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Passus VI - Eine wundersame Begegnung - Druckversion

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- Die Kinder - 16.10.2013

(Für Dekaja, Skadi und Tryss)


Noch immer standen die Jungen da, erstarrt vor Schreck und gelähmt vor Respekt vor dem Wolf. Zu den einen gesellte sich bald darauf ein zweiter und zu dem zweiten kam ein dritter hinzu. Die beiden Grüppchen standen sich gegenüber, die Menschenkinder nicht fähig sich zu rühren oder zu entscheiden, was sie tun sollten. Noch nie hatten die drei einen leibhaftigen Wolf gesehen. Zwar hörte man von den Erwachsenen viel über sie – und oft lag nur wenig Gutes in diesen Erzählungen, aber zu Gesicht bekam man sie nie, schon gar nicht in den Städten aus denen die meisten der Kinderschar stammten.

Für einen Augenblick nun herrschte Stille, ein angespanntes Schweigen bei dem beide Seiten nur darauf warteten den nächsten Schritt zu tun. Man beobachtete sich, musterte sich, bis der Wolf, der zuerst aus dem Wald getreten war, sich erneut bewegte. Auf die Kinder zu kam er nicht. Stattdessen schlich er zur Seite und gab ein Wuffen von sich, das wenigstens einen der Jungen zum Zusammenzucken brachte. Was hatte das Tier vor. Der älteste der drei Jungen wurde skeptisch, denn der Wolf schlich nicht wieder zurück in den Wald, sondern hinter ein flaches Stück Wildwuchs. Wieder wurden die Geschichten der Männer in den Köpfen wach und besonders die der Jäger, die von Wildtieren sprachen, die ihre Opfer einkreisten. Die ihre Opfer umzingelten, nur, um sie besser erlegen zu können. Dem Ältesten wurde es bange und weil er sich nicht so schutzlos fühlen wollte, wie er es im Augenblick tat, trat er vor und griff sich einen der Stöcker, die am Rand des Lagerfeuers auf ihren Einsatz gewartet hatten. Er war nicht besonders dick, wohl gerade so breit wie zwei zusammengenommene Finger. Doch indem der Junge ihn schützend vor Brust und Gesicht hielt und sich tapfer vor seine beiden Kameraden stellte, gab ihm der Stab das Gefühl sich verteidigen zu können, eine Waffe zu haben. Das machte Mut.


- Tamias - 24.10.2013

Es dauerte nicht lang, da kam auch Avis hinterher. Ich wiederum drehte mich nicht noch einmal um. Ich blinzelte zu den Menschenwelpen am Lagerfeuer. Von hier schienen sie noch kleiner. Aber was war das? Doch eine Waffe? Sie hatten einen Stock. Abrupt blieb ich stehen. Sollte das ihre Waffe sein? Sie schienen eine andere Einstellung zu uns zu haben, als der Menschenwelpe von vorhin. Doch eins hatten sie gemeinsam. Sie hatten Angst. Es stimmte mich etwas traurig, dass es alles so weit kommen musste zwischen den Menschen und uns Wölfen. Wir lebten vor Generationen zusammen, genau das sollte doch auch wieder unser Ziel sein. Mussten die vergangenen Vorfälle zwischen Mensch und Wolf uns so zerstören? Das konnte doch nicht gut sein, dass einige von uns die Menschen zerfetzen und die Menschen ihren Welpen sogar die Geschichten erzählten, die ihnen Angst einflößte? Sie mussten schreckliches gehört haben. Für sie waren wir die Bestien. Für uns, waren sie es. Jeder hatte wohl seine Gründe dafür, dennoch würden wir unseren Welpen wenigstens die Chance geben sich eine eigene Meinung zu bilden. Keine Einzelheiten der Geschichten in den ersten Lebensmonaten. So sah ich das wenigstens. Auch Arkanis hätte nicht gewollt, dass ihre Welpen mit Hass gegenüber die Menschen aufwuchsen ohne jegliche eigene Erfahrung. Ich sah noch einmal zu Avis und nickte zufrieden.

"Wir sammeln noch die anderen ein und gehen zurück. Wir werden bestimmt schon erwartet."

Sprach ich ruhig und freundlich, ehe ich wieder schnellen Schrittes aufnahm um in Richtung Skadi zu marschieren. Ich erhob die Schnauze um ihren Geruch intensiver wahr zu nehmen und um ihrer Fährte besser folgen zu können. Es dauerte eine Weile, ehe ich sie sehen konnte. Mein Schritt wurde schneller und einige Meter vor ihr blieb ich stehen und blickte flüchtig zu Tryss und Dekaja. Ein sanftes Lächeln verließ meine Lefzen.

"Wir sollten zurück. Die anderen machen sich bestimmt schon Sorgen."

Ich klang freundlich und ruhig. Es wäre nicht gut, noch viel länger hier bleiben. Die Menschenwelpen war so schon angespannt wegen unserer Anwesenheit. Die Situation sollte keines Falls eskalieren.

[Bei Skadi, Tryss und Dekaja. möchte zum Rest]


- Dekaja - 26.10.2013

Ich neigte den Kopf, als ich Tryss‘ Worte hörte, die leicht empört klangen. So kannte ich ihn schon eher. Ganz ehrlich hätte ich ohnehin nicht angenommen, dass er sich das alles entgehen lassen würde, allen Bedenken zum Trotz. Ein Tryss, der zurückging und sich das entgehen ließ – das passte einfach nicht. Ein amüsiertes Schmunzeln zog sich über meinen Fang.

„Erschrecken? Vor Menschenkindern? Und wovon träumst du nachts?“,

antwortete ich fröhlich. Nicht, dass ich die Menschen unterschätzte. Nicht nach den Erlebnissen, die wir durchgemacht hatten. Aber sie waren noch so jung und klein. Und ich war mir völlig sicher, dass sie uns nichts tun würden, wenn wir sie nicht völlig überrumpelten. Zugegeben, ich war nicht gerade talentiert darin, feinfühlig auf andere Artgenossen oder überhaupt Lebewesen zuzugehen, aber ich war zuversichtlich, dass die kleinen Menschen uns nichts tun würden. Und ich hatte keine Angst – natürlich nicht. Es gab nicht sehr viel, vor dem ich Angst hatte. Abhänge waren mir nicht ganz geheuer, aber diese kleinen, dünnen Menschen? Nein, sicher nicht. Mein Blick blieb wieder auf ihnen hängen, aber es tat sich nichts. So gar nichts. Ich hatte schon etwas mehr Initiative von ihnen erwartet. Irgendeine Regung, die darauf hindeutete, was sie dachten. Aber es war schwer, irgendwie zu sagen, was sie von ihnen halten und wie sie auf sie reagieren wollten. Außerdem hatten sie keine Rute, die sagte, ob sie der Begegnung entspannt oder aggressiv entgegenschauten. Es war schwer. Aber ich ließ mich von Skadi nicht zweimal auffordern und trabte neben sie zu dem Gebüsch, um aufmerksam mit den Ohren zu wackeln und erneut einen verspielten Gesichtsausdruck aufzusetzen, der verdeutlichte, dass ich ihnen ganz und gar nichts Böses wollte.

Aber mir entging auch nicht, dass einer der Jungen auf Skadis Wuffen zusammenzucken zu schien. Sie schienen selbst etwas Angst zu haben und ein Wuffen war vielleicht nicht die beste Möglichkeit, diese abzubauen. Oh, ich wollte nicht mehr warten. Wirklich nicht. Etwas irritiert legte ich den Kopf schief, als ich beobachtete, wie einer der Jungs einen Stock hochhob, wie um sich zu verteidigen. Möglicherweise musste man sie etwas in die richtige Richtung schubsen? Nun ja, eigentlich konnte ich nicht nur immer den sicheren Weg gehen. Auch Risiken musste man eingehen. Also vergaß ich meine Vorsicht völlig und trat aus dem Gebüsch heraus, einen Schritt auf die Menschenkinder zu, nur um mich dann zu Boden zu hocken, fast wie zu einer Spielaufforderung und fröhlich mit er Rute zu wedeln. Konnte man das fehlinterpretieren? Nein, eigentlich wirklich nicht. Selbst die Menschen sollten nicht blind sein.

[Skadi, Tryss | tritt aus dem Gebüsch hervor einen Schritt auf die Menschen zu - mit Spielaufforderung]


- Kimya - 01.11.2013

Während ich er Fähe, die Worte an mich richtete, zuhörte, freute ich mich über meine Entscheidung. Von Rúnas Meinung hatte ich immer viel gehalten, und dass sie mir nun Mut machte und gut zuredete, zeigte mir, dass es richtig war, was ich vorhatte. Nun musste nur noch Alvarez mitmachen, der jedoch schien ein wenig in Gedanken versunken oder noch am überlegen, ob er es wirklich tun wollte oder nicht. Ich konnte gar nicht verstehen, was es da zu überlegen gab. Es war doch gut, wenn man sich verteidigen konnte, dann war man nicht mehr so nutzlos oder überflüssig und konnte mehr auf sich selbst aufpassen – am Ende war es eine Investition von Zeit, die sich lohnte. Jetzt hieß es trotzdem erst abzuwarten, wie sich der Rüde entschied. Wieder kam Langeweile auf und wieder richtete ich meinen Blick in die Richtung, in der ich die anderen Wölfe vermutete. Es war noch immer nichts von ihnen zu sehen oder zu riechen. So langsam machte ich mir auch ein wenig Sorgen, ganz besonders um Avis. Er war immerhin mein Bruder. Ich wandte mich Rúna zu.

-“Hast du auch kämpfen gelernt? Kannst du dich verteidigen?“

, fragte ich sie frei heraus, ohne einen großen Sinn dahinter. Natürlich war sie eine Fähe und auch wenn sie größer war als ich, sah ich doch, dass sie kleiner war als einige andere. Trotzdem konnte man sich ja verteidigen, wenn man es richtig gelernt hatte. Und wenn sie es nicht so gut konnte, war es immer noch ein Grund mehr für mich, es zu lernen. Wieder warf ich dem Rüden einen Blick zu.

-“Sie sind wirklich schon eine ganze Weile weg. Es wäre so toll, wenn ich mich ein wenig ablenken könnte..“

,murmelte ich und schaute Alvarez dabei von unten an, mit dem freundlichsten Blick, der mir irgendwie möglich war. Der Rüde musste sich doch mittlerweile auch langweilen, wenigstens ein bisschen. Das war doch nur normal, wenn man nur am rumsitzen war, oder? Oder war es doch etwas, was ich noch nicht verstand, weil ich doch noch nicht ganz erwachsen war...?

[Bei Rúna und Alvarez, möchte kämpfen lernen]


- Chu - 03.11.2013

Mit offenem Maul starrte ich den Welpen an, als er mir anbot, doch mit ihnen zu kommen. Dann flog mein Blick zu dem erwachsenen Rüden, doch der hatte sich bereits umgewandt und ließ sich auch von meinem ängstlichen Ruf nicht mehr beeinflussen. War es das, was er mir hatte sagen wollen? Die Entscheidung, von der er gesprochen hatte? Mittlerweile hatte auch der Welpe abdrehen müssen, um nicht den Anschluss an seinen Papa zu verlieren. Da gingen sie also beide, nur ich blieb wie angewurzelt an Ort und Stelle stehen. Tausend Gedanken rasten mir gleichzeitig durch den Kopf. Was, wenn ich ja sage? Was, wenn nicht? Würde ich überhaupt zu ihnen passen und mit diesem wilden, schönen aber auch unheimlichen Leben klarkommen? Würde ich sie überhaupt wiedersehen? Im ersten Moment kribbelte es in meinen Pfoten und es juckte mich, ihnen schnurstracks hinterherzulaufen. Vorsichtshalber, damit ich sie nicht verliere. Ich hatte schließlich zum ersten Mal seit langer, langer Zeit Kontakt mit Artgenossen gehabt und diese Chance würde sich mir so schnell wohl nicht wieder bieten. Je länger ich aber dort stand und über meine Zukunft grübelte, desto mehr bildete ich mir plötzlich ein, dass es ja doch nicht funktionieren würde. Sie würden nicht zurückkommen. Mich nicht mitnehmen. Und vielleicht wollte ich das auch gar nicht. Ich gehörte nicht zu ihnen, zumindest nicht so richtig. Ich gehörte jetzt zu Anyana und konnte doch nicht einfach so abhauen, selbst wenn sich mir die Chance dazu bot. Unsicher drehte ich den Kopf, suchte den Blick des Mädchens und wackelte dann zu ihr zurück, um mich an ihre Wade zu drücken.

“Was jetzt?“, fragte ich sie dann leise. “Gehen wir zurück?“

Und dann war es wieder vorbei, einfach so. Zurück, zu den Zweibeinern. Zurück mit Anyana, die meine Frage nicht verstehen und mir keine Antwort geben konnte. Aber ich war es gewohnt, ich kannte es nicht anders. Die Wölfe würden nicht zurückkommen, nicht meinetwegen. Vermutlich trafen sie sich jetzt mit ihrem Rudel und lachten über die Zweibeiner und den komischen Welpen, der bei ihnen lebte. Und dann würden sie aufbrechen, in den Norden, und ich würde niemals wissen, wie es dort aussah oder was überhaupt der Norden war, weil ich niemanden danach fragen konnte.


- Tryss - 04.11.2013

Dekas Neckerei entlockte mir nur ein leichtes Brummen. Ich war nicht sonderlich glücklich darüber, dass Skadi tatsächlich den Weg nach vorn gewählt hatte. Was war nur in sie gefahren? Und was war in mich gefahren, dass ich meine Neugierde von Vorsicht unterdrücken ließ? Als nun auch Deka voran ging, steckte ich erneut in meiner moralischen Zwickmühle fest. Ich hatte mir doch fest vorgenommen, dass ich um Ares' Willen nicht noch einmal solche voreiligen Dummheiten machen würde. Andererseits... war es überhaupt eine Dummheit, wenn Skadi es selbst vormachte? Immerhin gab es hier einen entscheidenden Unterschied: Wir waren dem „feind“ nicht ausgeliefert, sondern konnten jederzeit fliehen. Aber was, wenn sie schneller waren oder wir den Standpunkt anderen verrieten? Alvarez, Rúna, Rokuta und Kimya waren nicht auf die Menschen vorbereitet. Und was passieren würde, wenn Rokuta mit den Menschen zusammengeriet... das wollte ich mir kaum ausmalen.

„Ach, verdammt.“

schimpfte ich leise. Am liebsten hätte ich Deka und Skadi an der Rute gepackt und sie von hier fortgezerrt. Mein Fluchen galt zum Teil ihnen, zum Teil mir und doch gab ich mir einen Ruck und folgte den beiden. Allerdings war ich sehr viel langsamer und leiser, sehr darauf bedacht keine schnellen oder unerwarteten Bewegungen zu machen. Meine Augen hatte ich dabei immer auf die drei Menschen gerichtet. Ich war gerade auf halbem Weg zu Skadi neuem „Versteck“, als einer der Jungen einen Stock nahm und ihn zur Verteidigung hob.

„Seht ihr, sie haben Angst. Schaut in ihre Augen, das ist nicht nur ein bisschen Furcht, das ist verdammte Angst. Kein guter Gefährte, wenn es darum geht neue Freundschaften zu schließen ,das habe ich schon mal gesagt.“

Meine Worte waren nur ein mahnendes Zischen, das für Deka und Skadi bestimmt war. Wenn dieser Junge noch auf die Idee kam den Ast ins Feuer zu halten und damit um sich zu schlagen, wurde es schneller gefährlich als wir gedacht hatten. Das Bild von Alvarez schoss mir durch den Kopf. Sein Fell hatte gestunken, als wir auf ihn gestoßen waren. Niedergebrannt war es gewesen. Nein, so wollte ich sicher nicht aussehen. Und schon gar nicht so mürrisch und wortkarg werden. Das fehlte noch. Ich öffnete den Fang, um noch einmal einen Schwall an Überzeugungen auf die beiden loszulassen, als von der anderen Seite jemand aus dem Wald trat.

„Tamias!“

entfuhr es mir überrascht. Und noch viel überraschter war ich, dass er Skadi keine Standpauke hielt, dass es keinen Ärger gab und dass er sich nicht schützend vor irgendwen stellte. Was war denn mit dem los? Ich musterte ihn misstrauisch, aber nur für einen Moment. Dann trat ich ein paar Schritte vor, erleichtert. Denn er sprach genau das aus, was ich dachte.

„Na endlich mal jemand der auf meiner Seite ist. Sie wollen noch näher heran, kannst du ihnen das bitte ausred... Deka, nicht!“

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Deka aus dem Busch trat. Sie ging näher an die Menschen heran und ließ sich auf den Boden sinken, während ihre Rute wackelte. War sie denn wahnsinnig geworden? Eine Spielaufforderung? In meinem Kopf spielte sich ab, was als nächstes geschehen würde: Die Kinder würden es nicht verstehen. Der Junge mit dem Stock würde auf Deka losgehen. Die Kinder hätten noch mehr Angst und unsere Chancen das Lager zu durchqueren und heil über die Brücke zu kommen, wären dahin. Aber noch viel schlimmer: Sie würden Deka weh tun. Ich dachte nicht weiter nach, sondern sprang entsetzt hinter dem Schutz des Gesträuchs hervor. Mit schnellen Schritten war ich bei Deka und packte ihre Rute mit meinem Fang.

„F-ei doch niht s-du-mm... Schdeka... komm sch-urück! Losch!“

[Lagerfeuer | Deka, Skadi, Tamias]


- Tryss - 04.11.2013

Spielleitung für Rokuta

Die Wölfin hatte gewartet, hatte beobachtet, gesehen, wie die Gruppen gingen um zum Nachwuchs der Menschen zu gehen, ihn zu begaffen. Noch immer konnte Rokuta nicht begreifen, wie man versuchen konnte sich mit den Zweibeinern anzufreunden oder ihnen auch nur ansatzweise friedlich zu begegnen. Einige der Wölfe hier teilten ihr Schicksal, viele hatten ihre Familien verloren und dennoch waren sie einfach... anders. Waren sie zu anders? Rokuta betrachtete die Fähe, den Rüden und den Welpen, die etwas abseits saßen und sich miteinander unterhielten. Ihnen schien es nichts auszumachen, dass ihre Gefährten sich in die Hände des Feindes drängten.

Hier zieht jeder mit, der kann und will.

Die Fähe erinnerte sich an die Worte, die ihr Tamias zugeraunt hatte, bevor er gegangen war. Jeder der kann und jeder der will. Ihr fehlte die Gesellschaft von Wölfen. Aber je länger sie über die Situation nachdachte, desto klarer wurde ihr bewusst, worauf sie zusteuerte. Es würde keinen Umweg für sie geben. Auch sie würde durch das Menschenlager müssen und diese Wölfe würden ihr nicht gestatten zu tun, was sie würde tun wollen. Einen anderen Weg würden sie nicht in Kauf nehmen. Tamias hatte auch gesagt, dass er nicht die Absicht hatte sie hier zurückzulassen. Und obwohl sie ihn nicht kannte, glaubte sie doch zu wissen, dass er ein Wolf war, der zu seinem Wort stand. Sie würde es nicht sein, die ihn in eine unangenehme Lage brachte. Langsam, ruhig und ohne die Mühe es zu verbergen, stand die Fähe auf. Sie streckte sich und blickte noch einmal zu den anderen. Dann wandte sie sich ohne ein weiteres Wort um und ging. Sie würde ihren eigenen Weg finden.



- Die Kinder - 04.11.2013

(Für Chu)


Anyana stand noch immer wie angewurzelt und rührte sich nicht vom Fleck. Die Angst war wie weggepustet, seit sie den Wolf berührt hatte. Er dagegen schien es nicht einmal gemerkt zu haben. Womöglich lag es aber auch einfach daran, dass er gegangen war. Wieder im dunklen Wald verschwunden und auch der kleinere Wolf folgte ihm schnell nach. Die kleine Familie ging zurück, woher auch immer sie gekommen waren. Es stimmte Anyana ein wenig traurig, andererseits hatte sie ja ihre eigene Wölfin. Sie blickte herab zu Fara. Als sie dem unsicheren Blick der kleinen Fähe begegnete, wurde es dem Mädchen aber schnell schwer ums Herz. Was bedeutete das? Fara kam zu ihr zurück, aber sie drückte sich an ihr Bein und piepste etwas, das Anyana nicht verstand.

Das Mädchen konnte aber seine eigenen Schlüsse ziehen, immerhin war sie kein Kleinkind mehr. Anyana glaubte zu wissen, was Fara ihr sagen wollte. Sie hockte sich hin, um ihrer Freundin auf Augenhöhe begegnen zu können. Der dünne Stoff an ihrem Körper raschelte leise dabei, doch für Anyana war es das Lauteste auf der Welt. Sie packte die kleine Wölfin hinter den Vorderläufen am Rumpf und zog sie auf ihren Schoß. Der Kloß, der sich in ihrem Hals bildete, als sie ihr fest in die Augen sah, war unglaublich groß. Sie wollte ihn herunterschlucken, doch er steckte fest. Erst als sich die Tränen ihren Weg in ihre Augen bahnten, gelang es ihr zu sprechen.

„Du willst mit ihnen ziehen, nicht wahr? Damit du endlich wieder eine richtige Familie hast... einen richtigen Papa und vielleicht auch eine Mama.“

Die Kleine schluckte und unterdrückte mit Mühe, dass heiße Tränen aus ihren Augen liefen.

„Ich habe immer gedacht, dass wir beide eine Familie sein können. Aber es ist wohl besser, wenn du mit ihnen gehst. Ich bin kein Wolf und du bist kein Mensch... vielleicht, vielleicht... nein, das wäre sicher nicht mehr lange gut gegangen.“

Das jedenfalls war es, was das Mädchen versuchte sich einzureden. So würde der Abschied von ihrer Freundin, der wie sie glaubte kurz bevor stand, nicht ganz so schmerzhaft sein.


- Avis - 06.11.2013

Ziemlich verwirrt und unmutig trottete ich zunächst schweigend hinter Tamias her. Der Rüde machte sich nicht mal die Mühe zurück zu schauen, geschweige denn irgendwas zu sagen. Ich war es ja eigentlich gewohnt, aber grade störte es mich ungemein. Zorn machte sich in mir breit, warum hatten wir sie dort stehen lassen? Sie gehörte doch zu uns Wölfen oder etwa nicht? Vielleicht hatte sie ihre Mutter auch verlassen und sie hatten keinen gehabt, außer diesen Menschenwelpen, ganz anders als bei Kimya und mir. Ich kam zwar mit den meisten hier nicht so klar, manche waren ja auch wirklich dumm im Gegensatz zu mir, aber immerhin war ich nicht allein. Alleinsein, damit wollte ich mich nicht befassen, es war mein Alptraum. Eines Tages zu erwachen und allein zu sein. Diese kleine Fähe war allein. Niemand verstand sie und ich wagte zu bezweifeln, das es diese Menschenwelpen taten. Die konnten unsere Sprache nicht verstehen und alles was ich von den anderen Wölfen erfahren hatte bestätigte mich nur in diesem Denken. Ich wäre lieber wieder umgedreht und hätte diese Chu gern mitgenommen, aber mir blieb keine Wahl als bei Tamias zu bleiben, alles andere hatte mir nur wieder Ärger eingebracht und jetzt wurde ich endlich mal nicht wie der Miniwelpe behandelt, der nichts kapierte, also wolle ich das lieber nicht wieder durch unüberlegtes Handeln zerstören.

Tamias sagte plötzlich etwas zu mir und riss mich so aus meinen Gedanken. Ja die Anderen einsammeln. Hmm. Und dann? Ich schaute den Wolf kurz fragend an, doch der schien sich nicht weiter mit mir befassen zu wollen, sondern ging direkt weiter. Inzwischen hatte ich auch den Geruch von Dekaja, Tryss und Skadi in der Nase. Dekaja. Meine Laune hob sich innerlich etwas. Diese Fähe war mir lieber, aber auch Skadi hatte sich mir gegenüber nicht mehr ganz so abweisend verhalten als ich sie letztens angesprochen hatte. Ich sah mich suchend um. Ja dort, da war eindeutig Skadis Pelz. Aber was machten die da eigentlich alle? Wollten sie nicht warten? Ich roch noch so viele Andere, Gerüche wie vorhin bei diesem Menschenwelpen. Ich konnte sie auch hören, nah. Viel zu nah. Was war denn hier los?
Grad als wir näher dran waren und Tryss uns bemerkt hatte, wollte ich zu Deka gehen um sie zu fragen was denn los sei, aber dazu kam es gar nicht mehr.

Bevor ich meine Pfoten in Bewegung gesetzt hatte und hinter Tamias vorgetreten war, sprang Deka aus der Deckung, direkt auf die Menschenwelpen zu. Mit Entsetzen stellte ich fest, das sie Stöckern in der Hand hielten. Ich machte einige Schritte um mehr sehen zu können, die Anderen nahmen offenbar von mir wenig Notiz. Tryss war hinter Deka her gesprungen, die sich ihrerseits auf den Boden gelegt hatte. Diese Haltung kannte ich nur zu gut, spielen? Aber wollten die denn wirklich spielen? Spielen war gut, das konnte ich bestens! Auch Tryss schien mitmachen zu wollen, der biss Deka in die Rute und zerrte daran. In meinem Eifer merkte ich nicht, das Tryss Deka wieder zurück ziehen wollte. Noch bevor mich jemand daran hindern konnte, sprang ich aus dem Gebüsch und stellte mich neben Deka. Ein noch viel zu welpisches Knurren entwich meinem Fang als ich Tryss anbellte und ich pendelte mit meiner Rute. Zeit zum spielen!


[springt zu Dekaja, will auch spielen, versteht die Situation vollkommen falsch]


- Chu - 10.11.2013

Bereitwillig ließ ich mich auf Anyanas Schoß ziehen und erwiderte ihren Blick. Obwohl ich kein Wort von dem verstand, was sie mir sagen wollte, machte es mich doch unheimlich betroffen. Es war nicht zu übersehen, wie traurig sie war. Ich hörte es an dem unterdrückten Zittern in ihrer Stimme und schließlich sah ich es auch, als ihr ungehindert die Tränen übers Gesicht liefen. Das war auch etwas, das ich bei den Zweibeinern gelernt hatte. Wenn sie traurig waren, weinten sie nicht nur in ihrem Herzen, sondern auch mit ihren Augen. Sofort tat es mir unglaublich leid, wie schlecht ich über sie und ihre Artgenossen gedacht hatte. Sie gaben sich schließlich die allergrößte Mühe und konnten nichts dafür, dass sie mich nicht verstanden. Ich hatte mindestens genauso viel Schuld daran.

“Es tut mir leid, bitte sei nicht traurig“, fiepte ich kläglich und streckte mich, um ihr meine Vorderpfoten gegen die magere Brust zu stemmen.

Tröstend fuhr ich ihr mit der Zuge über das Gesicht. Ihre Tränen schmeckten salzig und machten mir gleich ein noch schlechteres Gewissen. Ich wollte nicht, dass sie wegen mir weinte. Anyana war meine Freundin und sollte glücklich sein, stattdessen hatte ihr irgendetwas – oder jemand – das Herz gebrochen. Es musste mit den Wölfen zu tun haben, sonst hätte sie erst geweint, wenn wir wieder im Lager waren. Stattdessen war sie an Ort und Stelle auf die Knie gesunken, hatte mich umarmt und ihren Gefühlen freien Lauf gelassen. War sie auch traurig, dass die Wölfe fort waren? Sie hatte immerhin den Größeren berührt und dabei irgendwie so gelöst gewirkt. Die Begegnung musste auch sie berührt haben.

“Hab' keine Angst, sie kommen bestimmt zurück“, flüsterte ich hilflos und wusste nicht, ob ich damit Anyana oder mich selbst trösten wollte.

[bei Anyana]