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Passus VI - Eine wundersame Begegnung - Druckversion

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- Rúna - 10.11.2013

Ruhig setzte ich eine Pfote vor die andere und lief am Rande des Waldes entlang, halb versunken in meinen Gedanken und dem kurzen Gespräch mit Kimya. Seine Worte hatten mich sehr gefreut, denn auch wenn ich selbst keine große Kämpferin war, so würde er in meinem Augen doch bald zu einem Rüden heranwachsen der ein guter Beschützer sein konnte und vielleicht auch sein sollte. Sein neugieriges aber sanftes Wesen schien sich mit Avis impulsiverem und vielleicht mutigerem Wesen perfekt zu ergänzen. Geschwister...

Ich schüttelte den Kopf, verdrängte die dunklen Schatten die empor zu wirbeln drohten und gewahrte aus dem Augenwinkel eine Bewegung. Nur milde überrascht sah ich Rokuta, wie sie sich erhob um ihren eigenen Weg zu folgen. Ein Weg der ein anderer als jener der Gemeinschaft war. Vielleicht war er besser, vielleicht schlechter, aber es war der ihre. Als ihre Gestallt zwischen den Bäumen ebenso verschwunden war wie zuvor die der anderen, wandte ich den Blick kurz zurück zu Kimya und Alvarez, ehe auch meine Pfoten wieder ein Stück Weg in ihre Richtung fanden.

Immer noch etwas Abseits legte ich mich erneut nieder, vernahm jedoch die Frage des jungen Wolfes deutlich,

"Wenn es sein muss kann ich mich verteidigen, aber eine Kämpferin bin ich trotz allem nicht. Es gibt genug Wunden in dieser Welt, als dass es mich danach verlangen würde eigene zu schlagen, junger Rüde. Und es gibt mehr als Zähne und Krallen um sich zu wehren oder auch zu schützen... dennoch sind sie wichtig und du solltest von einem erfahrenem Kämpfer lernen, wie du sie einsetzen musst und auch, wann du sie einsetzen musst.."

war meine Antwort an Kimya, begleitet von einem sanften Lächeln, während ich seine jugendliche Gestallt neben dem mächtigen Leib des älteren Wolfes musterte.

[bemerkt Rokutas Gehen und kehrt wieder ein Stück zu Kimya und Alvarez zurück]


- Die Kinder - 13.11.2013

(Für Chu)


Sie hatte es nicht verhindern können, dass die Tränen ihr doch über die Wangen liefen. Wie kleine Flüsse der Traurigkeit bahnten sie sich den Weg über ihre Wangen hinab zu ihrem Kinn. Erst als Fara mit ihrer rauen, warmen Zunge über ihr Gesicht fuhr um ihr die Tränen fortzulecken, lächelte Anyana wieder. Sie schluchzte ein wenig und versuchte die Tränen wieder zu unterdrücken. Doch erst als ihre kleine Freundin ihre kleinen Pfoten gegen die Brust des Mädchens drückte und sie eindringlich ansah, versiegte der Strom der Trauer. Anyana schluckte schwer und sah der Wölfin tief in die Augen. Was sie wohl dachte? Was wohl in ihrem Wolfskopf vor sich ging? Freute sie sich auf ein Leben mit ihren neuen Freunden? Dachte sie an den neuen Weg, den sie nun einschlagen würde? Oder daran, ob sie auch zurechtkommen würde? Immerhin kannte Fara ja nur die Gesellschaft von Menschen... von einem richtigen Wolfsleben wusste sie nur wenig.

„Du wirst es schon schaffen. Lerne einfach von ihnen, sieh zu wie sie die Dinge machen und halte dich einfach an den jungen Wolf. Er wird dir sicher helfen. Der große Wolf wird dich beschützen. Er ist stark, weißt du?“

Anyana riss sich zusammen. Sie zog den Ärmel ihres dünnen Oberteils über die Hand und wischte sich mit zwei raschen Bewegungen die restlichen Tränen vom Gesicht. Dann strich sie Fara liebevoll über den Kopf.

„Ich werde dich vermissen, meine liebe Fara. Meine kleine Freundin. Denk an mich, wenn du mit ihnen ziehst. Vielleicht sehen wir uns ja wieder. Irgendwann.“

Das wollte das kleine Mädchen gern glauben. Als sie aufstand fühlte sie, dass dies das Richtige war. Dass Fara gehen musste. Anyana lächelte und bückte sich, um der kleinen Wölfin mit beiden Händen einen aufmunternden Schubs in Richtung Wald zu geben. Sie war bereit ihre Freundin gehen zu lassen, auch, wenn es ihr schwer fiel.


- Skadi - 20.11.2013

Versteckt hinter dem Gebüsch - immer mal wieder zu den Menschenwelpen schauend und Rute pendelnd - stand ich da. Die Situation war unter Kontrolle , so dachte ich. Dann kam eines nach dem anderen. Ein Junge - einer der höchstgewachsensten - nahm einen großen Stock und hielt diesen zu uns. eine Waffe? Keine wirkliche Bedrohung von der Waffe her , jedoch eine Bedrohende Geste seinerseits uns gegenüber. Dann Dekaja, die auf die Menschen zu ging und diese auf ein Spiel herausforderte. Tamias der mit Avis kam und Tryss der Dekaja ansprang und ihr in die Rute biss. Avis der dieses falsch verstand.
Es war keine Panik die mich ergriff, aber ein Gefühl das kurz vor Panik war. Ahnungslosigkeit. Angst jetzt das falsche zu tun. Aber es war auf meinen Mist gewachsen, dass es so weit gekommen war. Die älteste, die an meisten auf das Heraus stürmen drängte. Ohne Regeln vorher fest zu legen.
Nun musste ich handeln. Alles entschärfen. Dekaja, Tryss und Avis bremsen so wie den Menschenwelpen. Gezielt und schnellen Schrittes ging ich erhobenen Kopfes und erhobener Rute auf Tryss und Dekaja zu. Avis stupste ich aufmunternd an die Flanke.

"Warte doch bitte kurz bei Tamias!"

Dann drängte ich mich zwischen Tryss und Dekaja. Ohne eine aggressive Körperhaltung ein zu nehmen zeigte ich beiden kurz bedrohlich meine Fänge und ließ ein kurzes Knurren ertönen.

"Bremst euch. Beide."

Bestimmend im Ton. Ein entschuldigender Blick galt jedoch kurz darauf Tryss. Er hatte recht gehabt. Doch mehr als diesen Blick würde er nicht bekommen.

"Lasst uns zu den anderen gehen. Die Menschen haben uns nichts getan - aber sie haben Angst. Lasst zu den anderen zurück und dann besprechen wir wie es weiter geht."

Worte die gesagt werden mussten - weil es die richtigen waren. Jedoch sprach mein Gefühl das, was Dekaja tat. Ich wollte sie austesten - die Grenzen der Menschen. Ich wollte näher heran. Ich wollte ihnen zeigen, dass wir ihnen nichts tun und mich überzeugen das Menschenwelpen keine bösartigen Lebewesen sind.
Dann wand ich mich von Dekaja, Tryss und den Menschen ab. Ich kehrte ihnen den Rücken und trat zu Tamias. Meine Nase ließ ich lange in seinem Brustfell ruhen, als ich nahe genug an ihn heran getreten war. Als ich meine Nase aus dem Rüdenfell zog schleckte ich ihn sanft über die Nase und ging in den Wald hinein. Zurück zu Alvarez, Runa, Rokuta und Kimya.


- Tamias - 22.11.2013

Spielleitung

Als Avis, Skadi, Dekaja, Tryss und Tamias von ihrem "Abenteuer" wiederkamen berichteten sie, was sie gesehen hatten. Tamias erzählte von Chu, von dem Kind und wie friedlich sie waren. Dekaja erzählte aufgeregt von ihrem Versuch die Kinder zum spielen zu animieren. Auch wurde vor zu viel Hektik gewarnt, wenn das Dorf durchstreift würde, denn die Reaktion der Kinder mit dem Stock blieb ebenfalls nicht unerwähnt. Kimya wollte alles genau wissen, war so aufgeregt die Kinder endlich zu sehen, sie zu riechen und Chu kennen zu lernen. Runa und Alvarez hingegen reagierten ruhiger und gelassener. Sie hatten dafür etwas anderes zu berichten. Rokuta war ihre eigenen Wege gegangen, so dass die Wölfe nun eine Sorge weniger hatten bei der Durchquerung des Lager.

Dennoch, ein Plan musste her und nach längerer Diskussion entschloss die Gruppe sich für diesen: Einen Tag noch wollten die Wölfe verstreichen lassen, sodass auch die Kinder Zeit hatten, die Begegnung wirken zu lassen. Dann wollte die kleine Gemeinschaft aufbrechen.

Hintereinander würden sie gehen, leicht versetzt aber nicht zu weit voneinander entfernt. Tamias und Tryss würden mit Dekaja voran gehen, Skadi dahinter, dann Kimya, Avis, Runa und Alvarez. In der Reihenfolge. So waren die Jungwölfe gut geschützt und Tryss und Dekaja kannten schließlich den Weg. Tamias wollte im Lager dann einen anderen Weg nehmen und zwar den zu Chu. Schließlich hatte er ihr ein Angebot gemacht, welches noch offen stand.

Ein Tag verging nun, ehe es wieder heller wurde. Die Kinder waren mit Sicherheit schon wach. Verteilt lagen die Wölfe zwischen den Bäumen, die einen schliefen mehr, die anderen weniger.

Datum: 1.August 1212
Tageszeit: Morgens, etwa 6 Uhr
Wetter: ca. 14 °C, die Sonne geht auf, der Wind kommt von Norden. Die Luft war angenehm und die ersten Sonnenstrahlen huschten über die Rücken der Wölfe.




- Tryss - 27.11.2013

Es war erstaunlich gewesen, wie schnell Tamias' Auftauchen Skadi zur Vernunft gebracht hatte. Ich hatte – Dekas Rute noch immer zwischen den Zähnen – die Augen verdutzt aufgerissen, als Avis plötzlich auch noch bei uns gestanden hatte. Fieberhaft hatte es in meinem Kopf angefangen zu arbeiten – wie bloß sollte ich beide wieder zurück ins Gebüsch treiben? Doch dann tauchte Skadi auf und mit wenigen Worten war der Spuk vorbei gewesen. Ich hatte Dekas Rute augenblicklich fallen gelassen und ihr einen „Siehst du?!“-Blick zugeworfen – nicht ohne vorher ein paar ihrer Schwanzhaare aus meinem Fang zu vertreiben. Und kaum hatte ichs mich versehen, waren wir auch schon wieder bei den anderen angekommen. Ich wunderte mich nur kurz über die Nachricht, dass Rokuta gegangen war. Irgendwie war es ja erwartbar gewesen. Und wenn wir ehrlich waren, machte es die ganze Sache wesentlich einfacher.

Obwohl wir nur den Vormittag für unsere Entdeckungstour genutzt hatten und die Reise erst am nächsten Tag fortgesetzt werden sollte, hatte ich mich schon früh hingelegt und ausnahmsweise darauf verzichtet die anderen Wölfe mit Fragen zu löchern – vor allem hätte mich interessiert, was Avis und Tamias wohl erlebt hatten. Doch ich wollte ausgeruht sein, wenn wir uns auf den Weg durch das Lager der Kinder machten. Also legte ich mich in die Nähe der anderen (denn auf die Informationen, die man einfach ohne Fragen mit den Ohren aufschnappen konnte, wollte ich auch nicht verzichten) und döste vor mich hin. Als es nun dämmerte, war ich gut ausgeruht und bereit für unser Abenteuer. Sicher würden die Kinder auch bald wach sein. Ich war gespannt, wie sie auf unseren erneuten Besuch reagieren würden. Ich hob den Kopf und blickte mich um. Meine Augen blieben an Deka hängen. Wir hatten nicht mehr viele Worte gewechselt, seit ich sie hatte aufhalten wollte. Mehrmals war mir in den Sinn gekommen, mich bei ihr zu entschuldigen. Doch meine Sturheit unterdrückte den Drang. Immerhin hatte ich doch nur vernünftig gehandelt – ausnahmsweise einmal. Trotzdem wollte ich das Thema nicht einfach so im Raum stehen lassen. Ich erhob mich, streckte mich kräftig und trippelte leise zu ihr hinüber. Kurz vor ihr blieb ich stehen und stupste sie sanft mit der Nasenspitze an.

„Hey... bist du auch schon gespannt auf gleich? Wie die Kinder wohl reagieren, wenn wir noch einmal kommen? Und was sie wohl gestern gedacht haben, als wir plötzlich einfach verschwunden sind? Ob sie auch eine Versammlung abgehalten haben, um zu besprechen, was sie machen wollen? Vielleicht diskutieren sie auch so viel, wie wir es immer tun.“

Ich lachte Deka leise an, denn der Gedanke wie die Kinder sich stritten (und es waren ja so viele mehr als wir!), war einfach köstlich. Wahrscheinlich würden sie ebenso lachen, wenn sie uns bei unseren Diskussionen sehen würden. Es musste komisch aussehen, wie jeder versuchte seinen eigenen Kopf durchzusetzen und nicht selten jemand wütend wurde, weil es nicht nach seiner Nase ging. Das Lächeln aber verschwand schnell von meinen Lefzen. Ich legte den Kopf ein wenig schief und rang mich nun doch dazu durch ein wenig entschuldigend dreinzuschauen.

„Ich hoffe du bist nicht böse, weil ich... na, wegen der Sache gestern.“ Verlegen wanderte mein Blick kurz zur Seite. Ich ließ mich auf die Hinterpfoten fallen und fuhr dann ein wenig leiser fort. „Ich wollte dir ja gar nicht vorschreiben, was du zu tun hast. Aber ich habe versprochen auf dich aufzupassen. Wie ein Bruder, weißt du noch?“

Nun traute ich mich doch ihr wieder in die Augen zu sehen. Ich versuchte eine Reaktion in ihrem Blick zu erkennen, während ich einfach hoffte, dass sie nicht böse war. Streit unter Geschwistern hatte ich noch nie gemocht. Aber bei ihr war mir der Gedanke daran noch sehr viel unangenehmer als bei meinen leiblichen Brüdern und Schwestern.

[Sammelplatz | Deka | alle anderen in der Nähe]


- Die Kinder - 02.12.2013

Anyana blinzelte. Sie war noch müde, denn lange hatte sie nach ihrem gestrigen Abenteuer nicht einschlafen können. Bis tief in die Nacht hatte sie wach gelegen und als sie die Müdigkeit dann endlich übermannt hatte, war es ein leichter, unruhiger Schlaf voller düsterer Träume gewesen. Nun war der Morgen angebrochen und sie starrte an die Decke des Zeltes, in dem sie keine Ruhe finden konnte. Zu viele Gedanken schossen dem Mädchen erneut durch den Kopf. Fara war nicht mit den Wölfen gegangen. Zunächst hatte sich das Mädchen darüber gefreut, doch nach und nach hatte sie das Gefühl beschlichen, ihre kleine Freunde war nur wegen ihr und der Tränen, die sie vergossen hatte, geblieben. Sie biss sich auf die Lippen, denn ihr war absolut nicht wohl bei dem Gedanken. Es war nicht richtig, oder? Stattdessen war die kleine Wölfin ihr zurück ins Lager gefolgt, wo es nur ein Gesprächthema gab. Fast alle Kinder waren bis in die Nacht auf den Beinen, obwohl es schon spät geworden war und viele fragten sich, was der Besuch der Wölfe wohl zu bedeuten hatte. Mit einem wütenden Schnauben dachte das Mädchen dabei an die Rufe derer, die Angst vor den Wölfen hatten und vorgeschlagen hatten, das nächste Mal tatsächlich von einem Stock Gebrauch zu machen (auch die Geschichte von dem ängstlichen Jungentrio hatte sich wie ein Feuer im Lager verbreitet). Glücklicherweise war Stephan, ihr Anführer, nicht so ein Dummkopf. Er hatte Ruhe bewahrt und den Befehl gegeben nichts zu tun, solange die Tiere nichts taten. Dafür liebte Anyana ihn und noch mehr bewunderte sie ihn dafür, dass alle anderen seine Anweisung akzeptierten.

Die Unruhe und die Schlaflosigkeit sorgten dafür, dass Anyana nicht mehr länger liegen bleiben konnte. Wie schon am Morgen zuvor schlug sie die dünne Decke zur Seite und schlüpfte unter den dünnen Mantel, so leise, das keines der anderen Kinder aufwachte. Im Zelt war es noch dunkel, obwohl es draußen dämmerte und so konnte Anyana nicht sehen, ob ihre Freundin noch mit ihr im Zelt war. Es hätte das Mädchen nicht gewundert, wenn die kleine Fähe sich doch umentschieden hätte. Immerhin, das hatte sie sich eingestehen müssen, waren diese Wölfe für sie viel eher eine Familie als die Kinder im Lager. Die Erkenntnis hatte tief geschmerzt und für einen Augenblick hatte das Mädchen verstanden, was wohl ihre eigene Familie gefühlt haben musste, als sie mit den anderen Kindern fortgezogen war. Es war nicht nur ein Gefühl, als ob man einen Freund verlor. Es war das Gefühl einen Teil von sich selbst zu verlieren.


- Chu - 08.12.2013

Es hatte eine ganze Weile gedauert, bis Anyana sich an jenem Morgen wieder beruhigt hatte. Nach und nach waren ihre Tränen versiegt und das Beben in ihrer Brust hatte nachgelassen. Stattdessen war da plötzlich so etwas wie eine seltsame Entschlossenheit, die für mich nicht wirklich nachvollziehbar war. Nach wie vor hatte ich keine Ahnung, was dort am Waldrand zwischen uns vorgegangen war oder was das Mädchen von mir wollte. Als sie mich fortgeschoben hatte, war ich ihr schnurstracks wieder zwischen die Beine gelaufen. Beim zweiten Schubser in Richtung Wald machte ich ihr dann mit einem anklagenden Quieken deutlich, dass sie damit aufhören sollte. Dieses Spielchen hatte sich dann noch ein paar Mal wiederholt, ehe wir gemeinsam zurück zum Lager gegangen sind. Das nagende Gefühl, dass sie mich hatte loswerden wollen, hatte ich bereits am nächsten Tag wieder erfolgreich verdrängt. Anyana war schließlich meine beste und einzige Freundin und ich konnte deutlich spüren, dass sie mich noch immer lieb hatte.

Dieser Morgen begann ganz ähnlich wie der letzte, nur dass ich mich vorsichtshalber nicht in der Nähe des Zelteingangs zusammengerollt hatte, sondern an Anyanas Fußende. Sicher war schließlich sicher und obwohl ich es im Grunde besser wusste, plagte mich doch die unbestimmte Angst, dass sie plötzlich weg sein könnte. Als sie sich nun also zu regen begann und in einen der Lumpen schlüpfte, den sich die Zweibeiner immer dann umwarfen, wenn sie an die frische Luft gehen wollten, sprang ich eifrig auf und wuselte ihr zwischen die Beine. Um ein Haar wäre das Mädchen über mich gestolpert und der Länge nach hingeschlagen.

“Oh, pass auf“, warnte ich sie überflüssigerweise, als es längst zu spät war, und wedelte dabei fröhlich mit der Rute.


- Tamias - 13.12.2013

Da saß ich nun. Hatte kaum ein Auge zudrücken können. Gedanken wirbelten in meinem Kopf während ich noch immer in den Wald starrte. Er hatte sich in einem sanften rot gefärbt, es wirkte so freundlich und still hier. Die Wölfe ruhten. War das etwa die Ruhe vor dem Sturm? Würde es einen Sturm geben?
Ich hatte nur Chu im Kopf. Die kleine Wölfin im Lager der Menschen. Mir ging es gar nicht um die Menschenwelpen, die Durchquerung durch das Lager würde zwar spannend aber ein Klacks. Die Frage aller Fragen war, ob Chu mitkommen würde.
Ich konnte beiderlei verstehen. Würde sie bei den Menschen bleiben, wäre das schade aber in Ordnung. Schließlich war das ihre Familie und sie schien nichts anderes zu kennen.
Mehr würde ich mich aber über das Mitkommen freuen. Das hätte was von Stärke und Instinkt. Von Mut? Vielleicht. Für mich würde es sich richtig anfühlen. Ich hatte irgendwie das Gefühl auf sie aufpassen zu müssen. Sie war noch so klein. Zwar kein kleiner Welpe mehr aber noch so jung. Irgendwas steckte in ihr, was mich an mich erinnerte. Vor vielen vielen Jahren. Und als ich so daran dachte, fühlte ich mich alt.
Es waren so viele Monde vergangen, so viele Jahreszeiten, dass ich nicht mehr mitzählte. Doch das junge Blut floss nicht mehr durch meine Adern. Ich hatte mich schließlich einem Rudel angeschlossen und reiste mit anderen Wölfen. Ich wurde alt. Die Power, die Energie, die Kraft,.. alles lies mit der Zeit nach.
Ich sehnte mich nach Ruhe, nach der Ankunft des Zieles, so weit würde es wohl nicht mehr sein. Diese Menschen hier lebten schließlich mit Chu zusammen und wer wusste schon, wie weit sie gewandert waren. Vielleicht war es normal, dass Chu mit ihnen reiste da es in dem Ort, wo die Menschen und Wölfe friedlich nebenher leben normal ist. Wer wusste das schon.
Ich sah kurz hinter mich. Tryss und Dekaja, mit ihnen würde ich voranschreiten. Tryss war so viel reifer geworden. Die beiden waren toll zusammen. Ein tolles Team. Sie respektierten einander und halfen sich. So sollte es sein, sie brachten Harmonie in diese Gemeinschaft. Sie waren die Vorbilder der Welpen. Mein Blick ruhte auf niemanden, ich sah mich nur um, ehe ich wieder in den Wald starrte.
Skadi. War das zwischen uns auch sowas wie zwischen Dekaja und Tryss? Ich hatte mich in der letzten Zeit viel zu wenig um sie gekümmert. Diese getrennten Wege die wir gingen waren zwar gut für uns, aber ich sehnte mich ein wenig nach ihrer Geborgenheit. Ihren Duft, ihr weiches Fell.
Ich schmunzelte kurz und senkte den Kopf. Eigentlich waren wir grundverschieden. Doch mochte ich sie auf eine Art, die ich mir selbst nicht erklären konnte.
War das Schwäche, die ich zeigte?
Eigentlich wollte mich mir gar keinen Kopf darüber zerbrechen und weiter ziehen. Einen Moment noch musste ich mich gedulden und warten, bis alle soweit waren.

[Am Sammelplatz, ruht und denkt so vor sich hin]


- Avis - 13.12.2013

Noch während Tryss versucht hatte Dekaja zurück in den Busch zu ziehen, was ich nicht verstehen konnte, wurde mein Spielversuch jeh von Skadi unterbrochen. Tryss warf Deka einen „Ich weiß eh alles besser-Blick“ zu, was in einen bösen Blick von mir eingebracht hatte. Angeber. Besserwisser. Pah. Der hatte doch keine Ahnung! Schweigend war ich zunächst zwischen den Älteren zurück zu unserem Treffpunkt gegangen. Hatte an Chu gedacht und überlegt was nun folgen würde. Alle waren leicht aufgebracht und keiner hatte Zeit für meine Fragen, wie immer. Irgendwie war das alles frustrierend, aber kaum waren wir am Lager, erblickte ich meinen Bruder. Meine Augen funkelten kurz und meine Rute pendelte freuig, bevor ich es unterdrücken konnte. Ich wusste etwas, was er nicht wusste, ha! Ich hatte so viel zu erzählen. Leider war es schon spät geworden, als uns die Anderen dann erklärten, was für den folgenden Tag geplant war. In der Nähe meines Bruders bettete ich meinen Kopf auf den Pfoten, blickte in die Nacht und hing meinen Gedanken weiter nach. Hauptsächlich kreisten sie um die junge Wölfin, ob ich sie bald wieder sehen würde? War sie so anders als wir? Warum war sie bei den Menschenwelpen? Noch während die verschiedenen Fragen durch meinen Kopf kreisten gaben meine Augenlieder irgendwann auf und ich schlief ein.

Ich verwachte am nächsten Morgen, als mich ein Sonnenstrahl auf der Nase kitzelte. Erst hatte ich nicht wirklich Lust die Augen zu öffnen, doch dann schossen wir wieder die Gedanken von gestern in den Kopf, Chu. Die Menschen! Blitzschnell stand ich auf meinen Pfoten, nur um zu merken, dass alles noch ruhig war. Gut okay, nicht verschlafen. Etwas ruhiger ließ ich meinen Blick umher wandern. Sah Dekaja und Tryss, die beide schon wach waren. Ich musste sehr an mich halten um den Rüden nicht anzuknurren, als seine Wortfetzen teilweise zu mir drangen. Musste der Deka eigentlich immer „besetzen“?!? Mürrisch drehte ich ihm mein Hinterteil zu und begann mit meiner Fellpflege, während ich meine Glieder streckte und meinen Bruder suchte. Ich brauchte nicht allzu lange, dann setzte ich mich in Bewegung und stupste ihn mit der Schnauze an. Erst vorsichtig, dann etwas drängender.

„Kimya! Los wach auf! Wir brechen bestimmt gleich auf. Denkst du wir sehen die Wölfin wieder?“

Ich hatte Kimya natürlich von Chu erzählt, immerhin war er mein Bruder und mich hatte diese ganze Szenerie doch etwas erstaunt, aber Kimya konnte sich wohl ebenso wenig aus allem zusammen reimen wie ich und die Älteren waren verschlossen wie Bäume, ja das traf es gut, irgendwie hing jeder seinen Gedanken nach, außer Tryss, der laberte nur. Ich ließ mich genau vor Kimya nieder, schließlich wurde beschlossen, dass wir zusammen gehen würden und wartete ab. Es musste doch bald was passieren oder?

[sitzt vor Kimya am Lagerplatz, wartet eher ungeduldig]


- Dekaja - 17.12.2013

Ich konnte die Enttäuschung kaum verbergen, als Tamias auftaucht und zum Rückzug blies. Ich hatte doch gar nichts von den Menschenkindern gehabt? Aber ich konnte im Moment zumindest nichts dagegen tun, obwohl auch ich von Avis‘ plötzlichem Auftauchen und Mitmachen überrascht war. Im Gegensatz zu den anderen habe ich diese Reaktion aber mit Freuden aufgenommen, nur um dann doch wieder zurückgehen zu müssen, ohne wirklich wesentliche Neuigkeiten mitbringen zu können. Tryss‘ Blick ignorierte ich weitestgehend, weil ich doch lieber meinen Dickkopf durchgesetzt hätte, aber bis wir zum Lager zurück waren, hatte ich auch das vergessen. Dafür war Rokuta gegangen, wie wir erfuhren. Etwas traurig war ich darüber, aber vermutlich war es auch besser so, denn ich hatte ja überdeutlich erfahren, wie sie zu Menschen stand und ein Massaker dort unten bei den Menschenkindern wollte ich auch nicht. Sie fand sicher auch einen anderen Weg.

Trotz der Aufregung am gestrigen Vormittag war ich recht früh hellwach und hatte mich entschieden, weil viele sich ausruhten und die Geschehnisse sacken ließen, doch etwas hinzulegen. Was sollte ich sonst auch machen? Eigene Entdeckungstouren würden nur Ärger geben, auch wenn es mir in den Pfoten juckte, wie früher etwas herumstromern zu gehen. Das Herumsitzen, ohne etwas tun zu können, bekam mir nicht gut. In meinem Kopf hatten sich abseits davon auch eine Menge Fragen gebildet, gerade in Bezug darauf, was Avis und Tamias wohl erlebt hatten und was sie für Erfahrungen gemacht hatten. Der Ärger blieb aus, aber letztendlich war ja auch nichts bei uns passiert, also war ich nicht sicher, ob ich ihn überhaupt zu erwarten hatte.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als Tryss mich anstupste. Mein Körper zuckte leicht zusammen, weil ich, so leise wie er angekommen war, gar nicht registriert hatte, wie er sich mir näherte und vermutlich in meinen Gedanken auch völlig die Umgebung vergessen hatte. Mein Kopf ruckte zu ihm herum, dann trat etwas Freudiges in meine Augen und ich stand auf und wedelte mit der Rute, nur um ihn ebenfalls sanft anzustupsen.

„Hallo! Du machst dir auch Gedanken deswegen?“

Ich sah ihn warm an und pendelte mit der Rute.

„Ja, nachdem unser Kennenlernen so abrupt unterbrochen wurde, brennt es mir unter den Krallen, zu erfahren, wie sie uns jetzt gesinnt zu sind. Bestimmt reden sie darüber und fragen sich, was uns vertrieben hat oder warum wir verschwunden sind. Ich hoffe, sie haben das nicht negativ aufgenommen? Was haben Tamias und Avis eigentlich gemacht? Er schien sich ja ziemlich sicher zu sein, dass Lager zu durchqueren. Und wenn er das sagt, wo er sonst immer so übervorsichtig ist..? Wie gehen wir das eigentlich genau an? Einfach durchlaufen?“,

sprudelte ich hervor. Mir kam der Gedanke, dass die Menschenkinder stritten auch seltsam vor, aber was sollten sie denn sonst machen? Sie würden sich ja sicher auch darüber unterhalten und beratschlagen, wie sie reagieren würden. Ich war mir nicht sicher, wie man das denn anders machen sollte. Nein, wirklich.

„Ich glaube fest daran, dass sie auch wie wir streiten und sich darüber beratschlagen. Ich wüsste ja gerne, wie das aussieht und was sie sich sagen….fragst du das nicht auch?“

Dann neigte ich den Kopf, als ich bemerkte, wie sich die Stimmung bei Tryss leicht änderte und neigte aufmerksam den Kopf. Aber mein Gesichtsausdruck hellte sich bald wieder auf, als ich begriff, worum es ging. Meine Rute begann, etwas schneller und sorgloser zu pendeln.

„Böse? Nein. Ehrlich gesagt hatte ich daran gar nicht mehr gedacht.“

Ich schwieg einen Moment, während ich mir meine eigenen Gedanken machte, dann wurden meine Gesichtszüge einen Moment weicher und ich schmiegte mich mit der Wange an seine, fast aufmunternd.

„Ich weiß doch. Mach dir keine Gedanken deswegen! Ich verstehe das voll und ganz – auch wenn ich noch immer der Meinung bin, dass wir nicht in Gefahr waren. Und du bist schließlich auch wie ein Bruder für mich und Geschwister können sich schließlich nie lange böse sein, nicht wahr?“

Ich dachte kurz an meinen echten Bruder zurück. Thuveni. Wir hatten uns ziemlich oft gestritten, gerade weil seine Neugier auch bei ihm auf Unverständnis stieß, aber bei ihm störte mich das nie so sehr wie bei Tryss. Nicht einmal ansatzweise. Bei ihm wehrte sich alles in mir dagegen, dass etwas zwischen uns stand.

[bei Tryss]