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Passus VI - Eine wundersame Begegnung - Druckversion

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- Avis - 17.11.2014

Mein Herz wummerte viel zu laut in meinen Ohren, meine Pfoten waren inzwischen erstarrt und auch der Rest unserer Gruppe hatte seine Gespräche, welche ich fast nicht mehr mitbekommen hatte, weil ich hier einfach nur weg wollte, zum Stillstand gebracht. Nachdem Runa mit ihrem Geheul angefangen hatte, kam plötzlich Dekajas Stimme hinzu, anders, nicht im Einklang und doch schön. Unter anderen Umständen hätte ich wahrscheinlich mitgeheult, im Moment war mir das alles zu viel. Ich wollt meinen Bruder in Sicherheit wissen und Chu, genau wie eigentlich auch die Anderen. Meine Ohren zuckten nervös, als plötzlich auch Tryss Stimme erklang, fast im gleichen Moment wie die fremdartigen Töne plötzlich verstummten. Ein markerschütternder lauter Schrei, fremd, laut, krell, viel zu Laut in meinen Ohren, viel zu gefährlich drang durch die Dunkelheit, ließ mich stark zusammen zucken, dann wieder Stille…aber keine friedliche Stille, eher eine als warte man ob irgendwo gleich ein Blitz einschlägt. Mein Blick glitt zu Kimya, er war bei uns, dann zu den Anderen. Chu sah erschrocken aus und sofort setzte sich Tamias, der eher ruhig gewesen war in Bewegung. Auch für Skadi schien das ein Starksignal gewesen zu sein, denn sofort fragte sie Chu nach dem Weg zur Brücke. Drängte zur Eile. Meine Pfoten setzten sich wieder in Bewegung, ich wollte hier weg, stupste Kimya mit der Nase in die Seite, damit auch er sich wieder in Bewegung setzte.

„Skadi, was ist mit den Anderen?“

Ich musste natürlich diese Frage stellen, immerhin ging es auch im Deka und ich wollte nicht am Ende allein dastehen. Meine Stille klang selbst in meinen Ohren viel zu Schrill und meine Pfoten zitterten leicht. Würden wir sie wirklich auf der anderen Seite treffen? Wieder blickte ich auf meinen Bruder, nein wir dürften uns alle nicht verlieren, schließlich hatten wir uns doch grad erst gefunden.

„Komm Kimya, wir müssen los!!“

Noch ein drängender Stupser in seine Flanke, ein Blick zu Chu, offen und voller vertrauen, dass sie uns hier raus führen konnte.

[Kimya, Chu & Skadi]


- Kimya - 22.11.2014

Ich hörte die Unsicherheit in Chus letzten Worten mehr als deutlich, hatte Skadi etwa nicht bemerkt, was sie dort tat? Es muss ihr genauso weh tun wie der Verlust unserer Mama, ich blickte kurz zu meinem Bruder um eine art Bestätigung zu finden. Hatte er es etwa nicht bemerkt? Ohne weiter groß drüber nachzudenken legte ich meinen Kopf an Chus schulter und versuchte ihr die Ruhe zu schenken die ich selbst nie finden konnte wenn ich an Mama dachte.

Die ruhe, welche ich gerade noch ausstrahlen konnte verschwand weit schneller als gewünscht, als ein heulen erklang. Erst ein einfacher Ton, dann ein Gesang und schließlich war eine Geschichte zu hören. Meine Gedanken stellen einen Vergleich zwischen dem heulen und den Geräuschen, welche die Zweibeiner machten, auf, es waren tatsächlich eine Ähnlichkeit zu finden. Beides waren Melodien, beides sollte eine Stimmung wiedergeben und beides klang schön... faszinierend. Nur die Traurigkeit des Heulens widersprach sich vollkommen mit dem fröhliche hin und her der Menschen. Das es sich um Runa handelte war von anfang an klar gewesen, aber was sie sang war schwer zu verstehen, um wen ging es dabei?

Ohne es zu merken hatte ich meinen Kopf immer mehr in das Fell der jungen Wölfin gedrückt. Nun diente die anfangs ihrer Beruhigung gewidmete Geste auch meiner eigenen Beruhigung. Was war bloß passiert? Ein furchterfüllter Schrei zerriss das Geheul der nun drei Wölfe. Es muss ein Mensch gewesen sein.

Erst mit Skadis Ausruf merkte ich, dass auch sie Chu eine beruhigendes, oder auch entschuldigende, Geste geschenkt hatte. Ich löste mich von Chu und hörte auf die Worte meines Bruders, wir mussten los.

Chu, Avis & Skadi]


- Tryss - 24.11.2014

Unschlüssig stand ich neben Deka, versuchte auszuloten, was wir nun tun sollten. Unseren Plan durchsetzen und mit den Kindern gemeinsam singen? Oder doch leise den Rückzug antreten? Noch während ich überlegte, drang eine Stimme an mein Ohr, die unglaublich vertraut klang, obwohl ich sie auf diese Art noch nie gehört hatte. Es war Rúna. Und sie sang. Ihre Melodie klang schön, und doch wunderte ich mich ebenso wie Deka, dass Trauer darin lag. Als Deka neben mir jedoch ebenfalls ihren Kopf hob und zu singen begann, wischte ich meine Zweifel beiseite und stimmte mit ein. Für einen Moment war es wundervoll. Wir sangen, sie spielten und tanzten. Ein wohliges Gefühl von Harmonie breitete sich aus – und verschwand so schnell, wie es gekommen war. Da war dieser Schrei – und obwohl es nur einer war, ging er durch Mark und Bein. Abrupt stoppte ich das Geheul und suchte Dekas Blick. Auf ihre Fragen antwortete ich nicht, denn ich wusste ebenso kaum, was genau passiert war. Wir hatten nichts getan? Nur gesungen? Und dennoch schienen sie Angst zu bekommen? Auf einmal erschien mir alles so gespenstisch still, so unglaublich angespannt und wie weggeblasen war die fröhliche Leichtigkeit, die kurz zuvor noch den Platz erfüllt hatte.

„Lass uns Rúna holen. Ich glaube, wir sollten uns nicht länger hier aufhalten“,

flüsterte ich Deka zu und trat ein paar Schritte zurück in den Schutz den Zeltschattens, zog Deka an der Rute und wollte sie dazu bewegen ihre demütige Haltung aufzugeben und stattdessen mit mir zu kommen. Ich hoffte nicht, dass sich meine Befürchtungen bewahrheiteten und die Kinder tatsächlich Angst bekamen. In diesem Moment aber war alles möglich – und ich wünschte mir plötzlich, dass wir brav bei den anderen geblieben wären und uns gelangweilt hätten.

„Rúna? Rúna?!“

rief ich leise über den Platz – für die Menschen musste es wie ein heiseres Winseln klingen. Die Fähe war ein Stück von uns entfernt, ich hatte sie nicht kommen sehen. Kurz fragte ich mich, was sie wohl zwischen den Zelten zu suchen gehabt hatte, aber ich verwarf die Gedanken, es gab Wichtigeres zu tun. Zum Beispiel überlegen, wie wir die Zweibeiner besänftigen konnten – oder wie sie sich so lange ruhig halten ließen, bis wir das Weite gesucht hatten.

[Deka, Rúna | Kinder]


- Chu - 05.12.2014

Verwirrt blickte ich zu der braunen Wölfin auf, doch ich ließ die sanfte Berührung ihrer Schnauze anstandslos zu, ja, genoss sie sogar irgendwie. Es fühlte sich irgendwie so ganz anders an, nicht so intensiv wie wenn die Zweibeiner mich hinter den Ohren kraulten, aber dafür breitete sich ein wohlig-warmes Kribbeln in mir aus. Trotzdem zwinkerte ich verwirrt, als sie sich bei mir entschuldigte. Was tat ihr denn leid? Und warum schrien plötzlich alle und schienen solche Angst zu haben? Unsicher schielte ich zu Avis und Kimya, und als letzterer den Kopf tröstend an mich schmiegte, spiegelte ich sein Verhalten instinktiv und drückte mich meinerseits ebenfalls an den Körper neben mir.

„Wer ist Rúna?“, flüsterte ich. „Und warum klingt sie so traurig?“

War das immer so mit anderen Wölfen? Ich glaubte sogar sein Herz spüren zu können, wie es aufgeregt klopfte und … Moment mal. Konnte es etwa sein, dass er auch Angst hatte und das alles unheimlich fand? Der Gedanke tröstete mich ungemein. Ich war also nicht die Einzige, der es so ging! Mit dieser Erkenntnis fiel mir das Nicken schon viel leichter, mit dem ich schließlich Skadis Aufforderung beantwortete. Na klar konnte ich das, das war ja überhaupt kein Problem! Endlich etwas, das ich konnte! Die Aussicht, ihnen helfen zu können, ja, endlich mal nützlich zu sein, brachte meine Rute prompt ein bisschen zum Pendeln. Gut, ein bisschen gruselig war es auch, dass ich plötzlich diejenige war, die vorangehen sollte, aber wir mussten ja nur durch das Zweibeinerlager und das hatte ich schon unzählige Male durchquert. Wie schwierig konnte das schon werden? Zügig setzte ich mich in Bewegung, denn die Dringlichkeit in Skadis Stimme war nicht zu überhören, auch wenn ich nach wie vor nicht so ganz verstand, was eigentlich vorging. Dabei blickte ich alle paar Meter zurück, ob sie mir auch immer noch folgten. Eigentlich war das lächerlich, ihre Läufe waren schließlich mindestens so lang wie meine, wenn nicht sogar viel länger, und sie waren das Wandern gewöhnt – wie hätte jemand wie ich sie schon abhängen sollen? Aber die Angst, sie in diesem Chaos zu verlieren und allein und schuldbewusst zu Anyana zurückschleichen zu müssen, schaltete jeden logischen Gedanken aus. So machte ich auch keinen besonders großen Bogen um die aufgescheuchten Zweibeiner, die mir ja nie etwas getan hatten, sondern marschierte schnurstracks auf gerader Linie mitten durch das Lager.

[Skadi, Avis, Kimya]


- Rúna - 06.12.2014

Der Schrei des Mädchens war es, welcher mich schließlich aus dem Gesang heraus riss, den ich für Alvarez und seine Suche angestimmt, und in den schließlich auch Dekaja und Tryss eingefallen waren. Unweigerlich überrollten mich die Gerüche, die zahlreichen Düfte der Menschen, das Feuer, die Zelte und alles was so unsagbar fremd und faszinierend zugleich war. Tryss Winseln drang an mein Ohr und unendlich lange schien ich ihn und Dekaja anzusehen wie Fremde.

Aber da war noch etwas, etwas das sich in meiner Nase verfing, ein beißender, ein bitterer Geruch und etwas Altes in mir heulte auf. Warnend wie nur der Ruf einer Mutter es konnte riss es an meinen Gedanken und Läufen, die sich verkrampften und zu zittern begannen. Der Geruch der menschlichen Angst lag in der Luft und sorgte schließlich dafür dass ich mit drei gewaltigen Sätzen bei Dekaja und Tryss war.

Ich kümmerte mich weder um die Menschen um uns herum, noch ob sie mich sahen oder was sie tun würden, denn wir würden etwas tun. Wir würden laufen und zwar sofort.

„Los kommt! Wie müssen fort von hier, schnell!“

Knurrte ich den beiden entgegen, doch war es ein Geräusch voller Sorge voller Warnung und dennoch lag auch etwas Unnachgiebiges darin. Ich drängte mich an Dekaja, schob sie vom Fang her förmlich herum und sollte sich Tryss noch nicht in Bewegung gesetzt haben würde in seine Richtung ein ebenso warnendes Schnappen erfolgen. Es lag nichts Bedrohliches oder aggressives darin, denn alles was ich wollte war die beiden so schnell es ging zum Aufbruch zu bewegen und zwar auf eine Weise die ihnen klar machte dass wir flohen.
Gleichzeitig erhob sich mein Fang erneut zu einem kurzen eher kläffenden,

„Lauft! Wir kommen!“

Heulen, dann ich wollte unter allen Umständen vermeiden, dass durch meine Handlung auch noch die Jungwölfe in Gefahr gerieten. Skadi sollte mit ihnen weiter Richtung Brücke laufen… aber ob sie mich hörte? Ob sie mich verstand?...

[Bei den Kindern | schätzt die Situation als sehr gefährlich ein und will Tryss wie auch Dekaja zur Flucht bewegen und den anderen deutlich machen, dass sie auf dem Weg waren ]


- Skadi - 08.12.2014

Die Jungen verstanden schnell - Zum Glück. Sie fragten nicht nach warum es jetzt eilig wurde. Sie stellten meine Entscheidung nicht in Frage. Und vor Allem: Keiner der Drei (berechtigte Sorge bestand bei Avis) wollte den Helden spielen und doch in das Dorf laufen und Runa, Tryss und Dekaja am Fell heraus ziehen. Selbst ich wollte dies nicht, obwohl ich sonst eher so handelte.
Chu und Kimya, die sich gegenseitigen Trost gespendet hatten (Welpen mussten eine Art Kommunikation haben die wir erwachsenen verlernen. Sie kämpfen, spielen und trösten sich intensiver und ehrlicher als wir ausgewachsenen.) lösten sich voneinander. Avis drängte Kimya, Chu lief los. Ich trieb die beiden Jungrüden mit meiner Nase an und dann folgten wir den kurzen aber flinken Läufen der Jungfähe.
Doch Chu wählte den Weg anders als ich erhofft hatte. Erst näherten wir uns dem Stoffhüttendorf. Das war mir bewusst, denn die Brücke war hinter dem Dorf und das wir nahe heran kommen müssten war mehr als logisch. Doch als Chu dann zwischen den Zelten verschwand - Avis und Kimya unerschrocken hinterher liefen - und die ersten Kinder uns entgegen kamen, wurde mir ganz anders.
Handeln konnte ich nicht mehr. Chu hatte die Führung und ich hatte die Orientierung hier auf direktem Wege heraus zu kommen nicht. Die Kinder schrien, wichen aus. Der Gestank den der Junge vom Vorabend verströmt hatte knallte mir an den Kopf. Angst. Sie hatten Angst, mehr als wir. Und ich bemerkte, dass sie vor allem Angst vor mir hatten. Die Jungen liefen vorbei und wurden kaum bemerkt., Als Gefahr nicht wahr genommen.

"Lauft auf die andere Seite der Brücke, egal was passiert!"

Rief ich den dreien zu.

"Ganz egal was passiert!"

betonte ich nach einigen Atemzügen noch ein Mal. Die Sorge dass ich die Jungen verlieren würde, weil Kinder mir den Weg abschneiden oder anderes tun, war berechtigt. Wichtig war nur, dass die Welpen zusammen und sicher auf die andere Seite der Schlucht kamen.

[Folgt (mit Avis und Kimya) Chu durch das Kinderlager]



- Tamias - 15.12.2014

Es war ein heilloses Durcheinander. Die Aufregung der Kinder stiftete auch in der "Gemeinschaft" Unruhe. Jeder schien sich zwar zu bemühen ruhig zu bleiben, doch es war unumgänglich, dass jeder hier Angst bekam. Auch ich. Es war ein Gemisch aus Angst, nicht vor den Menschen sondern dass uns etwas passieren könnte, dass Skadi oder Chu etwas passieren könnte und Wut, weil die Gruppe sich so aufgelöst hatte und sich nicht daran hielt, was abgemacht war. Wir hätten alle zusammen bleiben sollen, doch für Standpauken oder Ansagen war es hier zu spät. Ich selbst war zwischen den Zelten verschwunden und suchte nach, was auch immer. Ich suchte nach einem Anhaltspunkt wie ich die Situation hier irgendwie retten konnte. Sollte ich zu Skadi und ihr helfen? Sollte ich zu Tryss, Deka und Runa? Sollte ich vielleicht vorsichtshalber die Menschen anfallen? Ich entschied mich dazu, Skadi und den Welpen zu helfen und eilte so schnell ich konnte zu ihnen. Ein gesträubtes Nackenfell blieb nicht aus. Mir passte das hier alles gar nicht. Die Brücke war nicht mehr so weit, wir konnten es also schaffen. Deka, Tryss und Runa würden es schaffen, wenn nicht, würde ich noch einmal zurück laufen.
Ich holte also Skadi mit Welpen ein, sah sie kurz und so sanft es die Situation ermöglichte an.

"Chu, die Brücke. Da rüber! Schnell !"

Rief ich mit recht tiefer Stimme sehr direkt und schnitt ihr mehr oder weniger den Weg tiefer ins Lager ab und schaute zu Avis und Kimya rüber.

"Na los, wer zu erst am anderen Ende der Brücke ist, hat gewonnen."

Als beiläufige Spielaufforderung und um ihnen etwas die Angst zu nehmen.

"Ich pass auf, dass euch kein Mensch folgt, bring sie sicher rüber Skadi."

Ein flüchtiger Stupser in ihre Seite, ehe ich mein Tempo verlangsamte und zurück sah. Erst, wenn ich sah, dass Skadi und Welpen über die Brücke gingen würde ich zurück laufen und die anderen holen. Die Brücke war nicht mehr weit, man konnte sie bereits sehen.

[Bei Skadi, Chu, Avis und Kimya, versucht sie über die Brücke zu scheuchen]


- Die Kinder - 20.12.2014

Noch immer lag der Nachhall in der Luft. Der Schrei – zunächst hatten die Kinder einfach mit dem Spiel aufgehört. Für einen Moment herrschte gespenstische Stille. Dann war das Chaos ausgebrochen. Kleine Mädchen drängten sich an die Seiten ihrer älteren Geschwister, an die Seite ihrer Freunde und erfassten sogar die Hände der jüngeren Buben, wenn sie in der Nähe standen. Die älteren Mädchen versuchten die Kleinen zusammenzudrängen und sich vor sie zu stellen, die älteren Junge suchten etwas, das sie in die Hände nehmen konnten. Stöcke, Musikinstrumente, Fackeln oder was sonst aufzufinden war. So standen sie den Wölfen gegenüber, erst nur drei, dann kamen immer mehr von ihnen ins Blickfeld. Unruhig, unschlüssig standen die Kinder herum, einige liefen davon, doch viele blieben, fasziniert und eingeschüchtert ob der unsicheren, unklaren Situation. Sie kannten Wölfe – Fara war mit ihnen gereist seit sie denken konnten und hatte ihnen nie etwas getan. Dennoch behagte ihnen das plötzliche Auftauchen nicht. Einige der älteren Jungen – sie waren am Vortag bereits mit Anyana am Lagerfeuer gewesen und den Wölfen begegnet – wagten sich ein wenig weiter vor. Der Blick in ihren Mienen war grimmig, obwohl sie sich ebenso fürchteten wollten sie doch die anderen Kinder schützen. So stellten sie sich vor Rúna und die anderen – genau auf den Weg, den die drei Wölfe nehmen mussten, wenn sie ebenso wie ihre Gefährten zur Brücke gelangen wollten.

Ihre Brust schmerzte fürchterlich. Es war Anyana, als könnte sie jeden einzelnen Muskel fühlen, als wäre jeder ihrer Atemzüge ein Messer, das von innen ins Fleisch schnitt. Auch die Seiten taten dem Mädchen weh vom schnellen Lauf, aber sie durfte nicht jammern. Vor Stephan nicht. Sie hatte seine Hand gepackt, als der Schrei verklungen war, dann war er auch schon losgerannt. Fest hatten sich eine Finger um ihre kleine Hand geschlossen und so zog er sie halb mit sich. Seine Schritte waren viel größer als seine, dennoch mühte sich Anyana so gut sie konnte mitzuhalten. Glücklicherwese war der Weg nicht weit, sodass alsbald die Lichtung im Zeltwald vor ihnen auftauchte. Einige vereinzelte Kinder kamen ihnen entgegen, auf ihren Gesichtern las Anyana Furcht. Ein beklemmendes Gefühl legte sich zum Schmerz auf ihre Brust. Was war geschehen? War Fara zurückgekommen? Oder die anderen Wölfe? Aber sie waren doch freundlich gewesen? Verwirrt warf sie einen Blick zu Stephan, der die Augen starr geradeausgerichtet rannte, bis sie gemeinsam den Platz erreichten. Seine warme Hand ließ die ihre los. Augenblicklich vermisste Anyana das Gefühl seiner Haut, den Schutz, den der ältere Junge ihr bot. Doch er musste loslassen, denn die Situation drohte zu kippen.

„Hört auf damit, halt! Nehmt die Stöcke herunter. Hört auf zu schreien, bleibt stehen und seid ruhig. SEID RUHIG!“

Der junge Mann hatte die bedrohliche Situation sofort erkannt. Er versuchte sie zur Vernunft zu bringen, sie zur Ruhe zu zwingen. Panik hatte die Kinder ergriffen – und Panik war nie ein guter Begleiter für sorgsame Gedanken. Stephan hatte die Wölfin erkannt, der er kurz zuvor begegnet war. Und auch die Jungen, die nun mit Stöcken und Fackeln bewaffnet die Tiere in Schach hielten. Der Anführer der kleinen Kinderschar eilte mit wenigen Schritten zu den Jungen und hob abwehrend die Hände. Dabei hatte er den drei Wölfen den Rücken zugewandt – und hoffte, dass er der Wölfin vertrauen konnte, so wie er es vorhin getan hatte.


- Avis - 05.01.2015

Wenn mich jetzt, genau in diesem Augenblick jemand fragen würde wie es mir geht, würde ich glatt sagen -Hoffnungslos überfordert!!!- Meine Sinne waren überfüllt mit Eindrücken und mit jeden Neuen, der dazu kam, würde meine Angst größer. Ja, ich hatte Angst. Angst vor den Menschenwelpen, die so laut waren, Angst das wir es nicht schaffen würden, Angst, dass Kimya etwas passieren könnte, oder Chu. Mein einziger Lichtblick war Chu. Sie hatte doch unter denen gelebt, warum griffen sie trotzdem zu Stöckern. Wir versuchten uns vorran zu kämpfen und mit jedem Meter, den meine Pfoten mich vorwärts trugen, wurde alles irgendwie nur noch schlimmer. Aber mich musste jetzt einfach stark bleiben, stark für meinen Bruder, immerhin war ich doch der mutige. Chu ging weiter, wir folgen ihr und hinter uns waren Skadi und Tamias. Mitten im Chaos hörte ich plötzlich Skadi, ihre Stimme. Laut. Deutlich. So klang sie, wenn wir dringend gehorchen sollten. Mein Kopf drehte sich um, ihr Blick war mir unklar, oder eher unbeschreiblich. Hatte sie ebenfalls Angst? Wir sollten gehen und uns nicht umdrehen oder zurückkommen? Warum bitte sollten wir auch zurück, wenn wir alle gehen? Mein Blick glitt zu Chu, ich hatte jetzt keien Zeit für Fragen, keine Zeit um zu denken, einfach handeln. Mein Blick glitt ernst zu Chu. Ich stupste meinem Bruder in die Flanke.

"Los komm Kimya, beeilen wir uns, auf der anderen Seite sind bestimmt Deka und die Anderen!"

Das hoffte ich zumindest. Tamias Stimme ging durch meinen klopfenden Herzschlag fast unter. Überlaut schien er.

"Chu?"

Was eher wie eine hilflose Frage klang als alles Andere. Chu kannte den Weg. Sie würde uns sicher über die Brücke bringen.


[Bei Kimya, Skadi und Chu, ebenso Tami]


- Dekaja - 14.01.2015

Ich wusste für einen Moment selbst nicht, wie am besten zu reagieren war. Vielleicht war es nur eine Schrecksekunde gewesen, ein Schrei der Überraschung wegen. Wir hatten ja gar nichts gemacht! Wir wollten nur etwas mitsingen und ihnen bei ihren Bewegungen zusehen, aber vielleicht wäre es besser gewesen, uns vorher bemerkbar zu machen. Aber ob sie dann nicht sofort weggelaufen wären? In meinem tiefsten Inneren verstand ich nicht, was wir falsch gemacht hatten, dass die Leichtigkeit eben einer angespannten Situation gewichen war. Etwas ängstlich legte ich die Ohren an und schien für ein paar Sekunden nicht in der Lage, auf Tryss zu reagieren, der mich schon etwas zurückzog. Nur ein paar unsichere Tapser machte ich zurück in seine Richtung, während meine Gedanken sich etwas hilflos anfühlten, weil ich den Menschenwelpen gerne gesagt hätte, dass sie keine Angst vor uns zu haben brauchten. Aber so wie ich nicht verstand, was sie sagten, so verstanden sie wohl auch uns nicht.

„Aber…Tryss…“,

entgegnete ich holprig. Meine Zunge fühlte sich kurz wie gelähmt an im Gegensatz zu der von Rúna oder Tryss. Aber dann ertönte eine lautere Stimme. Ich hatte keine Ahnung, was die Worte bedeuteten, denn er war auch an die anderen Menschenwelpen gerichtet. War es der Aufruf, sie anzugreifen? Oder war der junge Mann ihnen positiv gesinnt? Ich konnte es nicht ausmachen, ich verstand es nicht, aber Rúnas Aufforderung hallte in ihren Gedanken wieder und brachte mich dazu, meine Starre zu beenden und mich aufzurappeln und Tryss zu folgen..

„Ich wünschte…ich könnte verstehen, was er da sagt…aber…wir sollten zur Brücke …zu den anderen, damit wir sie überqueren können.“,

entgegnete ich etwas traurig ob des Ergebnisses der Annäherung. Ich hatte mir das alles irgendwie anders und leichter vorgestellt und nicht, dass nur diese vorsichtige Annäherung zu Angst bei der anderen Spezies führen würde. Aber manche Wölfe waren da ja nicht anders, wenn sie plötzlich Menschen sahen. Ich dachte an Alvarez. Während ich neben Tryss lief, hielt ich etwas den Kopf gesenkt, sah aber immer wieder zurück, nur aus Neugier, um zu sehen, ob sich die Kinder beruhigten oder etwas anderes taten.

[folgt Tryss und Rúna, entfernt sich von den Kindern und Stephan]