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Passus VI - Eine wundersame Begegnung - Druckversion

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- Tamias - 11.02.2014

Als ich den Wölfen so nach meiner Rede in die Augen sah bemerkte ich erst, was ich tat.
Wie egoistisch von mir. Ich hatte nur Chu im Kopf. Ich will doch nur das, wenn sie mitkommt, sich wohl fühlt und wir sie nicht überfordern. Ich will sie keinesfalls vergraulen und würde sie überrumpelt, würde sie vielleicht wieder gehen. Doch vielleicht schätzte ich die kleine Wölfin da völlig falsch ein. Vielleicht war sie stärker als ich dachte und taffer. Wieso mir also Sorgen machen?
Ich hatte so viel geredet um meine eigene Unsicherheit und Angst zu verbergen.
Nach dieser Rede dachten wohl alle, ich würde den Chef hier spielen wollen. Mir liegt viel an dieser Gemeinschaft und ich möchte natürlich, dass jeder unbeschadet durch das Lager kommt, doch ist es nicht diese Sache mit dem beschützen wollen das jeder in sich trägt. Wenigstens den Wölfen gegenüber, die einem am Herzen liegen? Ich möchte doch nur mit dem was ich weiß und gelernt habe die Wölfe hier, grade die jüngeren, davor bewahren die selben Fehler zu machen wie ich es einst tat.
Wir sind eine Gemeinschaft, kein Rudel. Vielleicht vergaß ich das zwischendurch. Nach dieser Aktion würde ich mich wieder zurückziehen.
Nachdem meine Miene durch meine Gedanken ein wenig besorgt zu sein schien und vielleicht für den ein oder anderen die Verzweiflung erkennbar war sagte ich nur recht leise und kleinlaut:

"Passt auf euch auf.."

Nachdem die anderen sich schon Richtung Lager bewegten, ging ich an Skadi vorbei, stupste ihre Schulter an, lächelte kurz und ging dann schnelleren Schrittes in den Wald. Es dauerte nicht lange, da hatte ich schon die Fährte der kleinen Wölfin in der Nase. Bald würde sie mich ebenfalls wittern können.

[richtung chu]


- Chu - 12.02.2014

Begeistert zerrte ich noch fester an dem Fetzen, als Anyana endlich mitmachte und nun ihrerseits nach dem Stoff griff. Für mich war das ein wunderbares Zerrspiel und ich legte mich richtig ins Zeug, weil ich zum ersten Mal seit langer Zeit den Sieg wittern konnte. Normalerweise hatte ich keine Chance gegen das Mädchen – Anyanas Arme waren einfach viel zu lang und sie war zu groß für mich. Wenn sie wollte, konnte sie mir Spielzeug wie das Stöckchen mühelos entziehen. Hier und jetzt war das anders, ich hatte einen Zipfel ihres dünnen Gewandes im Maul und nicht vor, so schnell wieder loszulassen. Dabei meinte ich das überhaupt nicht böse, ich übersah in meiner Begeisterung nur sämtliche Warnsignale ihrerseits. Sie zog ja schließlich am anderen Ende, also musste es ihr doch genauso viel Spaß machen wie mir, oder?
Als sie plötzlich stolperte und nach hinten kippte war ich wohl genauso überrascht wie sie. Mit lautem Ratschen riss der Stoff und Anyana landete unsanft auf dem Waldboden, ich dagegen hatte das Mäulchen nach wie vor fest um den Stofffetzen geschlossen. Ha, gewonnen! Ich hatte tatsächlich gewonnen! Begeistert über meinen unverhofften Sieg sprang ich schnurstracks auf das liegende Mädchen, so dass ihr vermutlich einen Moment lang die Luft wegblieb. Da war ich nun, meine Vorderpfoten in ihren Bauch gestemmt, und schüttelte den Fetzen triumphierend, als hätte ich gerade die kostbarste Beute der Welt erlegt – nur um ihn anschließend prompt wieder fallenzulassen und mich stattdessen auf das nächste Ziel zu stürzen, das sich mir gerade so verführerisch darbot. Stürmisch wusch ich ihr mit der Zunge das bleiche Gesicht und zwickte ihr dabei mehr oder weniger sanft in die Nase. Geteilte Freude war schließlich doppelte Freude!

[auf Anyana am Waldrand]


- Dekaja - 16.02.2014

Ich lächelte, als ich Tryss‘ Entgegnung zu Skadi hörte, was genau dem entsprach, was ich ebenfalls dachte. Außerdem freute ich mich, dass seine Zurückhaltung von gestern wie verflogen war und er so war, wie ich ihn kannte. Sorgen machte ich mir wie üblich natürlich keine. Es würde schon alles glatt gehen. Die neue Wölfin zu sehen war etwas, was ich noch besser fand.

„Oh ja, ich frage mich, ob wir während unserer Wanderung durch das Lager noch andere Entdeckungen machen können? Schade, dass der Wolf uns nicht gleich direkt einmal herumführen kann. Ich hätte so viele Fragen über die Menschen – aber ich schätze, Tamias lässt uns ohnehin nicht lange verweilen.“

Ich seufzte kurz gespielt betrübt auf, nur um Tryss Kritik an Tamias Rede zu hören. Meine Ohren zuckten voller Humor.

„Du kennst ihn doch. Ohne Ermahnungen geht es bei dem alten Griesgram nicht. Ihm wäre es wohl das liebste, wir würden alle brav und distanziert warten, bis er sich um den Wolf gekümmert hat und diesen langsam an jeden von uns heranführen – vorrausgesetzt bis dahin ist keiner vor Ungeduld gestorben. Wie er das dem fremden Wolf erklären will, da bin ich gespannt!“,

lachte ich und neigte den Kopf.

„Nein, ich denke, Tamias kann gerade von uns beiden nicht erwarten, dass wir uns da zurückhalten. Das habe ich bei Rokuta nicht getan und das werde ich auch hier nicht tun. Der Wolf muss doch damit rechnen, dass wir neugierig auf ihn sind. Und außerdem…kann er uns ja genauso viele Fragen stellen. Das ist doch ein faires Angebot, nicht wahr?“,

Mein Fang verzog sich zu einem Grinsen und ich stupste Tryss aufmunternd an, als ich seinen gequälten Blick wahrnahm. Meine Rute wedelte in heller Vorfreude.

„Und schau mal, vermutlich erwartet er von uns ohnehin, dass wir uns so verhalten wie er uns kennt. Er hat mich nicht einmal zurechtgewiesen wegen vorhin. Also…von daher!“

Ich war in ausgesprochen guter Laune und stupste den Rüden abermals an, weil die anderen bereits aufbrachen und ich sicher nicht die letzte sein wollte, wo wir doch die Ersten sein sollten. Ich kniff ihn abermals verspielt in die Flanke. In meinen Augen lag etwas Berechnendes, als erwarte ich geradezu, dass er mir hinterherjagt und rannte wie ein junges Flohbündel nach vorne, an die Spitze des Trupps zu Tamias.

[redet mit Tryss, rennt vor]


- Die Kinder - 18.02.2014

„Autsch...“

Anyana saß auf dem Boden. Die Wurzel über die sie gestolpert war, drückte ihr in die Oberschenkel . Das Mädchen rieb sich den schmerzenden Hinterkopf. Sie war ein wenig unsanft aufgekommen und versuchte mit der Bewegung den Schmerz zu vertreiben, bevor er stark werden konnte. Viel Zeit blieb ihr jedoch nicht sich Gedanken über ihren Kopf zu machen. In ihrem Bauch zog es und das Mädchen konnte für einen Augenblick keine Luft holen. Auf einmal stand Fara auf ihr, einen Stofffetzen im Maul, den sie fröhlich und wild hin- und herwirbelte. Anyanas schmerzverzerrtes Gesicht wich einem voll mit Verzweiflung. Oh nein! Das war ein Stück von ihrem Kleid. Sie blickte auf ihren Ärmel und erlangte die Gewissheit ihrer Vermutung. Ein großer Flicken fehlte. Das Mädchen seufzte.

„Oh nein,... das werde ich flicken müssen. Oh je...“

Die Aussicht darauf gefiel ihr keineswegs. Es mochte Mädchen geben, die gerne Handarbeiten verrichteten und sich den ganzen Tag schön herausputzten. Anyana gehörte keineswegs zu diesen Mädchen. Sie hasste Handarbeiten – Nähen, pah! Die Zeit konnte man viel besser draußen verbringen. Welche Abenteuer konnte es schon bieten ein Kleid zu flicken? Aber in diesem Fall würde ihr kaum etwas anderes übrig bleiben. Was für unschöne Aussichten. Die Schuldige für das Dilemma hatte Anyana auch schnell ausgemacht. Sie wandte den Kopf wieder Fara zu und wollte mit ihr schimpfen. Eine feuchte Wolfszunge ließ er aber gar keine Möglichkeit. Immer wieder fuhr ihr die kleine Wölfin mit ihrem rosa Lappen über das Gesicht. Das Mädchen musste lachen, denn die rauhe Oberfläche kitzelte sie – und der Ärger war so gut wie vergessen.

„Heee, jetzt lass...lass das doch!“

kicherte das Kind und schob Fara sanft an der Nase von sich herunter, um sich wieder aufrichten zu können. Anyana strich sich mit der Hand noch immer lachend die langen braunen Haare aus dem Gesicht.

„Du riechst ganz schön, weißt du das? Ein paar mehr Kräuter und Beeren würden deinem Magen bestimmt gut tun.“

Sie neckte Fara gerne, obwohl sie wusste, dass das Wolfsmädchen sie gar nicht verstand. Das kümmerte das Mädchen nicht. Hauptsache, die kleine Wölfin war bei ihr.


- Tryss - 20.02.2014

Passt auf euch auf.

Passt auf euch auf? Von Tamias' Abschiedsgruß war ich ein wenig irritiert. Wieso sollten wir denn aufpassen? Er würde doch gleich zurückkommen oder nicht? Und immerhin hatte er doch offenbar eins der Menschenkinder getroffen und war unbeschadet zurückgekehrt, was sollte uns denn da passieren? Ich war ein wenig optimistischer als am Vortag. Natürlich drängte sich noch immer der Gedanke an Ares in meine Überlegungen. Doch heute war etwas anders. Wir gingen alle gemeinsam, weil wir es wollten und nicht, weil einer von uns einen Alleingang wagte. Das hier alles war von uns allen geplant und deshalb gab es keinen Grund Schuldgefühle aufkeimen zu lassen. Sollte es zu einem Zwischenfall kommen, waren wir alle gemeinsam stark genug, um uns zu schützen. Wir waren kein Rudel, aber wir waren füreinander da. Das war ein gutes Gefühl.

„Das wäre ja zu schön um wahr zu sein. Nur fürchte ich, dass du recht haben wirst. Außer durchgehen und umsehen wird nichts erlaubt sein.“

Ein weniger gutes Gefühl, jedenfalls für Deka und mich. Ihre Worte munterten mich ein wenig auf, obwohl ich mir immer noch nicht erklären konnte, wie Tamias ernsthaft erwarten konnte, dass wir den Wolf nicht mit Fragen bestürmen würden. Er kannte uns doch nur zu gut. Auf jeden Fall mussten wir die ersten sein, die sich den Wolf für ein Gespräch schnappen konnten. Ich wollte weder Skadi, noch Alvarez, Runa oder Avis und Kimya den Triumph überlassen zuerst mit dem Neuling zu sprechen und all die wundersamen Dinge aus der Welt der Menschen zu erfahren. Ich starrte Tamias noch ein wenig nach, bevor ich bemerkte, dass Skadi schon losging und sich nun auch Rúna in Bewegung setzte. Hätte Deka mich nicht angestupst, wahrscheinlich hätte ich noch einige Sekunden gebraucht, um zu realisieren, dass es nun wirklich endlich los ging. Ich ließ die Rute kurz pendeln und wuffte den beiden Welpen, der Fähe und Alvarez, die am Ende des „Zuges“ laufen sollten, aufregt zu, bevor ich mich umwandte und mich beeilte, Deka und Skadi zu folgen. Schnell hatte ich sie eingeholt und hoffte, dass unser Tempo nicht allzu langsam sein würde. Wahrscheinlich so langsam wie sonst, denn wir mussten ja auch Avis und Kimya Rücksicht nehmen. Dabei konnte es für mich nie schnell genug gehen.

„Ob sie damit rechnen, dass wir kommen? Ich frage mich, ob einige von ihnen wieder diese Stöcker haben werden...“

Die Überlegung kam mir plötzlich in den Sinn, während ich ein wenig hinter den beiden Fähen lief. Die Sorge war nun doch zurückgekehrt. Sie war nicht so groß, wie die, die mich am Vortag geplagt hatte. Doch sie war präsent. Ares war zurück.

[Deka | (Skadi) | an der Spitze des Zuges]


- Kimya - 23.02.2014

Auf uns aufpassen? Wieso denn auf uns aufpassen? Was sollte denn schon groß passieren? Jetzt ging es endlich los und in meinem kleinen Wolfskopf war kein Gedanke von Angst. Und ja, auch nicht von Vorsicht, obwohl das wohl doch ein wenig angemessen wäre. Ich hatte nur den einen Gedanken im Kopf: Wolfswelpin, Menschenwelpen, alles neu. Wie würde es jetzt weitergehen? Tamias ging los und somit setzten sich alle anderen ebenfalls langsam in Bewegung. Ich folgte Tryss. Hatte meinen Blick auf ihn gerichtet, auf seine leicht im Gang schwankende Rute. Fast ein wenig hypnotisiert beobachtete ich sie, wie sie mir als Wegweiser diente, wohlbedacht nicht von dem Weg abzukommen. Ich wollte auf keinen Fall negativ auffallen und daher alles irgendwie verzögern.

“Runa, hast du schonmal Menschenwelpen gesehen?“

, fragte ich die Fähe, die bei uns lief. Sie war immer so still und gab nicht an mit ihrem Wissen, daher musste man sie wohl gelegentlich mal fragen. Wer weiß, vielleicht konnte sie mir die Zeit ein wenig verkürzen und meine Neugierde stillen, bis ich die Menschenwelpen nachher in echt sah. Ich wollte mir außerdem weiter in Tagträumen wirre und abenteuerliche Situationen ausspinnen. Dazu brauchte ich Fakten, mit denen ich diese Träume füllen konnte. Ich wusste zwar nicht, ob ich Runa so große Erfahrungen mit Menschen zutrauen konnte, aber fragen konnte ich sie doch. Natürlich hätte ich auch Avis fragen können... Aber es gefiel mir immer noch nicht wirklich, dass Avis mehr über sie wusste als ich. Das hätte ich ihm natürlich nie verraten und mir wollte ich es auch nicht eingestehen, aber es hinderte mich daran, meinen Bruder so über die Menschen auszufragen, wie ich es wohl sonst getan hätte.

[Hinter Tryss, bei Avis und Runa]


- Avis - 24.02.2014

Kimya schien sich nicht weiter für meine Aussage zu interessieren. Es war seinen Augen deutlich anzusehen. Innerlich rollte ich meine Augen. Gefahr, nun ja. War ja auch ein tolles Wort, aber was konnten wir schon großartig damit anfangen, immerhin haben wir direkt noch nie viel davon mitbekommen. Mein Blick glitt an Kimya vorbei, ich sah wie die Ersten sich jetzt offenbar auf den weg machen wollten. Warum musste ich nochmal hier bleiben, bei dieser Wunderheilerin und meinem Bruder? Ach ja, weil ich klein war, ein Welpe. Einfach nur frustrierend. Ich wollte auch zu Chu und nicht an dieser Gruppenwanderung teilnehmen! Meine Pfote kratzte kurz gelangweilt über den Boden, das konnte ja heiter werden. Aus Kimya war nichts Vernünftiges rauszukriegen, also war es wohl das Beste ich hielt meinen Fang und wartete ab.

Deka und Tryss liefen los und Skadi folgte also setzte ich mich jetzt auch langsam in Bewegung. Da mein Bruderherz offenbar bei dieser Heilerin bleiben wollte und Alva auch eher schweigend einher ging, war es mir reichlich egal, ich ging einfach. Sollten sie doch hinterher hängen! Missmutig folgte ich mit einigen Metern. Zwar konnte ich nicht alles verstehen was gesagt wurde. Aber Tryss und Deka waren doch so laut, das genug bei mir ankam. Zumindest der letzte Satz. Stöcke. Mein Kopf fuhr hoch. Was hatte er grad gesagt? Stöcke? Was wollten die denn mit Stöcken? Ich drehte mich kurz um. Hinter mir liefen Runa, Alva und Kimya, aber ich war zu stolz und die Fähe zu fragen, also verkniff ich mir meine Frage, schluckte sie runter und ging stumm weiter, ich würde ja gleich sehen wie es weiter gehen würde. Innerlich war ich sehr gespannt was jetzt aus Chu werden würde? Ob sie mit uns kommen würde? Unmöglich konnte sie bei den Menschen bleiben, die verstanden sie doch gar nicht!

[läuft zwischen Skadi und dem Rest (Kimya, Alva und Runa) allein hinterher]


- Tryss - 26.02.2014

Spielleitung

Es dauerte einen Moment, bis sich die Gruppe sortiert hatte. Doch dann ging der Marsch zum Lager schnell voran. Die Gemeinschaft näherte sich von Südost dem Lager. Zunächst schlugen die Wölfe einen kleinen Bogen Richtung Schlucht, bevor sie am Rand der kleinen Zeltstadt angekommen, sich vorsichtig ins Innere vorwagten. Noch war es früh, einige Kinder schliefen noch. Doch lange unbemerkt blieb die kleine Gemeinschaft nicht. Während Skadi gefolgt von Deka und Tryss vorangingen, hielten sich die Jungwölfe dicht zwischen dem jungen Rüden und Alvarez am Ende des Zuges. Auch Rúna hatte die Gruppe wie besprochen begleitet, sich aber im Wissen, dass es den beiden Welpen gut ging und sie ausreichend Schutz hatten, voller Neugierde auf die Kinder ein wenig zurückfallen lassen.

Währenddessen fand am südöstlichen Rand des Lagers ein weiteres Zusammentreffen statt. Doch anders als im Lager, wo die Menschenkinder kaum mit dem Erscheinen so vieler Wölfe auf einmal gerechnet hatten, musste die kleine Fähe Chu zwangsläufig damit rechnen, dass der große Rüde vom Vortag noch einmal auftauchen würde. Und das tat er. Tamias hatte nicht lange gebraucht um den kurzen Weg vom Rastplatz zu dem Menschenkind und der kleinen Wölfin zurückzulegen. Nun wollte er ihre Entscheidung hören.



- Chu - 28.02.2014

Zwar protestierte Anyana ein wenig, als ich auf ihr herumturnte und ihr Gesicht wusch, aber die Entrüstung hielt nicht lange an. Bald schon lachte das Mädchen wieder und schob mich sanft aber bestimmt von sich herunter. Bereitwillig räumte ich das Feld – ich hatte mich jetzt ausreichend in meinem Sieg gesonnt und als guter Gewinner musste man aufhören, wenn es am Schönsten war. Schon war das Mädchen wieder auf den Beinen und obwohl ihr Gewand bei unserem Zerrspiel ein bisschen gelitten hatte, wirkte sie nicht sonderlich empört. Ich verstand kein Wort von dem, was sie sagte, aber sie kicherte dabei fröhlich, weshalb ich zustimmend mit der Rute wedelte und gut gelaunt um ihre Beine sprang.
Dann witterte ich ihn plötzlich und blieb wie angewurzelt stehen. Ein Schauder lief mir über den Rücken, aber ob es ein wohliger war oder ich mich fürchtete, konnte ich nicht sagen. Vielleicht von beidem ein bisschen. Winselnd blickte ich zu Anyana – was sollte ich jetzt nur tun? Obwohl er es doch versprochen hatte, hatte ich insgeheim nicht daran geglaubt, dass er meinetwegen tatsächlich zurückkommen würde. Doch den Geruch, der mir jetzt in die Nase stieg, hätte ich niemals verwechseln können. Es roch wild, aufregend, gefährlich, fremd und zugleich doch vertraut. Es roch nach Familie und Abenteuern, aber auch nach einem Leben, das mir gänzlich unbekannt war und mir Angst machte. Es roch nach Wölfen, aber keinem, wie ich einer war. Wie gebannt starrte ich in den Wald und traute mich dabei kaum zu blinzeln. Und dann war es so weit und aus dem Schatten der Bäume trat der Wolf, dessen Namen ich noch nicht einmal kannte.

“Du bist zurück“, piepste ich mit bebender Stimme.

Plötzlich fühlte ich mich wie auf dem Präsentierteller, als würden alle Blicke auf mir ruhen, dabei mochte ich das gar nicht. Unauffällig rückte ich ein Stückchen näher an Anyana heran. Nicht weil ich glaubte, dass sie mich beschützen musste, sondern einfach weil ihre Nähe mir Kraft gab. Ihr Geruch war so vertraut und tröstlich wie nur wenige Dinge auf dieser Welt. Mit bangem Blick beäugte ich den Wolf. Ich ahnte, warum er gekommen war und was er nun von mir hören wollte, fühlte mich nichtsdestotrotz allerdings völlig überwältigt. Was er wohl von mir denken würde, wenn ich zugab, dass ich noch genauso unentschlossen war wie bei unserer ersten Begegnung? Wie sollte ich denn eine so schwerwiegende Entscheidung treffen, ganz auf mich allein gestellt, wenn ich überhaupt nicht wusste, was auf mich zukommen würde?

[Anyana & Tamias | Waldrand]


- Dekaja - 06.03.2014

Ich nickte Tryss wölfisch zu. Im Grunde bestand kein Zweifel daran, dass wir mal wieder ausharren mussten, bis Tamias zurückkehrte. Vermutlich musste ich mir auch einen Weg an die Spitze erkämpfen, um einen Blick auf den Menschenwolf – ich beschloss, ihn jetzt einfach so zu nennen – erhaschen zu können. Vermutlich würde Tamias sogar eingreifen, wenn ihm die Fragen zuviel wurden und er der Ansicht war, wir würden sie überfordern. Das ärgerte mich. Genauso wie ich es ungerecht fand, dass der Rüde bereits das zweite Mal auf den Wolf traf und wir bisher nicht einen Blick hatten erhaschen können. In meiner Tiefe reizte mich dieser Gedanke einfach enorm, weil meine Neugier einfach zu groß war, anstatt dass ich sie zurückhalten konnte. Immerhin ging der Marsch dann schließlich los und meine Pfoten hatten etwas zu tun. Mir war die Geschwindigkeit eigentlich zu langsam, aber wir mussten ja Rücksicht auf die Welpen nehmen, obwohl ich mir sicher war, dass es denen auch nicht schnell genug gehen kann. Schließlich war es nun soweit – die Menschen sehen. Ich sah zu Tryss, der neben mir lief.

„Ja, wir können von Glück sprechen, wenn wir den Wolf vor Überquerung der Brücke zu sehen bekommen. Und sicher wird Tamias aufpassen wie ein Wächter, dass wir nicht zu viele Fragen stellen….hmpf….ich glaube fast, ich werde nicht alle Fragen, die in meinem Kopf kreisen rechtzeitig loswerden können…obwohl….wenn ich schnell genug rede, so dass ich alles loswerde, bevor mich der Griesgram unterbrechen kann?...das müsste doch funktionieren oder?“

Ich schien gar nicht darauf zu kommen, dass der Wolf von so einem abrupten Hochgeschwindigkeits-Frageschwall völlig überfordert sein könnte, denn eigentlich dachte ich nur daran, wie ich dennoch meine Neugier befriedigen konnte.

„Ich freue mich übrigens, dass wir damit vielleicht jemanden haben, der die Menschen einmal aus einer ganz anderen Perspektive erlebt hat, oder wie denkst du darüber? Ich meine, ich bin ihnen ja nie wirklich nahe gekommen…immer nur aus der Ferne…und dann haben wir die, die schlechtes erlebt haben, wobei wir die negativen Seiten ja alle einmal gesehen haben…“

Ich verzog das Gesicht leicht, als ich an meine Verletzung dachte und den Sturz, der eine Menge Genesungszeit und Geduld gekostet hatte. Steile Hänge waren mir seitdem irgendwie unheimlich.

„Ich weiß nicht…ich glaube nicht, denn wir haben unseren Durchmarsch ja nicht angekündigt…wie auch? Sie scheinen unsere Sprache nicht verstehen zu können, auch wenn ich das seltsam finde. Aber vielleicht sind die Welpen mit den Stöcken wieder da. Sie müssen ja gesehen haben, dass wir ihnen nichts tun? Aber hey! Kopf hoch! Mach dir keine Gedanken deswegen. Ich bin mir sicher, dass alles gut läuft! Und vielleicht erfahren wir ja auch etwas über die Welpen dort!“

Ich schwieg kurz.

„Ich weiß nicht genau, wie Tamias es geplant hat – du etwa? Aber wenn der Menschenwolf vorher zu uns stößt, könnte das vielleicht auch dazu beitragen, dass sie uns noch weniger als Bedrohung sehen? Wobei ich nicht weiß, warum sie das überhaupt von uns denken eigentlich ist es ja immer umgekehrt – egal. Ich bin optimistisch. Wir sollten vielleicht nur nicht haufenweise über sie herfallen. Ich denke, damit sind auch sie überfordert…aber wer wäre das nicht?“

Ich versuchte mein Möglichstes, Tryss‘ Sorgen, die ich in seiner Haltung ablesen konnte, zu verstreuen. Ich glaubte nicht daran, dass irgendetwas groß schieflaufen konnte. Sie hatten uns das letzte Mal nicht angegriffen und ich wertete das als ein gutes Zeichen. Sie würden das nicht tun.
Schließlich näherte ich mich dem Lager und wackelte neugierig und interessiert mit den Ohren. Der Helligkeit des Himmels nach zu urteilen, war es noch recht früh. Der Tag war also noch jung und sie konnten sich eigentlich Zeit lassen, mit der Durchquerung. Ich dachte auch daran, dass uns so eine Möglichkeit wohl kaum wieder gegeben wird.

„Wollen wir uns dem einfach nähern? Ach was frage ich! Natürlich!“,

bemerkte ich sorglos und konnte mich nicht erinnern, dass mit Tamias irgendetwas ausgemacht war. Hatte er in der kurzen Rede etwas gesagt? Ich hatte nicht richtig zugehört, aber ich verließ mich darauf, dass Tryss es getan hatte und mich im Zweifel daran erinnern würde. Wobei….es war fraglich, ob ich auch dann darauf hören würde. Meine Neugier kribbelte in den Pfoten, als ich langsamer wurde und aufmerksam auf das Lager zuging. Ich sah mich wachsam und lauschte neugierig und interessiert, während ich vorsichtig weiterging.

[bei Skadi und Tryss an der Spitze | tapst langsam und voller Neugier auf das Lager zu]