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Passus VI - Eine wundersame Begegnung - Druckversion

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Passus VI - Eine wundersame Begegnung - Tryss - 05.04.2013

Foto: Sas R. | Dawnthieves.de

Passus VI - Eine wundersame Begegnung


Die Erleichterung in der Gruppe war so stark, dass man meinen konnte ein schwerer Steinschlag wäre die Berge hinabgekommen. Dass die Heilmittel der neuen Fähe, die sich mittlerweile als Rúna vorgestellt hatte, angeschlagen hatten, war wie ein Wunder für die Wölfe der Gemeinschaft, die die Hoffnung auf Heilung beinahe schon aufgegeben hatten. Alvarez und Dekaja begannen sich zu erholen und auch die kleineren Verletzungen der anderen Wölfe begannen zu vernarben. So war die Gemeinschaft mit doch überschaubaren Verlusten aus dem Kampf mit den Hunden herausgekommen. Lediglich Arkanis fehlte noch immer, den beiden jungen Rüden ganz besonders und mit jedem verstrichenen Tag dämmerte es auch Kimya und Avis, dass ihre Mutter nicht zurückkehren würde. Stattdessen blieb Rúna und beaufsichtige auch in den folgenden Wochen die körperliche Genesung der beiden schwer verletzten Wölfe. Wie die seelischen Wunden der Weggefährten heilen würden, konnte niemand voraussagen. Nach vier Wochen schließlich war die kleine Gruppe gemeinschaftlich zum Aufbruch bereit. Zwei aber schlugen einen anderen Weg ein, als von der Gemeinschaft vorgesehen. Getrieben von ihrer Zuneigung zueinander und dem Wunsch ein eigenes Leben, vielleicht gar eine eigene Familie aufzubauen, verabschiedeten sich Kaya und Velvet und zogen ihrer eigenen Wege.

Dass mit Kaya einer derjenigen ging, der die Worte der Wölfin gehört hatte, war ein trauriger Verlust und in dem ein oder anderen mochte der Verdacht aufkeimen, dass der Rüde nicht mehr an die Prophezeiung glaubte – oder die Zwistigkeiten mit anderen Wölfen der Gemeinschaft den Willen bestärkt hatten mit Velvet auf eigenen Pfoten weiterzureisen. Demgegenüber aber standen die, die noch an die Worte der Wölfin glaubten – und ihr Ziel weiterverfolgen wollten. So zog die Gemeinschaft weiter und es sollte nicht lange dauern, bis sie die Lücken in ihren Reihen wieder schließen konnten. Schon kurz nach dem Aufbruch, man hatte sich gerade an einem Fluss zur Rast gesetzt, stieß die Fähe Rokuta zu ihnen und beschloss nach anfänglicher Skepsis schlussendlich doch mit den anderen auf die Reise zu gehen.

Die folgenden zwei Wochen sollten unspektakulär vergehen. Die Wölfe reisten von der Abend- bis zur Morgendämmerung in der Hoffnung so den Menschen und ihren Jagdmeuten aus dem Weg gehen zu können. Tagsüber rasteten sie an Bächen oder verborgenen Plätzen, immer darauf bedacht eine schnelle Rückzugsmöglichkeit zu haben. Auch das Wetter sorgte dafür, dass diese Tageseinteilung eine gute Wahl der Wölfe war. Der Sommer war da und ließ dies die Tiere in seine heißen Mittagsstunden immer wieder spüren.

Auch nach der Reise in jener Nacht freuten sich die Wölfe der Gemeinschaft wieder darauf die heißen Mittagsstunden an einem kühlen Platz verbringen zu können. Der Morgen dämmerte bereits, als Tamias, der vorausgelaufen war um die Gegend zu erkunden, mit alarmierenden Nachrichten zurückkehrte. Nicht weit von ihnen lagerte eine Schar von Menschen. Nicht die großen Zweibeiner, es waren viele kleine, sehr junge sogar unter ihnen. Sie lagerten nahe einer Schlucht, deren Felswände steil herunterführten und schließlich in mehreren Metern Tiefe den Blick auf einen Fluss preisgaben. Den einzigen Weg über diese Schlucht, eine alte, aber dennoch stabile Holzbrücke, versperrten die Kinder mit ihrem Lager. Guter Rat war nun teuer. Der Weg in den Norden führte über die Brücke und damit durch das Lager, denn ein Umweg würde Tage und viel Kraft kosten. Wie aber sollten sie ungesehen an den Menschen vorbeikommen?


Kurzinformationen


Datum: 31. Juli 1202
Tageszeit: Kurz vor der Morgendämmerung (noch dunkel!)
Temperatur: 18°C
Wetter: Sommerlich und warm , auch wenn es in der Nacht zuvor geregnet hat.
Wind: Westwind
Situation in Kürze: Insgesamt sechs Wochen sind seit der Jagd und dem Treffen mit Rúna vergangen. Kaya und Velvet haben die Gruppe verlassen, dafür hat sich Rokuta angeschlossen. Die körperlichen Wunden sind vollständig verheilt, die Welpen sind nun dreieinhalb Monate alt. Nach einer durchwanderten Nacht, die sich langsam dem Ende neigt, kommt Tamias von einem Kundschaftergang zurück und berichtet von einem Lager Menschenkinder, die nahe einer Schlucht rasten. Da der Wind von Westen kommt, haben die Wölfe die Kinder nicht bemerkt. Über diese Schlucht führt nur ein einziger Weg – eine Brücke. Um diese zu erreichen müssen die Wölfe jedoch das Lager der Kinder durchqueren.
Geschichtlicher Hintergrund: Eine Abwandlung des Kinderkreuzzuges. Mehr Informationen dazu findet ihr im Infothread.



- Rokuta - 05.04.2013

Es gab nichts, was mich an die Gegend band, in der ich meine Zeit verbrachte und in den Tag hinein lebte. Kein Rudel, keine Familie, nicht einmal ein Gefährte; einfach nichts. Also hatte wie so oft meine Zunge das Regiment übernommen und ehe ich mich versah, hatte ich um Aufnahme in das Rudel gebeten. Aufnahme in das seltsamste Rudel, das mir je unter die Augen gekommen war. Und was mich noch mehr überraschte, sie wurde mir gewährt. Nachdem der Start ja nun alles andere als perfekt verlaufen war. Bald danach drängten die anderen zum Aufbruch und wir zogen weiter. Es fiel mir nicht schwer, auf der Wanderung Schritt zu halten. Wenn ich etwas wirklich gut konnte, dann war es laufen; schnell und ausdauernd. Ich ließ mich innerhalb der Gruppe hin und her treiben, bestimmte hier vorn das Tempo mit und ließ mich dort zurückfallen, um die Nachhut zu bilden. Dabei redete ich nicht sonderlich viel, sondern hing mehr meinen eigenen Gedanken nach. Ein gelobtes Land, wo es Frieden gab… Ich glaubte nicht an die Prophezeiung der sterbenden Wölfin, von der das Rudel mir berichtete. Oh, es mochte durchaus sein, dass sie daran geglaubt hatte und nicht etwa böswillig täuschen wollte. Doch im Todeskampf spielte der Verstand einem seltsame Streiche. Und ehe ich nicht mit eigenen Augen sah, wie Mensch und Wolf sich Hand in Pfote begegneten, blieb ich skeptisch. Aber auch wenn ich nicht daran glaubte, jemals jenes Ziel zu erreichen, so tat mir doch das stetige Wandern erstaunlich wohl. Eigentlich seltsam für einen Wolf, doch ich begann das Nomadenleben zu genießen…

Wir reisten bei Nacht und ruhten bei Tag, möglichst weit entfernt von der nächsten menschlichen Behausung. So auch in dieser Nacht, etwa einen halben Mondlauf, nachdem ich mich dem Rudel angeschlossen hatte. Wir verharrten, als sich die ersten Anzeichen der Dämmerung bemerkbar machten, die Sonne jedoch noch tief hinter dem Horizont verborgen lag. Tamias begann damit, die Gegend nach einem passenden Rastplatz für den Tag auszukundschaften. Es war eine angenehm milde Nacht, der Sommer demonstrierte bereits seine ganze Kraft. Ich gesellte mich zu Tryss. Der Rüde hatte mir imponiert, wie er sich neulich so schützend vor Dekaja gestellt hatte. Ich sprach ihn jedoch nicht an, sondern sah nur schweigend zu den anderen hinüber und wartete auf Tamias' Rückkehr.

[Tryss | Laut Karte etwas abseits der anderen]

{ooc: Nicht das Gelbe vom Ei, aber ich hoffe, das passt so als Einstieg.}


- Tryss - 06.04.2013

Die letzten Wochen waren... angenehm ruhig gewesen. Keine Zwischenfälle, kaum andere Wölfe, keine Dörfer, keine Jagdhörner und kaum Streitereien. Mir war, als wären wir enger zusammen gewachsen und mit den heilenden Wunden der anderen, war auch das Band zwischen uns ein wenig fester zusammengeknüpft worden. Da ich aber ein abenteuerlustiger und neugieriger Geselle war, hatte ich... nun, keine Langeweile. Aber die Lust auf ein Abenteuer, die mir nach den Ereignissen vor einigen Wochen gründlich vergangen war, war zurückgekehrt. Nur wo eins finden? Wenn man sie brauchte, kamen sie anscheinend nie. Stattdessen tauchten sie in den unmöglichsten Formen auf, wenn man sie nicht gebrauchen konnte oder wollte. So wie heute Nacht. Wir waren gereist und ich sehnte mich ein wenig nach einem Plätzchen, an dem ich in der Morgensonne vor mich hin dösen konnte. Ich dachte, es würde so verlaufen, wie die anderen Tage und Nächte. Dass alles friedlich wäre und wir ohne Probleme vorankommen würden. Doch wir hielten an und irgendetwas war... seltsam.

Tami war vorausgelaufen, um die Gegend auszukundschaften. Ich hatte mich erst gesetzt, mittlerweile war ich aufgestanden und wartete neben Rokuta auf seine Rückkehr. Ein wenig unruhig trippelte ich von einer Pfote auf die andere. Ich wollte endlich weiter, endlich ein wenig ruhen. Mein Blick fiel kurz auf die Fähe neben mir. Wir hatten noch nicht so viel miteinander gesprochen, aber sie schien Eindruck gemacht zu haben und stark zu sein, was nie schlecht war. Ich mochte es, wenn wir mehr wurden. Langsam, ganz langsam und wie sich der Traum vom Norden weiterentwickelte, obwohl wir ab und an Gefährten ziehen lassen mussten.

„Er braucht lange, nicht? Ob er wohl etwas Verdächtiges gesehen hat? Wieder eine Jagd? Oder irgendein anderes Hindernis?“

Da fing sie wieder an, die Fragerei, aber diesmal klang ich ein wenig besorgter als sonst. Die Ereignisse vor einigen Wochen hatten ihre Spuren hinterlassen. Wir hatten Kheran verloren, weil der Hass auf die Menschen und ihre Hunde uns entzweit hatte. Und wir hatten Arkanis verloren, weil... ja warum eigentlich? Weil wir nicht auf Kenzo gehört hatten? Weil wir zu langsam gewesen waren? Oder weil es einfach hatte sein sollen? Sie war nicht wieder aufgetaucht und allein das machte mich ein wenig traurig. Kaya und Velvet waren von sich aus gegangen. Wir wussten warum, sie hatten sich wenigstens verabschiedet. Arkanis hatte das nicht getan und obwohl ich wusste, dass es gut sein konnte, dass sie von den Menschen eingefangen worden war, konnte ich doch nicht umhin einen kleinen Stich der Enttäuschung zu spüren, wenn ich an sie dachte. Der Gedanke, dass sie uns einfach ohne ein Wort zurückgelassen hatte und Kimya und Avis sich selbst überlassen hatte, war einfach zu verletztend. Ich schüttelte kurz den Kopf und blinzelte die Gedanken weg.

„Vielleicht sollten wir nachsehen gehen?“

schlug ich vor, denn das untätige Herumstehen mochte ich gar nicht. Was, wenn ihm etwas passiert war? Dann konnten wir lange auf seine Rückkehr warten.

[Rokuta | Waldrand | bei den anderen]

((Hihi, nein Roku. Wir sind alle zusammen, aber es müssen sich erst alle auf der Karte umsetzen. Weil du neu auf der Karte bist hatte ich dich gleich verschoben.))


- Tamias - 06.04.2013

Die Zeit verging und es gleichte fast einem kleinen Wunder, dass beide Wölfe wohlauf waren, die einst vor wenigen Wochen noch todkrank erschienen. Gerade Alvarez´Verletzung war keine Kleinigkeit. Doch seine hervorragende Retterin, die sich nach diesem Erfolg mit Runa vorgestellt hatte, vollbrachte Höchstleistung in ihrem Gebiet der Heilung und machte es mir somit leichter, ihren Titel als Heilerin anzuerkennen.
Auch mir tat die erzwungene Ruhe gut und mein Körper dankte es mir mit Genesung.
Die Gemeinschaft zog langsam weiter und mit einem Auftritt der Besonderen Art stellte sich Rokuta bei uns vor. Der erste Eindruck war nicht der, den man den Besten nannte und noch immer, auch wenn sie nun mit uns zog, vermochte ich ihr kein bisschen zu trauen.
Skadi und ich waren zwar gemeinsame Wege mit der Gemeinschaft gegangen, doch schien die Beziehung etwas eingefroren zu sein. Nach der Auseinandersetzung mit Tryss bezüglich Kimya hatten wir nicht mehr viel miteinander gesprochen und das stimmte mich nachdenklich.
Als sie bei der Begegnung mit Rokuta von ihr angepampt wurde, regelte sie das so locker, dass ich mir ernsthafte Gedanken machte, was mit mir los war. Ich machte mir stetig Gedanken um sie und ihre Sicherheit, dabei kam sie genauso wie ich in der freien Natur wunderbar zurecht. Warum also Sorgen machen?
Die Anwesenheit von Rokuta spannte automatisch schon meine Nerven. Sie immer im Blick zu behalten und darauf zu achten, dass sie ja nicht irgendwen anfällt war anstrengend. Das ausgeglichene Laufen hingegen entspannte mich wieder ein wenig und machte es erträglich.
In der Helligkeit ruhten wir, ausweichend den heißen Sonnenstrahlen. Die Nacht war schon beinahe rum und es dämmerte. Bald würden wir uns hinlegen, sobald die Wärme die Erde erreicht hatte und so machte ich mich auf den Weg, die Sicherheit des Platzes zu überprüfen. Oft tat ich das nicht, doch waren wir weit gewandert und irgendetwas gefiel mir nicht. Ich wollte mir die Pfoten vertreten. Durch die Welpen legten wir öfters mal kleine Pausen ein und ich sehnte mich nach einer ausgiebigen Erkundungstour.
Nach Absprache ließ ich die Wölfe der Gemeinschaft hinter mir und in dem Moment, als ich das tat zweifelte ich daran, ob es so gut war.
Ob es nur die Distanz zu Skadi und die Abneigung gegenüber Rokuta war die mich so reizten? Irgendwas lag ind er Luft.
Ich entfernte mich immer weiter vom Platz und verließ den dichten Wald.
Rot, gelbes, warmes Licht überkam die Erde und strahlte in wundervoller, sanfter Kraft in den Wald und über die Wiesen. Frische Luft, warmes Moss und die Vögel, die zwitscherten. Mitten auf dem Feld blieb ich stehen um diesen Moment zu genießen. Nur einen kleinen Augenblick, ehe ich in die Ferne sah und weiter lief.
Lautlos wie so oft waren meine Schritte und mein Gang war geschmeidig und beinahe tänzelnd. Die Schnauze dem Boden entgegen verführte mich eine Fährte. Ein Geruch. Ein bekannter Geruch und doch konnte ich ihn nicht gleich einordnen. Erst nach einer Weile, als ich meinen Fang neugierig in die Luft hielt erkannte ich ihn. Innerlich ließ er mich sofort zusammen zucken und doch war es nicht das selbe. Ich sah keine Bilder von grausamen Kreaturen vor meinem inneren Auge. Neutral die Gefühle, ernst die Situation. Vorsicht war nun gefragt.
Menschen waren es, die mal wieder unseren Weg kreuzten, doch als ich die Menschen sah erklärte es sich von allein, wieso ich die Angst hinter meinem Zorn nicht spürte. Es waren Welpen. Menschenwelpen. Wo wohl ihre Eltern waren?
Geduckt lag ich versteckt hinter Felsen mit Büschen. Von hier aus konnte ich sie beobachten. Das plätschern eines Flusses im Hintergrund. Wir saßen mal wieder fest. Entweder würden wir einige hundert Meilen Umweg in Kauf nehmen und es würden Wochen vergehen bis wir auf die andere Seite kamen oder wir nahmen die Brücke, die über die Schlucht führte mit dem Risiko die Menschenwelpen würden uns bermerken, verfolgen, einfangen und quälen oder gar töten.
Einige Wölfe unserer Gemeinschaft waren mit Menschen nicht im Reinen. Ich selbst habe einige auf dem Gewissen und doch war es kein Menschenwelpe. Diese hatte ich eher ängstlich in Erinnerung. Was machten sie also hier? Wo waren ihre Eltern? Wovon ernährten sie sich? Wieso roch ich kein Adrenalin? Wieso hatten diese Wesen keine Angst ohne Eltern? Wie reagierten sie auf uns, wenn Mutter und Vater nicht dabei waren?
Tausend Fragen in meinem Kopf, doch eine stach herraus!
Wie würde die Gemeinschaft zu Menschenwelpen stehen? Ich würde sie nicht verteidigen, doch würde ich sie auch nicht angreifen, wenn sie es nicht taten.
Was tun?
Hier konnte ich jedenfalls lange warten, ich sah keine erwachsenen Menschen und ich roch sie auch nicht. Zur Gemeinschaft zurück kehren oder erst die Gefährlichkeit testen?
Würde ich das jetzt tun, könnte ich mehr berichten und die Gefahr besser einschätzen. Andernfalls würde ich wohl nie richtig ruhen können, wenn ich nicht wusste welche Gefahr von diesen Wesen ausging.
Langsam und vorsichtig trat ich also aus meinem Versteck und traute mich Schritt für Schritt immer näher ran.
Die Muskeln angespannt und darauf bedacht, sofort fliehen oder angreifen zu können.
Als ich so näher heran kam bemerkte ich einen Welpen am Feuer sitzen. Es war alleine, die anderen waren in ihren Zelten. Es bemerkte mich nicht. Ich starrte es aus einer Distanz an, die mich selbst erschreckte.
Der Menschenwelpe hatte lange Haare, die zusammengebunden waren, es starrte in das Feuer, saß mit den Händen die Beine umschlungen da. Einfach so. War das diese Ruhe vor dem Sturm?
Langsam erhob es den Kopf und sah über die Wiesen. Es sah mich direkt an, genau in meine Richtung. Sah es mich?
Nichts passierte.
Mein Herz schlug hörbar, die Ohren angelegt und die Lefzen zuckten. Minuten vergingen und es passierte nichts.
Langsam bewegte ich mich zurück, ließ den Menschenwelpen nicht aus den Augen. Ich war mir sicher, es hatte mich gesehen. Doch es machte nichts.
Ein weiterer Menschenwelpe kam aus einem der Zelte und das, was mich so ansah machte eine Handbewegung woraufhin das aus dem Zelt langsamer wurde und sich einfach auf den Boden setzte.
Ich war irritiert. Lautlos verschwand ich immer mehr in Richtung dichter Wald, ließ sogar die Welpen aus den Augen, kehrte ihnen den Rücken und nichts passierte. Kurz vor dem Wald sah ich zurück, sie hatten mir nachgesehen und nichts gemacht. Das war eine Story, die würde mir niemand glauben.
Als ich zurück kam war noch immer die Spannung in meinem Körper und das Nackenfell stand mir zu berge.

"Hört mir bitte genau zu!"

Rief ich kurz. Tryss und Rokuta hatten mich schon erwartet, doch sollten mir auch die anderen zuhören.

"Unsere Reise führt über eine Schlucht. Wir kommen nur über eine Brücke dorthin. Vor dieser Brücke ist ein Lager mit Menschenwelpen. Entweder nehmen wir Wochen in Kauf und nehmen einen Umweg, wir beobachten noch eine Weile die Menschenwelpen und gucken ob sie alleine weiterziehen oder wir müssen daran vorbei. Sie wissen, dass es mich gibt. Sie haben mich gesehen. Unbemerkt wären wir nicht an ihnen vorbei gekommen. Die sind noch jung, die Eltern nicht in Sicht und auch so schienen sie harmlos. Doch weiß man nie, was einen erwartet. Wir sollten uns einen Plan ausdenken wie wir vorgehen."

Meine Stimme war fest, ernst aber neutral dem Thema gegenüber. Neutraler als ich dachte und es wunderte mich. Nunja, eigentlich blieb uns nichts anderes übrig als die Menschen kennen zu lernen um eine Taktik zu finden, wohlmöglich über ein Ablenkungsmanöver, um an ihnen vorbei zu kommen. Wir mussten sie beobachten.

[Kehrt zurück / Nahm kontakt zu menschen auf]


- Avis - 07.04.2013

Müde ließ ich mich auf meine Hinterpfoten nieder und schaute kurz mit gesenktem Kopf auf den Waldboden. Wir waren jetzt die ganze Zeit gelaufen und auch wenn jetzt einige Wochen vergangen waren und ich mit jeden Tag kräftiger zu werden schien, machten mich diese Dauermärsche in der Nacht doch noch ziemlich fertig. Meine Glieder schmerzten und verlangten eigentlich nach Ruhe, aber ich wäre nicht Avis, wenn ich mir das ansehen lassen würde. Ich bemühte mich um Haltung und versuchte herauszufinden was los war. Tamias war voran gegangen und wir? Tja wir warteten...worauf eigentlich? Ich hatte keine Ahnung, irgendwie war ich einfach hinterher getrottet und hatte meine Gedanken schweifen lassen. Irgendwie passierte mir das in letzter Zeit immer öfter und das passte mir eigentlich nicht, ich dürfte doch nichts verpassen! Es war so viel passiert und nicht alles lief so, wie ich es gern gehabt hätte. Anstatt mich ständig zu beschweren, hatte ich mir angewöhnt öfter auch mal den Fang zu halten, hatte Kimya immer im Auge und fragte mich, was uns die Zeit noch bringen würde. Ich war zwar ganz anderes als mein Bruder, aber er war doch alles was ich hatte, auch wenn ich das nie zugeben würde.

Nachdem sich auch diese Pflanzentante als Runa vorgestellt hatte und die Wunden der Anderen verheilt waren, ging es einfach weiter. Keiner hatte sich die Mühe gemacht nach unserer Mutter zu suchen und unsere Fragen waren stets mit Schweigen beantwortet wurden oder man hatte versucht uns abzulenken, wie kleine Babywelpen. Mit jedem Tag der verging und jede Nacht, in der wir uns weiter entfernten, entfernte sich auch meine Hoffnung. Mama hatte uns verlassen? Waren wir so schlecht? Hatte ich etwas falsch gemacht? Warum zog sie die Einsamkeit ihren Welpen vor? Fragen, die mir niemand beantworten konnte. Ich hatte mir in den letzten Nächten stets Mühe gegeben mitzuhalten, hatte Gesprächen gelauscht und versucht zu lernen, was nicht immer leicht viel. Einen Großteil der gesagten Worte ergab oft keinen Sinn oder wurde nicht näher erläutert. Runa hatte sich uns nun angeschlossen, aber ich wusste noch nicht ob ich sehr viel mit der Heilerin anfangen konnte und deshalb hatte ich mich entschlossen, dass es mich doch nicht so sehr wurmen dürfte, dass Kimya einiges über Pflanzen wusste und ich nicht. Klar ich könnte ihn fragen, aber es gab wichtigeres. Velvet und Kaya zum Beispiel. Die waren einfach weg gegangen, hatte die Zweisamkeit der Gemeinschaft vorgezogen. Ob es bei Mama genau so gewesen war?

Es war zwar oft ziemlich mühsam mit den Erwachsenen Schritt zu halten, aber Kimya und ich bemühten uns doch sehr, auch wenn ich überhaupt nicht mehr wusste wo ich bin oder wo ich gewesen war. Ich versuchte immer öfter die Erwachsenen einige Dinge abzuschauen. Wie sie ihre Nase schnuppernd in die Luft hielen um Gerüche zu finden, wie die verborgene Pfade entlang gingen. Ich versuchte stets mir alles zu merken, aber alles war gar nicht so leicht. Wenn ich meine Nase in die Luft hielt, roch ich alles mögliche, keine Ahnung was speziell die Anderen da immer suchten. So war die Zeit schnell vergangen und es hatte sich noch jemand angeschlossen. Eine weitere Fähe mit Namen Rokuta. Ich hatte noch nie allein mit ihr gesprochen, aber den Anderen zugehört, auch sie folgte uns ins Unbekannte.

Mein Blick schweifte über die Runde. Rokuta und Tryss standen etwas abseits und schienen auf Tamias zu warten, zumindest war der Rüde in diese Richtung verschwunden, mein Blick glitt weiter. Ich hatte in letzter Zeit oft nur kurze Gespräche geführt. Wenn wir wanderten musste ich mich konzentrieren, um alles mitzubekommen und wenn wir rasteten versagte mein verdammter Körper und ich schlief schneller ein als mir lieb war und wachte meist auch nicht so schnell wieder auf. Auch wenn ich die Märsche von Tag zu Tag weniger anstrengend empfand. Grad als ich ein herzhaftes Gähnen unterdrückte kam plötzlich Tamias aus der Dunkelheit, die ernste Spannung war sofort spürbar, das war kein Spiel. Nein. Mein Kopf zuckte hoch. Irgendwas stimmte nicht. Ich stand sofort wieder auf meinen vier Pfoten und starrte in die Dunkelheit.

Ich lauschte aufmerksam seinen Worten. Menschenwelpen versperrten unseren Weg?
Tausende Fragen schossen mir durch den Kopf. Mein Blick suchte sofort Kimya. Welpen? So wie wir? Wie sahen die aus? Waren sie gefährlich? Sie wussten das es uns gab. Was jetzt? Ich versuchte eine ernste Pose hinzubekommen und meine Unsicherheit und mein Unwissen zu überspielen und ging einige Schritte auf Tamias zu, ohne wirklich zu wissen wozu.

[etwas irritiert von Tamias Eröffnung, in der Nähe von Tryss, Tamias und Rokuta]


- Kimya - 07.04.2013

Das war also mein Leben. Ich kannte es nicht anders, ich war mein Leben lang gereist, seitdem ich denken konnte und groß genug war, um mit den anderen mitzuhalten, war ich unterwegs gewesen. Gerade die letzten Wochen hatten fast ausschließlich aus Wanderung bestanden und ich konnte nicht sagen, dass es mich störte. Ich entdeckte das Leben um mich herum, lernte neue Wesen kennen, die ich interessiert beobachtete. Lernte ein paar Wölfe kennen, denen ich gebannt zuhörte und alles in meinem kleinen Kopf abspeicherte. Ich lernte aber auch mich kennen. Es verging fast kein Tag, an dem ich an mir nicht etwas neues entdeckte, nicht eine Grenze überschritt oder etwas tat, an dem ich vorher gescheitert war. Ich fing das erste Mal ein kleines Kaninchen, ganz ohne Hilfe. Diese Tiere waren mir vorher viel zu schnell gewesen, ich hatte die anderen öfters bei der Jagd beobachtet und mir nur gedacht, wie es möglich sein konnte, so große, starke und schnelle Tiere zu erlegen, hätte nie gedacht, dass ich selber irgendwann in der Lage dazu sein konnte und plötzlich war es doch soweit. Ich war gewachsen, das merkte ich daran, über welche Äste und Stämme ich mittlerweile springen konnte, ohne zu stolpern oder zu stürzen. Ich konnte besser mit Tryss mithalten und merkte, wie ich im immer besser in die Augen sehen konnte, ohne meinen Kopf in den Nacken zu legen. Ich war kleiner, das auf jeden Fall, aber ich wuchs und das machte mich stolz. Jeder Moment, in dem ich etwas neues erreichte, hatte trotzdem einen bitteren Nachgeschmack. Schaffte ich es, über einen Fluss zu springen, ohne dabei auszurutschen, hatte ich das Bild meiner Mutter im Kopf, wollte mich zu ihr umdrehen, um Stolz in ihren Augen zu sehen. Aber sie war immer noch nicht wieder bei uns. Immer mehr hatte ich das Gefühl, dass sie Avis und mich für immer verlassen hatte und konnte mir nicht vorstellen, wieso sie so etwas hätte tun sollen, wo sie doch wusste, dass wir schon keinen Vater hatten. In meiner Verzweiflung, das unbegreifliche nicht verstehen zu können, dachte ich mir Geschichten aus, die mir erklären konnten, warum Mutter uns verlassen haben könnte. Ich stellte sie mir in Fremden Wäldern vor, wie sie wilde Tier bekämpfte und erlegte, denn Mutter war immer stark gewesen. Gelegentlich sah ich sie in dem fernen Land, das wir erreichen wollten, stelle mir vor, wie es wohl sein würde, wenn ich sie dort treffen würde. Wie ich ihr erzählen würde, was ich alles erlebt hatte, wie sie reagieren würde, wenn sie mich sah und merkte, dass ich erwachsen geworden war. Diese kurzen Tagträume versüßten mir den Tag, bis mich die Realität einholte.

Die sah trotz allem nicht so schlimm aus. Ich verstand mich gut mit Tryss, er war ein wenig mein Vorbild geworden, wie ein großer Bruder es wohl sein könnte. Auch Runa folgte ich oft, beobachtete sie dabei, wie sie Kräuter suchte und mir gelegentlich erklärte, wie sie auf unsere Körper wirkten. Ich mochte die Fähe, denn ich sah mich in vielen Dingen in ihr. Avis war Avis. Auch wenn wir dieselben Eltern hatten, war er doch ganz anders als ich und ich hatte das Gefühl, dass er mich immer weniger verstand. Es machte mich traurig, dass wir uns nur noch gelegentlich etwas zu sagen hatten. Oft hatte ich Schuldgefühle und dachte, ich könne mich doch einfach zwingen, um mich für das zu interessieren, was er so spannend fand. Den Gedanken gab ich jedoch schnell auf, es war falsch und alles in mir sträubte sich dagegen. Der Wunsch meinen Bruder nicht zu verlieren blieb. Skadi hatte sich seit der Kräutersuche mir gegenüber verändert. Auch wenn wir vorher nie viel miteinander zutun gehabt hatten, so war sie trotzdem freundlich zu mir gewesen. Seit dem Vorfall schien sie meiner Gesellschaft aus dem Weg zu gehen, so gut es ging. Es konnte natürlich auch sein, dass ich mir das nur einbildete...

Wir waren auch diese Nacht weit gewandert und Tamias war nun los, um das Gebiet zu erforschen, während wir hier warteten um gegebenenfalls den Tag hier zu verbringen. Es dauerte eine Weile, bis der Rüde zurückkehrte, doch hatte ich die Zeit mit Träumereien überbrückt. Ich war geduldig, eine Sache, die Tryss wohl an mir schätzte. Als Tamias nun wieder auf uns traf, spitzte ich aufmerksam die Ohren, ohne mich zu erheben. Was sprach er da? Menschenwelpen in der Nähe? Mein Herz fing an zu flattern, als wäre ein junger Schmetterling dort soeben aus seinem Kokon geschlüpft. Wie waren Menschenwelpen wohl? Konnte man mit ihnen spielen? Waren sie wie ich? Waren sie anders als ihre Eltern? Was würden wir tun, würden wir zu ihnen gehen? Wie würden die anderen entscheiden? Nun konnte ich mich nicht mehr halten, ich stand auf und kam etwas näher, warf Tryss dabei einen Blick zu. Ich wäre zu gerne einfach losgerannt, um mir diese Menschenwelpen anzusehen.

[Bei Tamias, Rokuta, Tryss, Avis und den anderen]


- Rokuta - 07.04.2013

Tamias blieb lange fort. Zumindest kam es mir lange vor, doch mochte das untätige Warten meine Wahrnehmung der Zeit durchaus verzerren. Der Morgen nahte unaufhaltsam und das ganze Rudel hatte wohl eine ausgiebige Ruhepause nötig; vor allem die Welpen. Die beiden hatten sich inzwischen ebenfalls zu uns gesellt, jedoch wahrscheinlich eher zu Tryss als zu mir, waren wir uns doch immer noch recht fremd. Mit angespannt stiller Rute sah ich in die Richtung, in die der Kundschafter verschwunden war. Der neben mir nervös trippelnde Tryss trug auch nicht gerade zur Beruhigung meiner Nerven bei. Als seine aneinandergereihten Fragen an mein Ohr drangen, roch ich Sorge, vielleicht sogar Furcht. Ich wandte den Kopf und blickte dem Rüden neben mir in die Augen.

"Tamias ist kein Schwächling. Und soweit ich das beurteilen kann auch kein Dummkopf. Hab ein bisschen Vertrauen, Tryss! Er ist bestimmt gleich zurück."

Ich rang mir ein Lächeln ab und meine Stimme klang erstaunlich ruhig in meinen Ohren. Doch das sollte sich bald ändern. Als Tamias zwischen den Bäumen auftauchte, wusste ich sofort, dass etwas nicht stimmte. Ich roch seine Anspannung, sah seinen verkrampften Gang. Es handelte sich nicht um den federnden Trab eines wandernden Wolfes.

"Da stimmt was nicht.", murmelte ich eher zu mir selbst als zu den anderen und ging zwei, drei Schritte auf den zurückkehrenden Rüden zu.

Doch bevor ich oder sonst ein Wolf nachfragen konnten, forderte der Kundschafter auch schon Aufmerksamkeit und begann dann, zu berichten. Und was er berichtete, ließ mich mit ungläubig offenem Fang dastehen und wie eine Idiotin starren. Menschen? Genauer gesagt Menschenwelpen! Nicht weit von hier und doch von uns bisher unbemerkt. Aber wir waren nicht länger unbemerkt, denn sie hatten Tamias bemerkt.

Wie ist das denn passiert? Menschen sind doch so gut wie taub und Wittern ist auch nicht ihre Stärke.

Ich legte fragend den Kopf schief und sah Tamias an, während er davon sprach, dass wir entweder durch das Lager der Menschen hindurch oder aber viele Tagesreisen drumherum mussten. Nachdem der Rüde geschlossen hatte, herrschte eine Zeitlang Schweigen, das nur vom Zirpen der Grillen und dem Gesang der ersten Vögel unterbrochen wurde. Dachten alle nach, oder warum sagte niemand etwas? Nun, ich dachte nie nach, bevor ich etwas sagte. So auch diesmal.

"Es sind nur Welpen dort, sagst Du? Prima! Reißen wir sie in Stücke! Es ist leichte Beute, wir müssen ohnehin bald wieder Beute machen, um alle Mäuler zu stopfen. Und jedes Menschenherz, das zu schlagen aufhört, ist ein Segen für diese Welt."

Ich hatte mich mal wieder in Rage geredet. Nun wanderte mein Blick zwischen den anderen Wölfen umher. Wenn sie vernünftig waren, stimmten sie mir zu…

[Waldrand |alle anderen, Nähe Tryss, Tamias, Avis, Kimya | Plädiert für Angriff xD]


- Skadi - 08.04.2013

Alvarez und Dekaja hatten die Verletzungen und den Kampf ums Leben gut überstanden. Auch meine Schmerzen und die kleinen Leiden der anderen Wölfe waren gänzlich verschwunden. Runa – so hatte sich die Heilerin vorgestellt – hatte gute Arbeit geleistet. Und doch hatte ich zu ihr noch nicht den Kontakt geknüpft den man haben sollte wenn man zusammen reißt. Nichts desto Trotz musste ich sagen, dass das Zusammengehörigkeitsgefühl unter uns deutlich besser geworden ist seit wir diese Zwangsrast eingehalten hatten und um das Leben mindestens eines Wolfes bangten.
Kaya und Velvet hatten die Gruppe verlassen, kurz nachdem wir langsam die Wanderung wieder aufgenommen hatten. Seither hatte sich Rokuta angeschlossen. Sie war anders, aber dennoch war sie ein Wolf und ich konnte die Vorteile in ihr sehen. Sie wollte keinen Schaden den Wölfen zufügen und war eine starke Fähe.
Inzwischen hatte der Sommer begonnen. Wir reisten in der frischen Nachtluft, verborgen in der Dunkelheit vor den Augen der Zweibeiner. Und wir wanderten lange. Es kam mir so vor, als ob wir Tag für Tag weiter kamen. Die Welpen waren inzwischen von der Körpergröße her fast ausgewachsen. Je nachdem wie groß sie werden würden. Doch für kleine Wölfe würden sie durchgehen.

Der Morgengrauen hatte begonnen und damit zog Tamias alleine los um einen geeigneten Rastplatz für der Tag zu suchen. Der drang ihn zu begleiten war groß – doch irgendwie fühlte ich mich in der Pflicht das Rudel zu beaufsichtigen während er nicht da war. Ich wollte einfach wissen wo alle waren. Tamias war der einzige dem ich es zu traute für einen gewissen Zeitraum alleine zurecht zu kommen. Rokuta und Runa kannte ich nicht gut genug, Alvarez beschränkte ich noch auf seine Krankheit die nicht lange zurück lag und die anderen waren Welpen oder noch sehr jung – gerade aus dem Jungwolfalter heraus gekommen. Vielleicht waren Tryss und Dekaja auch noch Jungwölfe – nur in Vergleich zu Kimya und Avis waren sie schon längst erwachsen.

Etwas Abseits hatte ich mich auf meine Hinterläufe nieder gelassen und die Gruppe beobachtet. Tamias blieb lange fort. Doch als er zurück kam, sah ich ihm sofort die Anspannung an und ich konnte es förmlich wittern, dass irgendetwas geschehen war. Er blieb bei Rokuta, Tryss und den Welpen stehen, sprach aber so laut dass es alle hörten. Menschenwelpen?
Ich überlegte wie diese Wesen aussehen sollten. Hatten sie im Welpenalter Fell? Oder hatten Menschen nie Fell, außer die wenige Behaarung auf dem Kopf. Die Frage was nun zu tun war stand in dem Raum. Meine Gedanken dazu überschlugen sich. Es war Gefährlich. Doch vielleicht waren Welpen anders. Wenn sie Tamias bemerkt hatten, dann hätten sie ihn längst töten können oder ihn verfolgen. Doch ich hatte kein Jagdhorn vernommen und auch keine Hufen und Menschenpfoten waren in Bewegung zu hören.
Rokuta platzte mit der Lösung ihrer Sicht sofort heraus. Sie töten. Mit langsamen Schritten war ich auf die angesammelte Gruppe zu gegangen. Noch während ich auf dem Weg war, zog ich die Lefzen an und zeigte Rokuta meine Zähne.

“Natürlich, lass sie uns angreifen töten und auffressen. So geben wir den Überlebenden und den Eltern die irgendwo sein müssen nur einen triftigen Grund uns zu verfolgen, zu hassen und zu töten!“

Meine Antwort auf Rokutas Vorschlag klang fast herablassend. Es war so nicht geplant, doch musste ich zugeben dass mich eine gewisse Anspannung gepackt hatte und ich so nicht jeden Unterton im Griff hatte.

“Tamias, was meinst du mit ‚sie haben dich bemerkt‘? Wie konnte das passieren und wie haben sie reagiert?“

Fragte ich dann nach und mit dem beenden dieser Frage war ich bei der Gruppe angekommen. Ich blieb vorerst stehen.


- Dekaja - 09.04.2013

Schmerzfreiheit. Noch nie war ich glücklicher darüber gewesen, aufstehen und laufen zu können, ohne von einem stechenden Schmerz in die Knie gezwungen zu werden. Ich glaubte es im ersten Moment selbst nicht so recht. Wobei das nicht ganz richtig war – ich glaubte es zu gut, um dann gleich wieder dafür bestraft zu werden und noch ein paar Tage Ruhe verordnet zu bekommen. Typisch. Aber seit einigen Wochen ging es mir wieder blendend. Ich musste nicht mehr herumsitzen und darauf warten, gefüttert zu werden sondern konnte endlich wieder selbst Hand anlegen. Außerdem war ich nicht mehr ganz so nutzlos wie es mir schien. Immerhin. Auch Alvarez‘ Genesung betrachtete ich mit wohlwollendem Blick. Er war oft etwas distanziert, aber ein Kämpfer. Ich hatte ja von vornherein darauf gebaut, dass er sich durchkämpfen und genesen würde. Mit der Genesung von mir und Alvarez war auch die Heilerin bei uns geblieben, worüber ich sehr glücklich war. Wieder ein neues Rudelmitglied und nicht so unfreundlich wie manch anderer Geselle hier. Sie hat uns auch ihren wahren Namen verraten – man kann sich wohl denken, wie ich vor Neugier gebrannt habe, als sie endlich die Fragen beantwortete, die mir schon lange auf der Seele brannten. Kayas und Velvets Abschied habe ich zur Kenntnis genommen, mit etwas Trauer zugegeben, weil es wieder zwei Rudelmitglieder waren, die lange dabei waren und verschwanden. Manchmal erwischte ich mich fragend, ob sie nicht mehr an unser Ziel glaubten. Aber wie konnte das sein? Ich verstand es nicht, denn für mich stand es außer Frage, dass es diesen Ort, wo Mensch und Wolf in Frieden leben könnten, geben würde. Außerdem glaubte Tryss ebenfalls daran und das war ein Grund mehr, nicht zu zweifeln. Als ob ich das könnte! Und dann trafen wir auf Rokuta, die ich persönlich noch immer nicht ganz einschätzen kann. Ihre Art ist nicht gerade das, was ich als freundlich und gutgelaunt bezeichnen würde und auch meine Fragen hätte sie meiner Meinung nach netter beantworten können – schließlich war ich ja nur neugierig! Aber wir hatten von der Sorte ja schon einige Artgenossen kennengelernt, deswegen störte mich das nicht einmal so sehr. Ich war gespannt, wie sich unsere Beziehung noch entwickelt. Dann waren wir gewandert. Tagelang, vom Frühling in den Sommer hinein. Kimya und Avis waren mittlerweile gewachsen. Es war wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis sie mich überragen würden.

An diesem Morgen zog Tamias schließlich allein los, um einen geeigneten Rastplatz zu suchen. Ich wäre gerne mitgegangen, allein um meine Neugier zu stillen. Man könnte fast meinen, ich hätte aus den schrecklichen Erlebnissen der Vergangenheit nichts gelernt, aber die größte meiner Schwächen konnte man so schnell wohl nicht unterdrücken. Ungeduldig abwartend hatte ich mich schließlich neben Tryss gesetzt, dort, wo sich auch der Rest der Gruppe zu einem Häufchen gesammelt hatte. Der Rüde blieb lange fort und ich bemerkte mit jeder Minute, wie das Jucken in meinen Pfoten zunahm. Wäre ich nur selbst gegangen, dachte ich mir mehrfach, aber wahrscheinlich hätte das ohnehin keiner zugelassen. Meine letzte Verletzung lag noch nicht sehr lange zurück. Ich seufzte gelangweilt auf und wollte mich gerade wieder hinlegen, als er schließlich zurückkam und berichtete, was er gesehen hatte.

Menschenwelpen? Meine Ohren richteten sich auf, als ich das hörte. Und ich bemerkte, wie das Jucken in meinen Pfoten zunahm. Im Gegensatz zu den anderen und ganz im Gegensatz zu dem, was ich eigentlich empfinden müsste, war mir danach, sie selbst zu sehen. Wie sahen sie aus? Krampfhaft versuchte ich mich an meine Beobachtungen als Welpe zu erinnern, als ich öfters unterwegs war, Menschen zu beobachten. Aber viele Welpen hatte ich damals nicht gesehen. Ob sie sehr klein waren? Wo waren ihre Eltern? Wahrscheinlich konnten sie sich nicht einmal groß wehren. Aber wieso waren so viele hier? Mir erschloss sich das nicht. Welpen allein…das ergab doch nicht wirklich einen Sinn, oder? Vielleicht hatte Tamias nicht richtig geschaut. Die Eltern konnten nicht weit sein. Das war nie so.

Ich zuckte zusammen, als ich Rokutas Vorschlag hörte. Töten? Wieso mussten sie denn gleich alle töten? Ach, ich vergaß. Ihre Rudelvorgeschichte. Aber es waren Welpen. Trotz aller Erlebnisse in der Vergangenheit war ich dagegen, unseren Hass einzelnen Individuen der Spezies Mensch gegenüber an wehrlosen Welpen auszulassen. Abgesehen davon…vielleicht waren sie noch nicht so wie die Erwachsenen? Vielleicht waren sie noch ganz anders und vorurteilsfrei, genauso wie sie? Ich legte den Kopf schief und stand auf, um meinen Senf dazu zugeben. Mein Tonfall war aufgeregt und noch immer entsetzt und schockiert von Rokutas Plan.

„Töten? Das kannst du nicht machen! Sie sind doch noch jung! Und wenn sie Tamias bemerkt haben und nichts getan haben, hat das sicher etwas zu bedeuten. Wieso beobachten wir sie nicht erst einmal? Und tasten uns dann heran? Ich würde gerne wissen, was sie für eine Einstellung zu uns haben – vielleicht werden erst die Erwachsenen so wie wir sie kennengelernt haben. Vielleicht sind die Welpen ganz anders.“

Einen Moment schwieg ich und ließ meinen Blick fragend über die Gruppe wandern.

„Ich bin der Meinung, sie haben eine Chance verdient. Und möglicherweise lassen sie uns sogar friedlich gewähren? Irgendeine Seite muss dahingehend den ersten Schritt machen. Wo kämen wir denn hin, wenn wir von vornherein nur von einem Konflikt ausgehen? Skadi hat recht. Damit geben wir ihnen nur einen Grund mehr, uns zu jagen. Wenn sie von Anfang an aggressiv reagieren, können wir immer noch Plan B befolgen“

Ich hoffte persönlich, dass Plan B nie nötig sein würde, hasste ich doch Auseinandersetzungen. Im Gegenteil...ich hoffte sogar sehr, dass sich eine friedliche Lösung entwickeln würde, wobei das in Anbetracht der letzten Monate irgendwie unwahrscheinlich klang. Aber ich war optimistisch. Ich überlegte noch einmal kurz und blickte dann zu Tamias. Mir war noch etwas eingefallen, was wichtig sein könnte.

„Hast du denn Hunde gesehen? Und wirklich keine Erwachsenen? Das ist doch merkwürdig. Wer lässt seine Welpen denn allein? Und vor allem ein ganzes Lager davon? Mir würde so etwas nie in den Sinn kommen.“


[bei der Gruppe um Tryss | schlägt vor, sich heranzutasten & ist neugierig auf die Menschenwelpen]


- Tryss - 13.04.2013

Rokuta hatte gut reden. Sie war erst seit kurzem bei uns und wusste überhaupt nicht, was wir in den letzten Monaten durchgemacht hatten. Ich versuchte mich zurück zu erinnern an den Tag, als wir die Wölfin trafen. Ihr Gesicht tauchte vor meinem geistigen Auge auf und ich hörte erneut die Worte, die sie sprach bevor sie dahinschied. Ich erinnerte mich an die Wölfe, die seitdem mit uns gereist waren – und vermied es die zu zählen, die nicht mehr bei uns waren. Einige hatten uns verlassen, einige waren umgekommen. Das letzte Mal, als wir dachten alles wäre in Ordnung, hatten wir Kheran verloren – für mich nicht der tragischste Verlust, denn ich hatte den seltsamen Rüden kam gekannt – und Arkanis. Ein Stich der Enttäuschung durchzuckte mich erneut. Ich war ebenso entsetzt wie Kimya und Avis, dass ihre Mutter nicht zurückgekehrt war. Ich versuchte mir einzureden, dass sie Kimya schnell in Sicherheit gebracht hatte und dass ihr selbst etwas zugestoßen sei. Doch die Vorstellung machte mich nicht glücklicher und konnte nicht darüber hinwegtäuschen, was ich wirklich dachte.

Als Rokuta etwas murmelte, hob ich den Kopf und sah auf. Tamias kehrte zu uns zurück und ausnahmsweise musste ich der Fähe Recht geben. Irgendetwas war seltsam. Tami wirkte angespannt, unruhig und nur wenige Sekunden später sollten wir erfahren warum. Menschen! Junge Menschen, die uns den Weg versperrten! Sofort schoss mir das Bild des Dorfes durch den Kopf. Die Ereignisse wurden in meiner Erinnerung lebendig, das Klappern der hölzernen Gitterstäbe, das Gebell der Hunde, Ares letzter Blick und das Feuer, das uns schließlich rettete. Ich schüttelte unwillkürlich den Kopf. Damals war es meine Schuld gewesen. Ich war voreilig vorangelaufen, wollte etwas tun und hatte damit einem Wolf fast das Leben genommen. Auch, wenn ich nun durch Kenzo erfahren hatte, dass Ares nicht gestorben war. Es machte die Umstände nicht besser. Ich lauschte den Worten der anderen ein wenig abwesend, spürte, wie die Gemüter sich ob der unterschiedlichen Auffassungen erhitzten, wie man nun vorgehen wollte. Ich hielt mich zurück, bis alle anderen ausgeredet hatten, stimmte aber insgeheim Deka und Skadi zu. Mit sinnlosem Blutvergießen kamen wir hier nicht weiter, das war sicher. Zumal diese Menschen uns nichts getan hatten.

„Wenn wir sie töten, sind wir nicht viel besser als ihre Eltern, die mit Feuer und Hunden und Hass in ihren Herzen auf uns losgehen. Welchen Grund haben wir diese Kinder zu hassen? Welchen Grund haben wir sie zu töten? Ist es gerecht sie für die Vergehen ihrer Eltern und aller Menschen büßen zu lassen? Wenn das eure Entscheidung ist, gehe ich lieber den wochenlangen Umweg.“

stellte ich mit ungewohnt leiser Stimme in Frage und erhob mich dann. Ich machte mich ein wenig größer und setzte einen nachdenklichen Blick auf.

„Wie viele waren es denn? Kannst du das ungefähr sagen? Vielleicht... wenn es keine Hunde gab... vielleicht können wir sie täuschen und uns selbst als Hunde ausgeben? Eine Art Ablenkungsmanöver?“

Ich rechnete eigentlich nicht damit, dass die anderen meinen Vorschlag wirklich ernst nehmen und befolgen würden. Aber es gab ihnen genug Stoff zum Diskutieren. Da ich nie das Gefühl hatte, dass sie mich wirklich ernst nahmen, gesellte ich mich ein wenig näher zu unseren beiden Welpen. Kimya und Avis wirkten bei dieser Diskussion ein wenig fehl am Platze. Und so, wie Rokuta redete, konnte man es ihnen nicht verdenken, wenn sie Angst bekamen vor dem, was kommen würde.

„Geht es euch gut ihr beiden?“

flüsterte ich den jungen Wolfen zu, weil ich die anderen nicht in ihrer Diskussion stören wollte. Ich sah kurz den einen, dann den anderen an. Natürlich ging es ihnen nicht gut, sie hatten ihre Mutter verloren. Aber sie waren tapfer und diese Tapferkeit ließ mich sogar darüber hinweg sehen, dass Avis und ich nicht das beste Verhältnis zueinander hatten.

[Bei den anderen | nahe Kimya und Avis]