skadi schon auf dem Weg zu ihm. Und wir liefen ohne Zeit zu verlieren weiter. Runa war zu mir gekommen und hatte mir gesagt, dass ich auf meinen Körper horchen solle. Und ihr sofort Bescheid geben müsse, wenn es mir schlecht ginge.
Oh, und wie schlecht es mir in diesem Moment ging - aber das meinte sie nicht

Die Sonne hatte sich inzwischen hoch an den Himmel gekämpft. Während wir noch im fast dunklen los gegangen waren, so war der Tag nun längst angebrochen und bald würde die Mittagshitze schon einbrechen. Mit der Wärme schien auch der Geruch sich zu verändern. Denn er stieg mir schnell in die Nase und er war irgendwie erdrückender und gefährlicher als am Morgen gewesen. Vielleicht auch, weil ich nun wusste, dass er wirklich gefährlich war.
Und irgendwann wurde der Geruch fast unerträglich. Wie konnten Avis, Chu und ich nur die Gefahr darin nicht erkennen? Wie konnten wir es nur aufregend finden und danach suchen?

Als wir dann auf der Lichtung ankamen, da war es nicht nur der Gestank, der mir die Tränen in die Augen schießen ließ. Es war auch nicht der fremde Wolf, dessen Blick so traurig war, wie ich ihn noch nie zuvor bei Jemanden gesehen hatte, der ausgewachsen war. Es war der Hund, der auf dem Boden lag. Regungslos, mit heraushängender Zunge und offenen, gebrochenen Augen. Der Brustkorb und Bauchraum viel zu mager - und ohne Atmung und ohne Puls.
Meine Atmung wurde schnell und flach. Meine Knie begannen zu zittern und fühlten sich so schwach an, als wollten sie mich nicht mehr halten. In Meinem Kopf rauschte der Puls und mir wurde schwarz vor Augen und im selben Moment kam die Übelkeit in mir auf. Ich blieb hinter Runa und Tryss, trat von einer Pfote auf die andere. Immer wieder wandte ich den Blick ab, doch dann sah ich wieder hin. Bis irgendwann die Tränen aus meinen Augen flossen und ein angsterfülltes, panisches Winseln aus mir drang.

Ich kam nicht Zurecht mit dem, was ich sah. Und ich konnte mich in kein Fell kuscheln und mich trösten lassen, weil ich Abstand halten musste.
Weil ich vielleicht auch das habe, was den Hund getötet hat!

Ohne mich zu entschuldigen oder zu erklären machte ich kehrt und rannte fort. Aber ich schaffte es nicht weit. Ich hatte keine Luft mehr - keine Kraft. Ich brach einfach zusammen und blieb mitten im Wald liegen. Ich konnte die Tränen nicht in mir halten und weinte laut um den Hund den ich nicht kannte. Aber ich wusste, das Melf nun ganz alleine war. Und ich hoffte, dass es Mama besser ergangen war.
Ein Schmerz schien mich von Innen zerfressen zu wollen. Ich merkte nicht, wie ich mir selbst in die Vorderläufe biss, um dem inneren Schmerz eine Ablenkung zu bieten.

[Folgt bis zum Totenlager | Erleidet einen Schock bei dem Anblick des Toten und läuft weg bis er zusammenbricht]


RE: Passus VII - Die erste Jagd - Erasmus - 11.04.2016

So ziemlich alles tat mir weh, furchtbar weh. Als erstes fiel mir auf, dass mein Kopf weh tat. Es war ein ziemlich pochenden, nerviger Schmerz, der mich erst wütend werden ließ und schließlich aggressiv. Es war als würde mein Verstand aussetzen und etwas in mir die Kontrolle über meinen Körper übernehmen. Aber ich regte mich nicht. Dieses brutale Etwas starrte nur auf das verletzte Tier. 
Ich hatte schon gesehen, wie die Menschen das Leben ihrer Kläffer oder Pferde ausgelöscht hatten, wenn diese nicht mehr von Nutzen und mehr eine Last als ein Ertrag waren. Tiere die zu alt waren, wurden verschont, aber ein junger Hund, der eine Bisswunde von einem Fuchs trug wurde ertränkt, ein Pferd, das sich das Bein gebrochen hatte erstochen. Wäre es dann nicht in dem Interesse dieses Kläffers auch ermordet zu werden. Weil man es so macht? Weil die Menschen sich das Recht einfach nahmen jemanden von möglichen Qualen zu erlösen, bedeutete es nicht, dass ich das auch durfte. 

In dem Moment, in dem ich realisierte, dass ich nicht gezwungen war, dieses bisschen Leben vor mir beenden zu müssen, sank meine Anspannung. Das Klopfen in meinem Kopf klang langsam ab. 
Dennoch merkte ich, dass ich meine Beine nicht bewegen konnte. Sie wirkten wie eingefroren und das bei diesen warmen Temperaturen. Die Gelenke schmerzten etwas und ich hatte das Gefühl, dass meine Beine jeden Augenblick nachgeben würden.

Es waren schließlich meine Ohren, die sich gegen meinen pochenden Kopf drückten und mein Rumpf, der sich Richtung Boden neigte, die mich aus meiner Starre lösten. Irgendetwas stimmte nicht mit mir. Warum tat mein Körper Dinge, die ich ihm nicht befahl? Warum reagierte ich unterbewusst und so instinktiv? Menschen vielleicht?

Meine Nase sog den Geruch ein. Erde, Gräser, Blätter, kleine Käfer und ja, Blut. Dieser verdammt intensive Geruch, der sich schwer und widerspenstig auf meine Geruchsknospen legte. Ok. Also. Was roch ich noch? Ich roch den blutenden Hund. Ich roch die verschiedenen Bäume und deren Blattwerk. Ich hörte sogar die Blätter im lauen Wind rauschen. Als nächstes den Farn und dann das Efeu, das sich um einige der Bäume rangte. Ich hörte irgendwo hinter mir einige Mücken über das Wasser kreisen und das leise zwitschern von Vögeln. 
Aber was roch ich noch? Irgendetwas sehr bekanntes, weit entferntes, das mein Herz schmerzen ließ näherte sich zaghaft meinem Bewusstsein. Es war der Geruch von Liebe und Treue. Von Wärme und Zugehörigkeit. Etwas das wie meine Eltern roch, wie meine Geschwister, wie Nanuk. Wölfe. 

Erstaunt über diese Erkenntnis hob ich leicht den Kopf und atmete noch einmal tief die Luft ein. Es waren Wölfe. Ich roch ihren Pelz. Ich hörte, wie dieser an einigen Blättern vorbei streifte und wie ihre Pfoten still, aber flink und bestimmend den Weg in meine Richtung fanden. 
Meine Rute hob sich in freudigem Erwarten, aber eine innere Stimme erinnerte mich daran, dass nicht alle so waren wie meine Eltern oder ich selbst. 

Und da kamen sie. Die Könige dieses Waldes. Mit stolz erhobenen Kopf, nur die Ohren und ihre Gesichter verriehten, dass sie her weniger gerne hier waren. Einer der Wölfe lief dicht gedrängt an einem Rüden, der stark und sicher wirkte.
Es war eine Fähe. Die andere Fähe schien traumatisiert. Man sah sie kaum, sie versteckte sich hinter den anderen beiden und schien sich sichtlich unwohl zu fühlen. Ich konnte ihre Angst wittern, ihre Panik. Und dann passierte es. Ohne ein Wort. Ohne irgendwas vorher anzukündigen, machte sie kehrt und verschwand wieder im Schatten des Waldes. 

"Da waren es nur noch drei." 

Das Lächeln, das sich auf mein Gesicht schlich war nicht glücklich oder amüsiert. Es war her besorgt und entstand eigentlich nur, weil mein Körper zu nichts anderem so wirklich im Stande war.
Irgendwo da, wo die Fähe verschwunden war, hörte ich einen dumpfen Laut. Als wäre irgendwo in einiger Ferne ein Baum umgestürzt. Ich legte den Kopf schief, starrte kurz volle Neugierde an den beiden Wölfen vorbei in den Wald und wandte dann meinen Blick wieder auf die beiden, auf ihre Augen.


(Totenlager x Tryss x Rúna x etwas abseits von Kimya )


RE: Passus VII - Die erste Jagd - Tryss - 11.04.2016

Ich ignorierte den Gestank, der uns umgab. Solange ich ihn nicht an mich heranließ, bewahrte ich meinen Körper vor Übelkeit und anderen Dingen, die meine Konzentration von der Situation vor Ort ablenken würden. Ich brauchte den klaren Verstand, wohl mehr als ich ihn sonst brauchte. Sobald wir den Platz betreten hatten, waren mir der tote Hundekörper – und der fremde Wolf aufgefallen. Niemand sagte etwas, Rúna stellte sich neben mich, überließ mir aber den Vorrang. Somit war es wohl an mir die Situation zu klären, obwohl ich darauf gerne verzichtet hatte. Ich versuchte ruhig zu atmen und mich an die Dinge zu erinnern, die mein Vater mich gelehrt hatte. Ungewöhnlich, dass ich nachdachte, bevor ich den Fang öffnete. Aber besondere Situationen schienen besondere Seiten hervorzurufen. Ich musterte den fremden Rüden kritisch und wartete einen Augenblick, bevor ich ich etwas sagte.

„Ich hoffe, du hast den Toten nicht berührt. Die Krankheit scheint ansteckend zu sein, du solltest dich also besser fernhalten.“


Mir schien es angebracht, die üblichen Floskeln und Höflichkeiten hinten anzustellen und gleich zum wichtigen Teil des Gesprächs zu kommen. Was interessierte mich ein Name oder eine Herkunft, wenn der Wolf, mit dem ich sprach, uns andere womöglich anstecken würde? Wenn der Rüde starb, nutzten ihm Dinge wie Geburtsort, Lebensgeschichte oder Name auch nichts mehr - genauso wenig wie sein Lächeln, das ich mehr als unangebracht und dumm fand. Er schien nicht zu begreifen, in welcher Situation er sich befang. Ich wollte den Fang öffnen, um noch etwas zu sagen, doch plötzlich erklang hinter mir ein Wimmern. Als ich mich umwandte, sah ich noch den erschreckten, tränenreichen Ausdruck in Kimyas Augen, der selbst das versteinertste Herz eines jeden Lebewesens auf dieser Erde zum zerspringen gebracht hätte. Dann machte der junge Wolf kehrt und rannte davon. Ich trat einen Schritt in seine Richtung, wollte ihm nachlaufen. Kimya hatte es nicht verdient so leiden zu müssen. Ich schickte einen stillen Fluch Richtung Skadi und Tamias. Hätten sie diese leichtsinnige Jagdaktion nicht genehmigt, hätten sicher einer der erwachsenen Wölfe den Hund gefunden. Dann müsste die Last des Unglücks, von dem wir ja noch gar nicht sicher wussten, dass es überhaupt eines war, nicht auf den Schultern eines gerade wenige Monate alten Welpen liegen. Gerne wäre ich Kimya gefolgt, hätte ihm – trotz aller Vorsicht – die Nase aufmunternd ins Fell gestupst und ihn getröstet, wie es Arkanis in so einer Situation hätte tun sollen. Wenn ich mich wirklich anstecken sollte, wäre es wohl halb so schlimm – Rúna war immerhin diejenige, die als Heilerin gebraucht wurde. Aber ich zog die Pfote zurück, warf der Fähe einen kurzen, bedauernden Blick zu und wandte mich wieder dem Rüden zu, der neugierig an uns vorbeistartte. Das gefiel mir noch weniger als seine scheinbare Unbekümmertheit ob dieser Situation. Ich wollte ihn nicht aus den Augen lassen, im Zweifel war er die größere Gefahr für unsere Gemeinschaft als ein verzweifelter Kimya – auch wenn ich mir in diesem Moment wünschte, dass ich mehr der fragende, normale Tryss hätte sein können, anstelle des erwachsenen Tryss', der sich um unbekannten Besuch und tote, kranke Hunde kümmern musste.

[Am Krankenlager | Kimya, Rúna und Erasmus]


RE: Passus VII - Die erste Jagd - Chu - 17.04.2016

Tamias‘ Reaktion kam unerwartet und verblüffte mich. Ich war … wie eine Tochter für ihn? Ich hatte gewusst, dass ich ihm vertrauen konnte und er sich um mich kümmern wollte, aber dass er mich so gerne hatte, ja, dass er mich lieb hatte… Gerührt blinzelte ich zu dem sonst so stillen und disziplinierten Wolf empor, aus dessen Fang ich diese Worte nie erwartet hätte. Abermals berührte ich ihn zärtlich und drückte leise fiepend meine Nase an sein Kinn (höher kam ich nicht). Erst Dekajas erschrockener Ausruf veranlasste mich dazu, mich irritiert umzudrehen. Was war denn jetzt los? Hatte ich etwas falsch gemacht? Und dann Skadi. Ihr Auftritt war ungefähr so, wie ich es befürchtet hatte, und trotzdem versetzte ihr Anblick mir einen Stich. Diese harte Miene voller Missbilligung. Wie sie nur zu Tamias sprach und uns Welpen mit Missachtung strafte, als wären wir gar nicht anwesend oder es zumindest nicht wert, weiter beachtet zu werden. Als hätten wir auf ganzer Ebene versagt, dabei hatten wir doch nur versucht, das Richtige zu tun ... es war unfair und verletzend und ich konnte nicht verstehen, dass Dekaja sich auch noch auf ihre Seite schlug. Konnten sie denn nicht sehen, dass dieser Hund ein Lebewesen war, genau wie wir? Dass er unverschuldet in Not geraten war und daher unsere Hilfe brauchte? Wir sollten ihn und seinen Freund also einfach sterben lassen, nur weil es einfacher war? Nur damit wir uns unsere Pfoten nicht schmutzig zu machen brauchten? Wie konnten sie nur so über ihn reden, so kalt und sachlich, wie konnten sie von uns verlangen, ihn zurückzulassen, wo er doch direkt neben uns stand und jedes Wort hören konnte? Unwillkürlich drehte ich mich zu ihm um und öffnete den Fang. Ich merkte gar nicht, dass ich zu zittern begonnen hatte, als ich jetzt versuchte, den Blick des kleinen Hundes aufzufangen. Ich wollte ihm sagen, dass er nicht auf die bösen Wölfe hören sollte, dass er noch immer uns hatte und Tamias ebenfalls auf seiner Seite war. Dass wir ihn nicht einfach so aufgeben würden. Doch da hatte er sich schon abgewandt und lief davon, offensichtlich völlig verwirrt und überfordert. Sofort schnürte es mir die Kehle zu. Wie verzweifelt und alleingelassen musste Melf sich jetzt bloß fühlen?

„Melf, nicht!“, rief ich ihm hinterher, doch der kleine Hund hörte nicht und lief einfach weiter.

Als ich mich wieder zu Skadi und Dekaja umwandte, standen mir Tränen der Wut und Enttäuschung in den Augen. Waren das etwa die Wölfe, von denen ich immer geträumt hatte? Die starken und edlen Wesen, die ich mir ausgemalt hatte? Ich hatte nie glauben wollen, was die Kinder und Hunde über sie sagten, hatte alles als Gruselgeschichten abgetan. Aber jetzt … jetzt wusste ich plötzlich nicht mehr, was ich noch glauben sollte. Ich wusste nur, dass ich niemals so werden wollte. Und wenn es das war, was einen echten Wolf ausmachte, dann wollte ich niemals einer sein.

„Wie könnt ihr nur so grausam sein?“, platzte es verzweifelt aus mir heraus. „Wenn Avis, Kimya oder ich krank werden, lasst ihr uns dann auch einfach im Stich?“

Nur Avis hinderte mich daran, Melf auf der Stelle hinterher zu stürzen. Avis und Tamias. Zitternd presste ich mich fest an Avis‘ Flanke und ich spürte sein wütend klopfendes Herz, als ob es meines wäre. Er explodierte förmlich neben mir, wie ein kleiner Vulkan. Mit jedem Wort redete er sich mehr in Rage und sprach mir damit aus der Seele. Tröstend drückte ich meine Schnauze in das weiche Fell unterhalb seines Ohres. Ich wusste, wie er sich fühlte, denn ich spürte es auch – die Enttäuschung, die Wut, die Fassungslosigkeit und vor allem diese Hilflosigkeit. Im Gegensatz zu mir war er jedoch mutig genug, all diese Gefühle in Worte zu fassen. Und da dämmerte es mir plötzlich. Ich mochte vielleicht keiner sein, aber Avis war ein richtiger Wolf, und er fand das alles genauso falsch wie ich! Und Tamias! Er war der größte und beeindruckendste Wolf, den ich kannte, und er hätte uns ohne weiteres zur Rückkehr zwingen können. Stattdessen war es Skadi, der er eine Abfuhr erteilte.  Ein Funken Hoffnung keimte in mir auf, als ich jetzt mit großen Augen zu ihm emporblickte. Vertrauensvoll, hoffnungsvoll, flehentlich. Er würde es schon richten. Er würde dafür sorgen, dass alles wieder gut wurde. Und Melf war ein kleiner Hund mit kurzen Beinen – wenn wir uns beeilten, konnten wir ihn einholen. Wenn ich ihn erst zu Anyana brachte, dann würde alles wieder in Ordnung kommen. Ich kannte sie besser als jeder andere. Sie konnte mir keine Bitte abschlagen. Sie würde verstehen.

„Wir müssen ihm nachlaufen…“, bat ich mit zitternder Stimme.


[bei Avis, Tamias, Skadi, Dekaja & April]



RE: Passus VII - Die erste Jagd - Skadi - 18.04.2016

Entsetzen trat in meinen Blick, als ich die Reaktion von Tamias vernahm. So viel Feindseligkeit lag in ihm. So entsetzt wie ich war, fand Dekaja deutlich schneller Worte und ich war ihr dankbar für jedes Einzelne. Vor allem auch für die Infragestellung von Tamias – der eben erst eine eigene Entscheidung getroffen hatte. Gerade wollte ich Dekaja beipflichten und ihre Aussagen mit ruhiger und diplomatischer Stimme untermalen, als der Hund selbst zur Tat trat. Er kündigte an alleine weiter zu gehen. Schlich sich an der Fremden vorbei, verabschiedete sich dankbar und schon war er verschwunden.
Avis und Chu waren natürlich gar nicht begeistert – und das zeigte mir vor allem der junge Rüde direkt. Ein Schwall von Beschimpfungen und Beleidigungen prallte auf mich ein. Eine schlimmer und grausamer als die andere. Mein Nackenfell hatte sich bei seiner aggressiven Stimmenlage automatisch aufgestellt und mit festen, strengen Blick starrte ich ihn an. Aber ich ließ ihn ausreden. Ließ ihn austoben. Ich fragte mich, woher er all die hasserfüllten Worte hatte und wo der Hass in ihm her kam, der nun grenzenlos aus ihm heraus floss. Und auch wenn ich nicht viel von Kindeserziehung wusste, so war mir instinktiv bewusst, dass eine Diskussion nichts bringen würde. Ich konnte in dieser Situation sagen was ich wollte, alles wäre falsch in seinen Ohren.
Die Tatsache, dass weder Er noch Chu und selbst Tamias nicht direkt losgerannt waren – und eben nicht mit Taten zeigten wie egal Ihnen die Botschaft von Dekaja und mir waren, unterstrichen meine Vermutung, dass Avis in mir nicht das Monster sah, dass er soeben beschrie. Ich schien nicht nur das Herzlose Wesen zu sein, sondern noch genügend Respekt aus zu strahlen dass Gehorsam galt. Zumindest bis zu einem gewissen Punkt.
Chu pflichtete deutlich kürzer – aber mit genau so verletzender Direktheit – Avis bei. Ich atmete ein Mal tief durch, mein Blick war wieder auf Avis gewandert. Mein Nackenfell hatte sich wieder gelegt.

“Das ist meine Art diejenigen zu schützen, die ich lieb habe“

Sagte ich ruhig, jedoch merklich angespannt.
Anschuldigungen dieser Art saßen tief und die Worte die der Welpe gesprochen hatte waren nun mal gesprochen. Und auch die Blauäugigkeit und einseitige Sichtweise entschuldigte diese nicht. Auch wenn er noch so klein, unerfahren und jung war – inzwischen musste er für Fehler büßen. Und vielleicht war die Hilfsbereitschaft diesem ‚Melf‘ gegenüber der Fehler, für den er büßen musste.
Ich hatte eine Bedeutendschwangere Pause eingelegt, bevor ich mich den jungen Wölfen abwandte und Dekaja ansah.

“Lasst uns jetzt gehen. Ihr habt Dekaja gehört, ihr könntet krank sein und nur Runa kann euch helfen.“

Sagte ich nun einen hauch entsppannter, jedoch immernoch bestimmend - auch wenn dies gerade jeden außer Dekaja zu stören schien. Ich wollte nicht Diskutieren. Nicht hier an diesem Ort – an dem eine Fremde uns zusah und Runa zu weit weg war.

[An der Brücke zum ehemaligen Menschenkinderlager | drängt zum zurückkehren]


RE: Passus VII - Die erste Jagd - Rúna - 18.04.2016

Da standen wir also, mitten im Zentrum des höllischen Gestanks, den auch ich nur mit Mühe ausblenden konnte. Er brannte sich in die Nase, setzte sich fest und alles in mir schrie danach das Weite zu suchen, denn ich wusste von der Gefahr, die sich dahinter verbarg.

Doch zu aller erst galt es, dem fremden Rüden entgegen zu treten und zu sehen was er hier wollte. Zwar war dies hier nicht unser Revier, aber seines sicherlich auch nicht. Und einem einsamen Wanderer sollte man immer mit einer gewissen Vorsicht begegnen. Tryss schien es ähnlich zu sehen und schaffte es mit seine wenigen, punktierten Worten, meinen Eindruck über ihn ein Stück weiter zu festigen. Unweigerlich richtete ich mich ein wenig auf, unterstrich seine Position mit meiner Haltung und achtete dennoch in erster Linie auf den Rüden vor uns.

Irgendetwas behagte mir nicht ganz, aber vielleicht war es auch einfach dieser surreale Moment, zwischen all der Gefahr und dem Leid ruhige Worte zu wechseln. Noch ehe ich diesem Gedanken jedoch weiter verfolgen konnte vernahm ich den Laut von Kimya. Der Anblick des jungen Wolfes, sein eigener verzweifelter Blick und das halsbrecherische Davonstürzen, das alles würde ich wohl nie wieder vergessen. Meine Läufe begannen zu zittern, doch auch ich starrte nur noch Moment auf die Stelle an der Kimya aus meinem Blick verschwunden war.

Dann straffte ich mich und erwiderte kurz den Blick von Tryss wobei mein eigener wohl nicht gänzlich verbergen konnte, was in mir vorging. Ich wandte mich dem fremden Wolf zu, machte mich ein wenig größer und ließ ein leises, warnendes Grollen hören, ehe ich an ihm vorbei zu dem toten Hund streifte.
Sehr vorsichtig näherte ich mich dem schrecklichen Anblick der Leiche, witterte und begann sie nach Möglichkeiten zu umkreisen. Nicht näher als den Sprung einer Maus kam ich dem Ganzen und achtete penibel darauf, wohin ich meine Pfoten setzte. Langsam begann ich eine Vorstellung davon zu bekommen, was zum Tod des Vierbeiners geführt haben mochte. Sein Fell war stumpf, das Fleisch der Lefzen blass und trocken, trockener als es hätte sein sollen, denn noch immer war der Körper ein bisschen warm. Letzten Endes öffnete ich mich dem Geruch den er verströmte, unterdrückte mühsam ein Würgen und machte einzelne Nuance aus, die mir zumindest eine kleine Wenigkeit über sein Innenleben verrieten.

Ohne dass ich in dieser Zeit auf meine Umgebung oder die beiden Rüden geachtet hätte wandte ich mich schließlich wieder zu Tryss,

„Wir können gehen!“

war die knappe Auskunft meinerseits, denn ich hatte alles was ich brauchte. Und ich wollte zu Kimya, wollte sehen wie es ihm ging, mich vergewissern dass er nicht erkrankt war, dass es ihm gut ging, dass alles in Ordnung war… unweigerlich wandte ich mich bereits in seine Richtung.

[bleibt bei Tryss und Erasmus | besieht sich den toten Hund und hat eine Ahnung davon was zu tun ist | möchte Kimya hinterher]


RE: Passus VII - Die erste Jagd - Dekaja - 28.04.2016

Ich hatte mit so einer heftigen Reaktion nicht gerechnet. Ich hätte es tun sollen und ich hatte auch nicht gedacht, dass sie alle ruhig ‚Ja und Amen‘ sagen würden, aber die Intensität von Avis‘ Gefühlsausbruch und auch Chus Ausdruck in den Augen brachten mein Herz zum Stocken. Hätte ich kein Fell, hätte man mir deutlich angesehen, wie ich erblasst war. Aber stattdessen sah man den Schrecken nur in meinen Augen und wie ich deutlich unter den Worten zusammenzuckte, als wären es Peitschenhiebe. Ich war nicht wie Skadi…so taff und gefestigt, denn auch mein Gedanke war es ja gewesen, Melf zu helfen. Aber ich wollte auch nicht, dass jemand dieser Gemeinschaft zu Schaden kam. Ich wollte sie alle retten.

Ich wünschte mir plötzlich, dass Tryss bei mir war, dass ich einfach nur meinen Kopf in seinen Pelz vergraben konnte. Außerdem hätte er sicher gewusst, was zu sagen war. So blieb mir aber nur Skadi und ihr Blick. Ich fand nicht, dass es zum Frieden beitragen würde, einfach zu entscheiden…gerade nach Avis‘ Wortschwall hatte er es verdient, eine Antwort zu bekommen. Ich brauchte einige Sekunden, bis ich meine Stimme wiederfand, denn Avis‘ Worte hallten in meinen Gedanken sehr deutlich wieder. Genauso wie Chus körperliche Haltung, die aussagte, wie sehr sie hinter seinen Worten stand.

Ich ließ den Kopf hängen und sah die beiden betroffen an.

„Richtig. Melf hat nichts getan, deswegen möchten wir auch keineswegs, dass er zu Schaden kommt. Oder euch wehtut, auch ohne es zu wissen. Das könnte auch passieren. Ich finde…es sagt sehr viel aus, dass er geflüchtet ist…es spricht sehr für seine Gesinnung, meint ihr nicht auch? Mir zumindest hat es auch gezeigt, dass ihm etwas daran liegt…niemanden sonst zu Schaden kommen zu lassen…durch diese Krankheit…“

Ich atmete kurz durch.

„Als ich von Kimya davon hörte, hatte ich auch den starken Drang sofort loszurennen und zu helfen…bis Rúna verdeutlichte, was sein könnte. Ich verstehe eure Entscheidung extrem gut…ich hätte nicht anders gehandelt, wirklich nicht…glaubt mir…ich weiß auch gar nicht, wie ich es anders verdeutlichen soll. Rúna ist gerade auf der Suche nach einem Heilmittel. Wir lassen Melf nicht im Stich, so er unsere Hilfe möchte. Ich würde mich freuen, ihm helfen zu können…ihn heilen zu können. Aber es ist genauso wichtig, dass dabei keiner von uns zu Schaden kommt.“

Mein Blick wurde sehr weich.

„Ich verstehe euer Denken…lieber helfen und dabei sterben…aber würde Melf das wollen, das ihr euch für ihn opfert, egal ob es bei seiner Heilung hilft oder auch nicht? Ich kenne ihn nicht…sicher, aber wenn jemand so etwas für mich tun würde und dabei sterben würde, würde ich mein Leben lang ein schlechtes Gewissen…und Gefühl haben und darunter mehr noch leiden als zuvor und sogar bereuen, Hilfe gesucht zu haben und denjenigen dadurch ins Verderben gestürzt zu haben, unbewusst. Denkt darüber nach…es ist vielleicht auch nicht ganz fair, das ihr euch dafür entscheidet, im Zweifel beim Helfen zu sterben, ohne ihn mit einzubeziehen, denn er ist es, der dann damit leben müsste.“

Ich atmete tief durch und drehte mich nun leicht. Ich wusste nicht, ob das einen Zweck hatte…ich wollte nur, dass unsere Entscheidung nicht einfach als gefühllos abgetan wurde. Darunter litt ich selbst.

„Zu Rúna zu gehen halte ich auch für das beste…je schneller, umso eher können wir auch Melf wiederfinden und ihm helfen..ich hoffe, sie hat ein Heilmittel gefunden.“


Trotz meiner langen Rede fühlte ich mich dennoch ein wenig niedergeschlagen. Mir fiel es so schwer, selbst den Welpen härter entgegen zu treten. Ich konnte das nicht so wie Skadi.

[gegenüber Avis und Chu, neben Skadi | versucht die Situation zu entschärfen]


RE: Passus VII - Die erste Jagd - Avis - 02.05.2016

Ich war sie maßlos wütend und enttäuscht von der Fähe, von der ich ursprünglich mal viel gehalten hatte, zumindest mehr als von manch anderen unserer Gruppe. Meine Pfoten bebten förmlich und meine Ohren dröhnten, während ich einen roten Schleier vor den Augen hatte. Doch mit jedem neuen Atemzug den ich machte, mit jedem Pochen meines Herzens entfernte sich Melf weiter von uns. Chu stand dicht neben mir und es war ihr wahrscheinlich nicht mal bewusst, aber durch sie bekam ich halt. Einen halt den ich gerade ganz dringend brauchte, denn die Ungerechtigkeit der ganzen Situation setzte mir dermaßen zu. Die körperliche Nähe zu Chu erdete mich und ich konnte Skadi wieder klarer vor mir sehen. Sah ihre Drohgebärde, das gestreckte Rückenfell, die Rute. Eine bedeutungsvolle Pause entstand, es war so als wäre die Zeit stehen geblieben, doch dann bekam ich das zu sehen, was ich immer zu sehen bekam. Was wir immer zu sehen bekamen. Den Blick eines Erwachsenen an einen Welpen der es einfach nicht besser wusste. Was dann folgte bekam ich nicht so ganz auf die Reihe. Diejenigen die sie liebte?

Meine Augen verengten sich zu Schlitzen. Liebe. Pah. Was wusste sie denn schon von Liebe, ihr war nur daran gelegen die Gruppe voran zu treiben und zu „herrschen“, selbst Tamias hatte sich gegen sie gestellt, fragte sich also wer hier seinen Kopf durchsetzen wollte, doch auch er war still. Ich kannte nur die Liebe zu Kimya, auf dieser geschwisterlichen Ebende, vielleicht hatte ich auch meine Mutter mal geliebt und verehrt, aber das war lange vorbei, aus diesem Traum war ich lange aufgewacht. Skadi dachte genau das, was alle stets dachte. Wir armen kleinen Welpen, von nichts eine Ahnung mussten stets behütet und mitgeschliffen werden. Oh welche Last. Ich schwieg, ich hatte alles gesagt und stand zu meiner Meinung. Meine Nase streifte durchs Chus Fell und als sich Skadi umdrehte und zum Aufbruch mahnte, blieb ich stehen.

Dekaja vernahm ich erst, als es still geworden war. Sie war stets eine gute Seele und mein Ausbruch, meine Frustration und meine Wut mussten sie wohl total verunsichert haben, zumindest sah man es ihrer Nasenspitze an. Doch wie es immer war, versuchte sie zu schlichten, zuerst verinnerlichte ich ihre Worte nicht, mein Kopf war zu voll, als das er auch nur ansatzweise in der Lage gewesen wäre um über Dekas Worte nachzudenken. Außerdem stand ich immer noch dicht an Chu, ohne mich auch nur einen Zentimeter bewegt zu haben. Irgendwann erreichten mich ihre Worte, ich schaute sie direkt an. Was hatte sie gesagt, dem Hund helfen, mit Runas Heilpflanzen? Ja, deswegen hatten wir Kimya ursprünglich zu der Gruppe geschickt, aber es hatte nicht eine Sekunde den Anschein erweckt als würde auch nur ein Erwachsener helfen wollen. Mein Blick viel auf Chu, was dachte sie dazu? War dies eine tolle Ablenkung um uns hier weg zu bekommen? Oder meinten sie es ernst?

Ich blickte lange auf Chu, zumindest kam es mir so vor. Skadi würdigte ich keines Blickes, was sie tat, war mir egal und ich würde definitiv nicht einfach so tun was sie verlangte. Was Deka von sich gab, klang zumindest nicht herzlos und einleuchtend. Ich verharrte, wartete auf eine Reaktion von Chu. Melf war inzwischen weit weg, wahrscheinlich würde er denken wir hatten ihm im Stich gelassen, wo wir ihm doch versprochen hatten zu helfen. Würden wir sterben? Wer wusste das schon…