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Passus VI - Eine wundersame Begegnung - Druckversion

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- Die Kinder - 11.06.2014

Noch immer liefen die Tränen über das Gesicht des kleinen Mädchens. Das war es, wie sie sich in diesem Moment fühlte: Wie ein kleines Mädchen, hilflos, weil sie nichts tun konnte, um Fara am Gehen zu hindern und weil sie eben sowenig dagegen tun konnte, dass sich ihr Herz in der Brust zusammenzog und nicht aufhören mochte zu schmerzen. Noch als Fara aus ihrem Blick verschwunden war, spürte Anyana die feuchte, rauhe Wolfszunge auf ihrem Gesicht, wie sie versuchte die Tränen fortzulecken. Lange sah die Kleine ihrer besten Freundin nach. Ob sie sich je wiedersehen würden? Anyana hoffte es, inständig, nein sie klammerte sich fest an diesem Gedanken. Denn dieser andere, der leise in ihrem Herzen nagte, dass dies ihre letzte Begegnung gewesen sein könnte, hätte den Abschiedsschmerz nur noch größer werden lassen. So saß das Mädchen, lange, blickte in den tiefen Wald, der ihr so leer vorkam und auf die Stämme der Bäume, die ihr trüb, grau und leblos erschienen. Irgendwann riss sie sich los, zwang sich aufzustehen und die restlichen Tränen von den Wangen zu wischen. Dann wandte sie die Augen ab von der Stelle, an der die kleine Wölfin mit ihrem neuen Freund im Wald verschwunden war und lief zurück ins Lager. Sie drehte sich nicht noch einmal um.

_____________________________

Die Musik beruhigte die Kinder. Sie lächelten, tanzten am Rande des Platzes um die Flötenspieler und Geiger herum und vergaßen für diesen Moment all ihre Sorgen. Hin und wieder kam eines der Mädchen vorbei und wollte ihn zum Tanzen auffordern, doch Stephan lehnte höflich ab. Ihm stand der Sinn nicht nach Vergnügen, obwohl es ihm sicher gut getan hätte. Noch immer vermisste er Anyana und als die Sorgen zu groß wurde, beschloss er doch sie suchen zu gehen. Leise zog er sich rückwärts in den Schatten eines Zeltes zurück und hoffte, dass sein Verschwinden nicht zu sehr auffallen würde. Dann huschte er durch das Labyrinth aus Stoffhütten und steuerte den Waldrand an. Wann immer Anyana und Fara verschwunden waren, hatten sie die Umgebung erkundet. Es war wohl der beste Anhaltspunkt. Der Weg war nicht weit, doch Stephan achtete darauf nicht die belebten Wege zu gehen. Viele waren am Sammelplatz um der Musik zu lauschen, aber sicher nicht alle. Also schlich er sich zwischen den Zelten durch. Was er aber sah, als er um eine Ecke bog, hatte er nicht erwartet. Wie angewurzelt blieb der junge Mann stehen. Nur wenige Meter von ihm entfernt stand ein Wolf, nicht so klein wie Fara, überhaupt nicht so klein, sondern ausgewachsen und groß. Was tat sie hier? War sie neugierig geworden? Wollte sie Essen stehlen? Stephan versuchte einen Blick in die Augen des Wolfes zu erhaschen. Und achtete dennoch darauf, sich nicht allzu viel zu bewegen.

[Stephan ist bei Rúna, Anyana auf dem Weg zurück ins Lager]


- Rúna - 11.06.2014

Lange Zeit war ich den Menschen nicht mehr so nahe gekommen, wie es jetzt der Fall war. In mitten der komischen Höhlen, die sie aus der Haut toter Tiere gebaut hatten, streunte ich auf den von vielen Kinderfüßen platt getretenen Wegen entlang. Alles was ich sah faszinierte mich, die Körbe, die Feuerstellen, die herumliegenden Bündel und jeder noch so kleine Gegenstand den ich erblickte wurde kurz bewittert, seltener auch einmal beleckt. Ich war sehr vorsichtig bei dem was ich tat, denn ich wusste nur zu gut, wie viel Gefahren einem Unwissenden die Welt bescherte und in diesem Lager war ich nichts anderes als ein junger und neugieriger Welpe. Ein Korb voller Rüben weckte meine Neugier und an einem Feuer stand ein Topf in dem die Reste einer wässrigen Suppe ruhten. Tief sog ich den seltsamen Geruch in meine Nase, wagte jedoch auf Grund meiner Erfahrungen nicht, davon zu probieren. Zögernd stupste ich allerdings den darin liegenden Löffel an, der mit einem leisen Klappern zurück an den Rand fiel. Kurz zuckte ich zurück, von dem Geräusch überrascht und setzte meinen Weg schließlich fort.

Gedanken an die Gemeinschaft, die anderen, die Jungrüden, Tamias der die fremde Wölfin suchte, zogen sich aus meinem Bewusstsein zurück, wie es auch das Meer bei Ebbe tat. In diesem Moment waren sie nicht wichtig, das hier, das Neue, das Unbekannte, das war es was mein Herz, meinen Kopf und mich gänzlich erfüllte. Später würde ich dies vielleicht bereuen, würde ich mich selbst einen Tor schimpfen. Doch hier und jetzt war ich nicht in der Lage, die Situation auf diese Weise zu begreifen.

Irgendein kleiner Teil in mir spürte, dass mir jemand folgte, hätte vielleicht sogar bemerkt, dass es Alvarez war. Aber viel zu sehr waren alle meine Sinne damit beschäftigt so viel wie möglich von der fremden Umgebung und dem was sie mir bot auf zu nehmen. Immer wieder sah ich auf, lauschte der Musik und den Geräuschen die jene begleiteten, taub für alles andere, das meinen Ohren verraten hätte, dass sich mir eines dieser menschlichen Welpen näherte.

Plötzlich stand er da, ein Welpe noch, aber wohl ähnlich wie Avis und Kimya, längst nicht mehr so jung und unbeholfen, wie es das Wort zunächst vermuten ließe. Er bewegte sich ruhig, gab keinen Laut von sich und wirkte weder verängstigt noch aggressiv. Nur sein Blick, der auf mir ruhte, hatte eine seltsame Wirkung auf mich. Wohl ebenso langsam wie auch der Junge setzte ich mich auf die Hinterläufe und blickte den forschenden Augen entgegen, neugierig und fragend und ich fühlte wie der Wunsch in mir zu brennen begann ihn zu verstehen, zu begreifen wer er war, wie er lebte und die Worte die er sprechen würde zu verstehen. Aufmerksam waren meine Ohren auf ihn gerichtet, die Rute eng um meine Pfoten gelegt…. Mein Herz pochte, doch mit jedem Schlag wurde es unter dem Blick des Jungen immer ruhiger.

[streunt durchs Lager | trifft schließlich auf Stephan]


- Dekaja - 11.06.2014

Ich bemerkte die Wut in Tryss' Augen sehr wohl. In gewisser Weise konnte ich auch nachvollziehen, was er dachte. Höchstwahrscheinlich war noch immer Avis das Problem, aber ich wollte nicht, dass das jetzt noch einmal ausartete und das vor den Menschen. Sie könnten das fehlinterpretieren und in Bezug darauf, was für ein Theater einen Tag zuvor noch wegen meines forschen Auftretens gemacht wurde, hielt ich das durchaus für relevant. Meine eigene Stimmung war durch den Streit zwischen Alvarez und Skadi wirklich in den Keller gesunken. Reichte es denn nicht, wenn man sich einmal angegangen wurde? Wahnsinn. Es wurde immer besser. Entnervt schleifte ich Tryss nun mit mir, völlig gleichgültig darüber, was die anderen sagten. Denn, wer nur Streit im Kopf hatte, brauchte mir nun eh nicht zu kommen mit Vorsicht oder irgendetwas anderem. Als ich sah, wie Tryss mich anstarrte, ja, geradezu angrinste, stahl sich auch eines auf meine Lefzen und ich wirkte wieder entspannter.

"Selbst eine Dekaja verliert mal die Geduld...vor allem, wenn damit ein schier einmaliges Erlebnis verdorben wird. Und ich hasse Warten! Das weißt du doch!",

blaffte ich belustigt und freute mich sehr, dass Tryss' Laune wie weggeweht wurde. Auch meine Stimmung hob sich sehr schnell, aber es war nicht verwunderlich. Ich konnte mich schon immer mit sehr kleinen Dingen begeistern. Und die Tatsache, dass wir ENDLICH mal vom Fleck kamen, schien das sehr zu erleichtern. Dann sah ich Tryss erschrocken und mit geweiteten Augen an, als er sprach.

"Süß? Was soll das...denn heißen? Ich bin niemals......süß!",

gab ich zurück und zwickte dem Rüden, der wie ein Bruder für mich war, spielerisch in die Flanke.

"Nenn mich niemals....süß! Aber ich muss sagen...auch du kannst durchaus sehr niedlich aussehen, wenn du wütend bist!",

stichelte ich voller Humor weiter und spürte deutlich wie meine Stimmung sich weiter emporschraubte und ich den Vorfall zuvor vergaß. Noch mehr, als Tryss stehen blieb und die Ohren aufstellte und ich es ihm verwundert gleich tat.

"Oh...sie können aber schön singen! Und so ausdauernd! Wie wir! Wusstest du davon? Wollen wir zu ihnen gehen und nachsehen, wie sie heulen? Ich würde es nur zu gerne sehen. Vielleicht dürfen wir auch mitsingen!"

Die Idee kam mir eher spontan, aber irgendwie fand ich den Gedanken wunderbar, speziesübergreifend. Und wieso sollten Menschen vor einem heulenden Wolf Angst haben? Selbst die Kinder?

"Außerdem...falls jetzt wieder die Angstmasche kommt...heulende Wölfe beißen nicht!",

fügte ich hastig hinzu.


[bei Tryss | langsam Richtung Lager]


- Tamias - 15.06.2014

Langsam und ausgeglichen trabten wir in die Richtung, wo sich eigentlich Tryss und Co befinden sollten. Runas Fährte verlor ich ein wenig aus der Nase, folgte statt dessen Skadis.
Plötzlich erklang ein Gesang der Menschen. Ich riss meinen Kopf hoch und sah in die Richtung aus der es kam. Sowas hatte ich noch nie gehört. War es sowas wie ein Geheule der Zusammengehörigkeit? Trauerten sie um Chu? War ihr Mensch also schon zu den anderen gekommen? Ich musste Skadi und die anderen finden. Ich hatte kein gutes Gefühl dabei sie alleine zu lassen. Einigen fiel es so schwer sich an Regeln zu halten. Hoffentlich machten sie keinen Unsinn.
Es fiel mir schwer mich zu konzentrieren und gleichzeitig auf Chu´s Fragen zu antworten. So blieb ich kurz stehen und sah sie an. Sie hatte offensichtlich absolut keine Vorstellung von dem, wozu Menschen fähig sind. Ich atmete einmal tief durch. Eines Tages müsste sie es eh erfahren.

"Um zu überleben, jagen wir und reißen Wild. Menschen essen auch Wild aber nicht wie wir um zu überleben, sondern um täglich satt zu werden. Du weißt was sie essen. Sie brauche nicht nur Fleisch, sie essen auch andere Sachen. Wir eher weniger. Wenn ein Wolfsrudel Wild erlegt, was den Menschen gehört, dann sind die Menschen wütend auf uns und haben Angst, irgendwann nicht mehr von ihrem Fleisch satt zu werden, wenn sie es mit uns teilen. Also verjagen sie uns, fürchten uns und im schlimmsten Fall töten sie uns. Das ist schon sehr sehr lange so. So lange, das die Menschen uns fürchten und sofort auf uns Jagd machen, wenn sie uns sehen. Die großen Menschen auf jeden Fall machen das so. Einige von uns haben durch solche oder ähnliche Vorfälle die Familie verloren, Geliebte verloren, ihr zu Hause verloren. Manche können es nicht gut verarbeiten und hassen die Menschen dafür. Nicht jeder Mensch ist gleich, aber der Hass sitzt manchmal so tief, dass man nicht unterscheiden kann und will, welcher Mensch was getan hat. Mensch ist Mensch und so sehr wir sie fürchten, so sehr fürchten sie auch uns. Es gibt keine gemeinsame Basis zwischen Mensch und uns wilden Wölfen. Du, Chu, bist die Ausnahme.

Ich blieb immer noch stehen und sah sie an. Ich wollte sie nicht verängstigen, jedoch musste sie ja wissen wieso wir sind wie wir sind. Sie war noch jung und wenn sie verstand, was ich ihr sagte, war sie Kimya und Avis schon einen Schritt voraus. Es war so wichtig, dass alles um uns herum mal kurz warten konnte.
Geduldig wartete ich auf ihre Reaktion, die hoffentlich nicht all zu verstört war.

[Bei Chu / erklärt ]


- Tryss - 15.06.2014

Und wie ich wusste, wie sehr sie das Warten hasste. Ich grinste Deka noch immer fröhlich an und hatte so gut wie vergessen, dass hinter uns ein Streit zwischen Skadi und Alvarez tobte. Genauso hatte ich Avis vergessen und beinahe auch schon, warum ich kurz zuvor eigentlich so schlechte Laune gehabt hatte. Als Deka nun auch noch begann abzustreiten, dass sie süß war, musste ich unwillkürlich lachen.

„Nicht süß? Na gut, dann eben... ganz entzückend. Du solltest das öfter machen. Nachher, wenn Tamias zurückkommt vielleicht. Der wird Augen machen.“

Der Gedanke an Tamias' entsetzten Blick, wenn Deka ihn zur Schnecke machte, ließ das Lächeln auf meinen Lefzen noch ein wenig breiter werden und fast wünschte ich mir, dass mein Tagtraum bitte sofort Wirklichkeit werden würde. Leider nutzte Deka die Gelegenheit, um sofort zurück zu feuern.

„Niedlich?“

Ein empörter Ausdruck trat in meine Augen und meine Ohren klappten enttäuscht nach hinten.

„Du kannst doch einem Rüden nicht sagen, dass er niedlich aussieht, wenn er wütend ist. Dann muss er... groß und stark und einschüchternd sein. So wie ein Bär, dass jeder sich vor Angst hinter dem nächsten Baum verkriechen möchte. Aber niedlich? Dir ist klar, dass du damit nicht zur Steigerung meines Selbstwertgefühls beiträgst?“

Es klang wie ein Vorwurf, doch die wieder aufgerichteten Ohren und der schelmische Blick machten schnell klar, dass meine Worte nicht unbedingt bitterernst gemeint waren. Und zum weiteren Streiten blieb ohnehin nicht viel Zeit, denn die Musik war da und nun hatte sie auch Deka bemerkt. Ich war stehen geblieben ja, doch der Zustand der Starre hielt nicht lange an. Wie verzaubert legte ich den Kopf zur Seite und lauschte den Klängen.

„Nein, wusste ich nicht. Hör nur, wie schön es klingt.“

Ich schloss kurz die Augen und wog den Kopf hin und her, ganz berauscht von den sanften Tönen und dem lieblichen Gesang. Als Deka vorschlug zu ihnen zu gehen, öffnete ich die Augen und nickte ich eifrig mit dem Kopf. Nein, dieses Mal würde ich keine Angstmasche auspacken. Kurz war ich geneigt mich zu Skadi umzudrehen und sie zu fragen, was sie von der Idee hielt. Blödsinn, schalt ich mich selbst. Wenn wir nun wieder zu diskutieren anfingen, würden wir die Menschen niemals zu Gesicht bekommen. Zunächst zögerlich, dann immer schneller, begann ich die Pfoten voreinander zu setzen. Es war, als wären wir mit einem Seil eingefangen worden und würden nun magisch zu den Kindern hingezogen.

„Aber ich glaube, mitsingen will ich lieber nicht. Nachher verschwinden sie noch, weil es so schief klingt.“

flüsterte ich Deka leise zu – und meinte es ganz ernst, auch wenn es nach einem weiteren Scherz klang.

[Bei Deka, in Richtung Musik]


- Kimya - 16.06.2014

Das nervöse kribbeln der neugier wollte garnicht mehr locker lassen. Egal ob er mehr wusste, irgendwas würde er mir schon noch erzählen können. Das konnte ja nicht alles gewesen sein, unmöglich. irgendwas fehlte da doch noch, aber was? Sie sieht aus wie wir, aber wie genau, ich brauchte mehr Details.

"Ja, ich will sie unbedingt kennenlernen, wie genau sieht sie denn aus? Ich will sie sofort erkennen."

Am liebsten wäre ich einfach vorraus gerannt ohne den genauen weg zu kennen, es konnte doch nicht sein, dass Avis sie schon gesehen hatte. Ich muss sie sofort auch sehen! Am besten jetzt gleich! Ich war der traumwelt für diesen kurzen augenblick vollkommen entflohen und brauchte einfach nur noch Details, egal wie unwichtig. Hauptache wir beide würden gleich viel wissen, oder ich sogar mehr.
So schön die erinnerungen auch waren die Avis nun weckte, in gewisser weise machte es mich auch traurig. Mama.. Ich vermisse Mama.. Ich vertraue ihr immernoch, ich würde ihr wieder vertrauen, aber sie ist nicht mehr hier. Bestimmt ist ihr etwas passiert und wir können nichts tun. Mama hat uns gehütet und beschützt, bestimmt kommt sie irgendwann wieder.
Ich senkte den kopf leicht, ich konnte Avis nicht anschauen, wenn er soetwas erzählte. Es bereitete mir ein mulmiges gefühl über etwas so wichtiges nachzudenken, einer solch wichtigen person nachzutrauern.
In gedanken vertieft lief ich einfach weiter und hörte die aufgeschreckte frage meines Bruders garnicht. Der blick gesenkt und die seltsamen töne unbewusst wahrnehmend. Die seltsamen klänge waren zu ungewohnt, als dass sie wirklich da sein konnten. Es musste in meinem kopf sein. Die Schnauze Skadis war ein schatten den ein Ast warf, es gab nichts was hätte beunruhigend sein können. Oder mich gar zum Anhalten bewegen könnte. Einen schritt nach dem anderen, weglaufen vor den gedanken an Mama. Nur irgendwie wollen die einfach nicht liegen bleiben, sie kommen mit...

[bei Avis uns Skadi | läuft einfach weiter]


- Avis - 19.06.2014

Mein Bruder war doch echt....ich starrte ihn wahrscheinlich ziemlich eigenartig an. Ich hatte ja an und für sich wahrscheinlich mit vielen Fragen gerechnet, allein weil ich Chu halt eben schon gesehen hatte, allerdings nicht mit so einer. Manchmal war mein Bruder echt ein Träumer, aber das dürfte ich auf gar keinen Fall laut aussprechen, dann würde er mir wahrscheinlich die Rute abbeißen. Ich musste mich bemühen um weiter meine ernste Fassade aufrecht zu erhalten, obwohl ich am liebsten lachend losgebellt hätte. Trotz allem konnte ich den Schalk trotz dieser ganzen miesen Situation mit Tryss nicht ganz aus meinem Blick verbannen. Ja. Mein Bruder brachte mich doch tatsächlich zum lachen. Ich versuchte meine Stimme beherrscht klingen zu lassen, aber das misslang mir gründlich.

„Ääähm...sie sieht aus wie ein großer schwarzer Baumstamm und hat ein Geweih.“

Jetzt musste ich meinen Blick abwenden um meinen Bruder nicht anzugrinsen.

„Mal im ernst Kimya, wie soll sie denn aussehen? Sie ist eine Welpin wie wir, also kannst du sie gar nicht übersehen, zumal du doch alle anderen Wölfe hier kennst oder?!?“

War mein Bruder so in seiner Neugier gefangen das er diese Tatsache glatt vergessen hatte. Naja egal. Ich versuchte mein Gemüt wieder etwas zu beruhigen, was auch gar nicht schwer war, denn unser anderen Gesprächsthema schlug mir eh gleich auf den Magen und hinterließ einen bitteren Beigeschmack in meiner kehle. Kimya war nicht bereit um über Mama zu reden, das war ihm sehr deutlich anzusehen, vor allem als er seinen Blick von mir abwandt. Am Liebsten wäre ich direkt zu ihm gegangen um ihn zu trösten, er war mein Bruder, ich wollte nicht das es ihm schlecht ging, aber leider war ich nicht in der Lage etwas an der ganzen ursprünglichen Situation zu ändern. Das konnte nur Arkanis Rückkehr und die kam mir, mit jedem Sonnenstrahl der am Morgen die Erde erhellte, unwahrscheinlicher vor. Ich war in dem Sinne Realist. Ein Blick auf meinen Bruder zeigte mir, dass er nun offenbar seinen Gedanken nachhing und wenn er dies tat, bekam er von seiner Umgebung meist kaum was mit. Ich kannte ihn. Mein Blick fuhr wieder nach vorn...dieses komische Geräusch, kam es näher? Was hatte das zu bedeuten?

Mitten in meinen letzten Gedanken erschreckte mich plötzlich Skadis Stimme. Die Fähe war zwischen uns getreten und schaute in Richtung Lager. Ihr Blick war ernst, wie immer. Ich schlucke und schaute sie kurz an. Meine Ohren zuckten. Ja, wer konnte schon wissen was sie planen würden, aber der Menschenwelpe bei Chu hatte nichts getan, im Gegenteil. Aber ich kannte die Geschichte meiner Mutter, Skadi hatte sie mir erzählt. Mein Herz schlug plötzlich schneller und kurz nur war Panik in meinen Augen zu sehen, dann schloss ich sie, sammelte mich. Ich musste stark sein, für Kimya. Immer. Skadi war nun so dicht an uns heran getreten, das ich sie spüren konnte. Wärme. Vertrauer Geruch. Es senkte meine innerliche Panik. Meine Stimme klang trotzdem belegt.

„Verstanden, wir bleiben zusammen! Denkst du sie tun uns was?

Mein Blick fiel auf Kimya, der immer noch seinen Gedanken nachhing und wahrscheinlich kaum zuhörte, aber die Sache war jetzt langsam ernst...und diese komischen Töne machten es nicht leichter.

„Kimya? Hast du auch verstanden?“



[steht bei Skadi und Kimya, versucht trotz leichter Panik Ruhe zu bewahren]


- Chu - 21.06.2014

Irritiert hielt auch ich inne, als Tamias stehenblieb, und blinzelte fragend zu ihm empor. Konzentriert krauste sich die kleine Stirn, während ich versuchte, auch wirklich alles zu verstehen, was er mir erzählte. So ganz gelang es mir nicht, stattdessen schossen mir tausend neue Fragen durch den Kopf.

“Aber ein Reh gehört doch niemandem“, wandte ich ein. “Oder meinst du ein Schaf? Die darf man nicht essen.“

Das hatte ich schon gelernt, als die Kinder einmal an einem Hirten vorbeigezogen waren. Jagen durfte man sie auch nicht, obwohl sie so lustig davonflitzten, wenn man nach ihren Beinen oder Schwänzchen schnappte. Eins hatte mich getreten. Aber das alles erklärte noch lange nicht, wieso Menschen und Wölfe unbedingt im Streit leben mussten. Konnten die Wölfe denn nicht einfach das Wild aus dem Wald fressen und die Menschen ihre Schafe? Oder vielleicht fußte diese Feindschaft ja auch auf einem ganz simplen Missverständnis, das man problemlos aus der Welt schaffen könnte, wenn man einander nur besser verstehen würde?

“Meine Mama ist auch weg“, verkündete ich schließlich. “Aber deshalb bin ich nicht böse auf die Menschen. Sie können ja nichts dafür.“

Ich konnte nicht verhindern, dass meine Stimme bei dieser Feststellung ein wenig zitterte. Mama war eines Tages auf die Jagd gegangen und nicht mehr heimgekommen, aber das hatte nichts mit den Menschen zu tun. Und sie hatte auch keine Schafe gejagt, sondern kleine Waldtiere. Glaubte ich zumindest. Den Rest versuchte ich ganz fest auszublenden. Den Lärm, den ich damals gehört hatte, und die seltsamen Geräusche wie das Hundegebell und das aufgeregte Jaulen. So klangen doch keine Menschen! Vielleicht waren Hunde böse, aber Anyana, Stephan und die anderen Kinder waren es definitiv nicht. Jedenfalls konnte ich nicht verstehen, wie irgendjemand so etwas glauben konnte. Das alles musste ein riesengroßes, schlimmes Missverständnis sein und ich hatte immer wieder das Bedürfnis, ihm zu widersprechen. Menschen waren nicht alle gleich, sie waren so unterschiedlich wie Tamias und ich. Aber die meisten waren nett – warum konnte er das denn nicht sehen? Doch ehe ich diese Gefühle überhaupt in Worte fassen konnte, kam mir ein neuer, viel furchtbarerer Gedanke.

“Mögen sie mich dann auch nicht?“

Wenn sie die Menschen so sehr hassten und ablehnten, dann würden sie doch auch mich nicht bei sich haben wollen. Ich war ja schließlich ein halber Mensch – ich mochte die Zweibeiner nicht nur, sondern sie hatten mich auch aufgezogen und ich hatte mir so Vieles von ihnen abgeschaut. Mit den Menschen kannte ich mich aus, dagegen hatte ich lediglich eine schwammige Vorstellung davon, wie ein Wolf in der Wildnis lebte. Verstohlen huschte mein Blick zurück in Richtung des Lagers. Sie würden mich ganz sicher nicht mögen.

[bei Tamias]


- Dekaja - 23.06.2014

Ich trabte weiter voran und registrierte, wieviel besser die Laune von Tryss nun wurde und hoffentlich auch blieb. War das mein Anteil? Das konnte ich mir gar nicht denken. Ich hatte doch gar nichts gemacht. Aber mir gefiel das natürlich besser als den schlechtgelaunten Rüden neben mir zu haben. Es eignete sich soviel besser für Menschenbesuche. Dann sah ich Tryss gespielt empört an.

„Entzückend? Das wird ja immer besser Was kommt als nächstes? Herzallerliebst?“,

fragte ich ihn lachend, dann neigte ich den Kopf, während meine Rute entspannt und gutgelaunt pendelte.

„Oh ja…und er vertreibt mich noch, weil ich gar nicht mehr hören will und nun auch noch aufmucke. Mal sehen. Vielleicht lasse ich mir die Reaktion von ihm selbst nicht entgehen.“

Ich wusste gar nicht, wie Tryss sich das vorstellte. Zumindest ging ich nicht davon aus, dass Tamias das zulassen würde. Überhaupt dürften wir dann einen sehr guten Eindruck bei dem neuen Wolf hinterlassen. Oh ja, wenn er da mal nicht wieder flüchtete. Dann bemerkte ich Tryss‘ Reaktion auf meine Stichelei und spürte, wie ich wieder unweigerlich grinsen musste.
„Groß. Und stark. Und einschüchternd. Oh, da musst du das wohl noch etwas üben. Vielleicht solltest du dir ein Bärenkostüm zulegen? Könnte hilfreich sein, schließlich hatte ich nicht einmal das Gefühl, das Avis‘ Beine vor dir geschlottert haben. Und er ist ein Welpe.“,

bemerkte ich lachend. Dann stupste ich ihn an.

„Sag bloß, dir fehlt es an Selbstwertgefühl? Armer Tryss. Dann bauen wir es doch etwas auf, indem wir eine Konfrontation mit Menschen überstehen, ja?“,

schlug ich warm vor und blinzelte ihm sehr sanft und freundlich zu. Aber meine Gedanken wurden ebenfalls schon bald von der Musik abgelenkt, der ich lauschen wollte. Einige Sekunden tat ich das auch und schloss ebenfalls wie mitgerissen die Augen, um ihr zu lauschen. Was sie wohl sagen würden, wenn ich tatsächlich ein Heulen ansetzen würde? Würden sie sich erschrecken? Ich wollte es so gerne. Darüber, Skadi zu fragen oder jemanden anders, dachte ich gar nicht nach. Wieso sollte ich so etwas auch tun wollen? Ich war kein Welpe, der andere immer um Erlaubnis bitten musste. Aber genau genommen war ich selbst als Welpe niemals so. Ich folgte Tryss näher an die Musik und die Kinder heran und wollte nun auch sehen, wie sie sangen und ihre Lieder machten. Und dann…dann könnte man ja vielleicht einstimmen. Speziesübergreifend. Ich stellte mir das wahnsinnig faszinierend vor.

„Oh…lass es uns bitte einmal probieren! Aber vielleicht sollten sie uns vorher sehen…dazu. Nicht, dass sie sich erschrecken! Keine Angst, du kannst doch gar nicht schief singen und selbst wenn, das fällt ihnen sicher nicht auf. Mach dir keinen Kopf drum und tue es einfach…aber erst einmal möchte ich sie…sehen!“,

sprach ich.

[bei Tryss, näher zur Musik]


- Skadi - 29.06.2014

Noch immer hielt ich meine Nase zwischen den jungen Wölfen - Avis spitze aufmerksam die Ohren, hörte mir zu - Kimya lief einfach weiter. Der sonst so aufgeweckte und aufmerksame kleine Kimya lief einfach weiter ohne irgendetwas wahr zu nehmen. Über was hatten die beiden nur gesprochen?
mit meinen Lefzen hielt ich kurz die Rute des jungen Wolfes fest, knapste mit den Zähnen in sein Fell - ohne ihn weh zu tun - ich wollte ihm nur signalisieren dass er nicht weiter laufen sollte. Avis fragte im selben Moment ob Kimya auch gehört hatte. Ich ärgerte mich noch mehr über mich selbst, dass ich so Gedankenabwesend gewesen war. Ich hatte das Gespräch von den jungen Wölfen nicht wahr genommen - obwohl sie direkt neben mir liefen. Es musste irgendetwas Trauriges gewesen sein, so wie Kimya sich verhielt. Ich schätzte dass es um Arkanis ging. Ich ging nur zwei Schritte weiter und hatte den Wolf eingeholt - um ihn dann aufmunternd über die Nase zu schlecken. Dann sah ich zu Avis zurück. Dabei fiel mir auf, dass Alvarez und Runa nicht direkt hinter uns waren. Ich konnte sie nicht sehen - vermutete sie aber in der Nähe.

"Ich weiß nicht was sie tun, Avis. Aber wir müssen auf alles gefasst sein. Sie könnten uns toll finden und mit uns befreundet sein wollen - sie könnten aber auch Angst vor uns haben. Die kleine Fähe lebt bei ihnen, das heißt, dass sie Wölfe nicht sofort verjagen oder schlimmeres tun. Aber wenn sie denken das die Fähe zu uns gehört und sie Angst haben das wir sie uns mit Gewalt zurück holen wollen - dann kann alles passieren."

Zählte ich meine Gedanken laut auf. Und wie am Vorabend fügte ich hinzu:

"Wir dürfen auf gar keinen Fall einen Kampf beginnen. Wenn sie uns angreifen fliehen wir - aber wir werden nicht kämpfen wenn es nicht sein muss! Lasst die Rute oben, die Ohren aufmerksam gespitzt. Keine Zähne zeigen. Kein Nackenfell aufstellen!"

Ich klang wie eine Lehrerin und auf eigenartige Art und Weise gefiel es mir. Ein sanftes Lächeln wechselte zwischen den beiden Rüden hin und her. Als würde ich ihnen vorführen wollen, wie man sich freundlich gegenüber den Menschen präsentiert. So schwang auch meine Rute kurz von links nach rechts.
Die Melodie der Menschen drang weiterhin in meine Ohren. Sie begleitete die gesamte Situation. Es klang wunderschön - es schien auf mich eine besänftigende Wirkung zu haben. Die Anspannung kam sobald ich daran dachte was passieren könne - doch sobald ich den Tönen aus dem Lager lauschte überkam mich ein friedvolles Gefühl.

[Bei Kimya und Avis | spricht mit ihnen über das Verhalten gegenüber der Menschen]