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Passus V - Offene Wunden - Tryss - 08.06.2012

Foto: Kati H. | Dawnthieves.de

Passus V - Offene Wunden


Wenige Stunden zuvor hatte wohl niemand der kleinen Reisegemeinschaft erahnen können, wie dieser Tag enden würde. Die Aussicht auf ein Überleben war gering gewesen und dennoch war ihr Plan geglückt. Die Hunde waren tot, die Herren auf ihren mächtigen Rössern abgehängt. Ein großer Teil dieses Erfolgs lastete sich auf den Schultern Kenzos, der sich als erstaunlich hilfebringend erwiesen hatte. Doch obwohl der Hund seine Zuverlässigkeit gezeigt hatte und das Vertrauen der Gruppe nicht enttäuscht hatte, hielt es ihn nicht. Die Wölfe waren noch eine Weile weiter gelaufen. Die Angst, dass die Jagdgemeinschaft sie vielleicht doch noch aufspüren könnte, wenn sie in der Nähe blieben, war einfach zu groß. So waren sie bis in den späten Nachmittag gelaufen und machten schließlich an einem Bachlauf Rast. Gespräche zwischen den Wölfen und dem Hund standen nun noch aus, doch bald zeigte sich bereits, dass Kenzo – zwischen Anfeindungen und dankbaren Gesten hin- und hergerissen – sich den Wölfen aller Hilfe zum Trotz nicht verbunden fühlte. Zu tief war sein altes Leben in dem Hund verwurzelt. Zu sehr bestimmte seine Erziehung die Gedanken seines Kopfes. Die Menschen hatten aus ihm einen Wolfshasser gemacht. Und diese Einstellung abzuschütteln, war der Rüde nicht in der Lage – noch nicht. Kenzo verließ die Gemeinschaft, als der frühe Abend anbrach. Einige wünschten ihm Glück, andere Erfolg. Dass es ein Wiedersehen geben würde, konnte sich keiner so recht vorstellen. Nicht einmal Tryss, dem Kenzo vor seinem Weggang noch ein besonderes Geschenk dagelassen hatte. Die Frage nach Ares' Tod hatte den jungen Rüden nie ganz losgelassen. Kenzo aber wusste nichts von einem Wolfsrüden, der bei ihrem Kampf im Dorf sein Leben gelassen hatte. Hoffnung keimte auf. Nicht nur bei Tryss. Auch Avis und die anderen konnten ihr Glück kaum fassen, als plötzlich Kimya – müde und mitgenommen von der Flucht mit Arkanis auf ihren Rastplatz taumelte. Der junge Rüde erinnerte sich kaum daran, was geschehen war. Lediglich, dass seine Mutter mit ihm gelaufen war wie der Wind hatte er mitbekommen. Der Schlaf hatte ihn übermannt und war erst hier am Rande der Wiese wieder erwacht. Wo seine Mutter war, wusste der junge Rüde nicht. Unter den anderen regte sich aber der Verdacht, dass ihre Flucht geglückt war und sie nun allein ihrer Wege ziehen wollte. Dass Arkanis eine Wanderin war, die die Einsamkeit liebte, war niemandem verborgen geblieben. So dezimierte sich ihre Gemeinschaft weiter, auch wenn die Freude über das Wiedersehen mit Kimya überwog.

Diese Freude war gleichzeitig eine Ablenkung von den Schmerzen und den Wunden, die die Wölfe auf der Flucht davongetragen hatten. Tamias und Skadi, sowie die anderen Wölfe, die sich mit einem der Hunde angelegt hatten, musste ihre Bisswunden versorgen. Hinzu kam, dass Deka, Velvet, Tamias und Skadi noch immer mit ihren Sturzverletzungen zu kämpfen hatten. Insbesondere Dekajas Rücken sorgte die Freunde, die Fähe schaffte es kaum mehr Aufzustehen ohne, dass ein stechender Schmerz durch ihren Körper fuhr. Und sie blieb nicht die Einzige, um die man sich sorgte. Kaum jemand hatte den Riss an Alvarez' Pfote bemerkt, den dieser sich beim Abstieg durch die Schlucht zugezogen hatte. Zwar hatte der Rüde die Wunde gesäubert, doch Schmutz und Staub waren zu weit eingedrungen. Sein Blut vermischte sich mit den giftigen Stoffen, die sich zunächst heimlich und unbemerkt durch sein gesamtes Inneres verbreiten konnte. Am Nachmittag fühlte der Rüde bereits, wie sich das Fieber der Vergiftung ausbreitete. Die Läufe wurden ihm schwach und er musste sich niederlegen, um nicht vor den Augen der anderen Wölfe umzufallen. Diese bemerkten zunächst nichts, erst als das Atmen des Rüden am Abend schwerer wurde, wussten sie, dass mit ihm etwas nicht in Ordnung war. Als sie der Wunde an der Pfote gewahr wurden, dämmerte ihnen, was dem Rüden zugestoßen war. Aber wie sollten sie ihn heilen? Gab es überhaupt eine Hoffnung. Keiner der Wölfe kannte sich gut genug mit der Heilkunst aus, um zuverlässigen Rat geben zu können. Zumal sie alle mit ihren Wunden zu kämpfen hatten. Und dies nicht nur mit den körperlichen.


Kurzinformationen


Datum: 14. Juni 1202
Tageszeit: Abend, es ist noch hell. Die Nacht bricht erst in wenigen Stunden heran.
Temperatur: 12°C
Wetter: Klar und trocken
Situation in Kürze: Die Wölfe sind bis zum späten Abend gelaufen und haben als sie sich vor den Menschen sicher fühlten, einen Rastplatz an einem Bach gefunden. Kimya ist zurückgekehrt, jedoch ohne Arkanis. Diese – so vermuten die Wölfe – ist ihrer eigenen Wege gezogen. Auch Kenzo hat die Gruppe verlassen, was die meisten in der Gemeinschaft jedoch als weniger tragisch empfinden dürften. Die Wölfe haben mit ihren Verletzungen zu kämpfen – die älteren mit denen des Kampfes, einige wie die Welpen jedoch auch mit seelischen. Wie die beiden jungen Rüden den Weggang ihrer Mutter verkraften würden? Besonders Dekaja und Alvarez hat es schwer getroffen. Während die Fähe mit einer Rückenverletzung zu kämpfen hat, hat sich der Rüde eine Blutvergiftung zugezogen, die sich langsam bedrohlich ausbreitet.


- Tryss - 08.06.2012

Der Abend war angebrochen. Dämmrig flackerte das Licht der untergehenden Sonne auf die Lichtung und den Bach an dem ich stand. Ich betrachtete mich selbst im dahinrauschenden Wasser. Mein Spiegelbild blickte nur verschwommen zu mir herauf. Ein paar kleine Schnittwunden zierten meinen Fang auf der Oberseite, aber ich spürte sie kaum. In einigen Tagen würden sie kaum noch zu sehen sein, ja, ich glaubte nicht einmal, dass Narben bleiben würden. Wie ich mich fühlte? Ich war froh. Froh, so knapp mit dem Leben davon gekommen zu sein. Die Menschen waren uns mehr als dicht auf den Fersen gewesen, von ihren Hunden ganz zu schweigen. Wenn ich zurückdachte, war mir, als könnte ich ihren heißen, geifernden Atem in meinem Nacken spüren, das laute Gekläffe in meinen Ohren widerklingen hören und ihren Ekel erregenden nach Angst, Hass und Mensch riechnden Duft in meiner Nase wittern. Die Erinnerung an den Vormittag jagte mit einen kalten Schauer über den Rücken bis hin ins letzte Haar meiner Rute. Die Haare in meinem Nacken stellten sich zu einer Bürste auf, die sich aber nach kurzer Zeit wieder glättete. Ich fühlte mich sicher. Weil wir alle wieder beisammen waren und dieser Rastplatz wenigstens auf einer Seite durch eine Felswand geschützt war. Wir konnten alles im Blick haben, auch wenn ich nicht glaubte, dass wir noch einmal Angst haben brauchten. Die Menschen hatten ja immer hin einen Wolf. Kheran würden die Hunde mit Gewissheit gefunden haben, vielleicht hatten sie an ihm ihren Frust und ihre Blutgier ausgelassen. Wer wusste das schon. Wichtig war, dass wir in Sicherheit waren – und Kimya wieder bei uns war. Dass er ohne Arkanis gekommen war, betrübte mich. Kanis war eine sture, schweigsame Wölfin gewesen – so etwas wie Kaya in Fähe, konnte man sagen – aber doch auf ihre Art liebenswürdig. Sie hatte mich vielleicht für einen jungen Trottel gehalten, aber spüren lassen hatte sie es mich niemals. Dafür war ich ihr sehr dankbar. Und nun war sie fort, ohne, dass ich ihr noch einmal meinen Dank aussprechen konnte. Es war zum verrückt werden. Es war fast wie bei Ares. Bei dem Gedanken an den Rüden durchzuckte mich ein kleiner Stich. Halb Freude, halb Zweifel und Schuld lagen darin. Lebte er womöglich noch? Kenzo wusste nichts von einem toten Wolfsrüden. Wenn Ares aber im Dorf umgekommen wäre, hätten die Hunde und allen voran unser kurzer Begleiter dies doch merken müssen? Mein Herz schöpfte neue Hoffnung, wie ein fast verdursteter Wasser aus einer winzigen Quelle löffelte. Vielleicht, vielleicht war Ares wirklich noch am Leben. Die Gewissensbisse, die mir sein Schicksal seit jenem Tag bereitet hatten, wollten dennoch nicht verschwinden.

Wie ich mich fühlte? Insgesamt in Ordnung, doch nicht ich war es, um den sich unsere kleine Gemeinschaft sorgen musste. Ich wandte den Kopf zu dem kleinen Rastplatz. Alvarez ging es nicht gut. Die Wunde an seiner Pfote schien größere Auswirkungen zu haben, als wir alle vermutet hatten. Ich hatte beobachtet, wie er sie von Dreck befreit hatte. Lag die Ursache für sein Leid doch an einer anderen Stelle? Aber was konnte so schnell von innen krank machen? Und wie konnten wir ihm helfen? Gab es ein Heilmittel? Meine Mutter hatte sich mit solchen Dingen ausgekannt. In meiner Jugend hatte ich beobachtet, wie sie einem anderen Wolf Kräuter auf eine Wunde legte – und er war genesen. Vielleicht mussten wir das bei Alvarez auch tun? Nur welche Kräuter? Gab es schädliche? Wusste überhaupt einer unserer halbwegs gesunden, was man brauchte und wie man mit Pflanzen umging? Konnte er dann nicht auch den anderen helfen? Mein Blick wurde traurig und wehmütig, als er auf Deka fiel. Sie hatte sich bei dem Sturz schwerer verletzt, als sie zugeben wollte. Doch ich sah es ihr an. Das Aufstehen fiel ihr schwer und in ihrem Körper schienen die Knochen nicht zu setzen, wie sie sollten. Ihr Brustkorb wirkte ein wenig seltsam, nicht so anmutig und anschmiegsam wie üblich. Drahtig, zerzaust war sie und ihre Augen getrübt vom Schmerz. Schnell wandte ich den Kopf wieder ab, um die Trauer und das Leid darin wegzublinzeln, als ich sah, dass jemand ebenfalls zu dem Bach kam. Kaya, die Welpen und ich schienen die einzigen zu sein, die kaum Schmerzen davon getragen hatten. Obwohl ich mir bei den jungen Wölfen nicht sicher war, ob dieser Gedanke zutraf.



- Alvarez - 09.06.2012

Kein Wort war über meine Lefzen gekommen. Nicht einmal ein Laut des Klagens. Meines Erachtens hatten die gestürzten Fähen größeren Schmerz zu erdulden, als ich. Was war schon ein harmloser Riss in der Pfote. Sie waren schon einige Male wund gelaufen worden, hatten sich mit Dreck vermischt, doch niemals war eine Entzündung in solch einem Ausmaß zustande gekommen. Ich war nicht sonderlich wehleidig und habe immer im Stillen versucht mit dem Schmerz fertig zu werden, egal durch welche Weise solche Schmerzen zustande gekommen waren. Schwäche war nämlich etwas, was in meinen Augen nicht preisgegeben werden musste. Schwäche bedeutete an der Schwelle des Todes zu wandern. Das offensichtlich schwächelnde Glied wurde zum Ziel und womöglich Beute. Gut, vielleicht verglich ich die Jagd von unserer Seite aus zu sehr damit. Aber fest stand, ich war ein Sturkopf und versuchte mit Problemen lieber selber zu Recht zu kommen, als mich dazu zu äußern. Außerdem, was war eine Pfotenverletzung im Vergleich zu dem Verlust der Mutter? Sicher, die Anderen trösteten sich mit der Hoffnung, dass Arkanis davon gekommen war und nun ihren eigenen Weg ging. Ich mochte vielleicht nicht so viel Zeit mit der verschlossenen Wölfin verbracht haben wie zum Beispiel Tryss. Aber ich hatte sie mögen gelernt und irgendwie hatte es den Anschein gemacht, dass wir beide uns leiden konnten. Und sie war zu der Anfangszeit eine fürsorgliche Mutter gewesen. Sie hatte sich Gedanken darum gemacht, ob sie die Gruppe überhaupt an ihre Welpen heranführen sollte, oder nicht. Eine solch denkende Fähe überließ ihre Welpen nicht einfach der Gemeinschaft und machte sich aus dem Staub. Den Wölfen hatte ich gegenüber Andeutungen gemacht, dass ich die nussbraune Wölfin nicht einfach weiter gezogen war. Aber schon aus Rücksicht zu den Welpen hatten sie nicht darauf reagiert.

Wenige Meter hatte ich mich nach vorne bewegt – nein, wohl eher geschleppt, denn der kriechende Schmerz hinderte mich daran auch nur Ansatzweise die Pfote zu belasten. Wie deprimierend es war. Ich wollte laufen, konnte es aber nicht. Schon alleine die kurze Strecke die ich zurückgelegt hatte, um nicht ein Häufchen Elend im Sichtfeld der anderen zu sein, war Kräfte zehrend. Das Atmen fiel mir schwer. Wenn dieser Zustand vergleichbar mit dem hohen Alter war, würde ich wohl niemals diese Grenze überschreiten wollen. Jetzt aber musste ich mich ausruhen. Zittrig bettete ich mein Hinterteil auf die hinteren Läufe, ehe ich den einen Vorderen nach vorne rutschen ließ und schließlich meine schmerzenden Glieder nicht mehr aufrecht halten musste. Dennoch kam ich nicht umhin zu hecheln. Mich fröstelte es, obwohl ich wusste, dass mein Körper gut eine zweite Sonne sein könnte. Verfluchtes Fieber! Ein leises brummen ließ die trockene Kehle vibrieren. Diese Hilflosigkeit war nervend. Und Besserung war nicht in Sicht. Tag um Tag zerrte der Prozess an meinen Reserven. Die Erschöpfung stand mir leider Gottes ins Gesicht geschrieben und die Hoffnung auf Besserung glomm nur noch als kleiner Funke in einem großen Haufen Asche.

[Alleine, fühlt sich erschöpft und ist genervt von seinem Zustand]



- Skadi - 10.06.2012

Die Menschen hatten wir zwar erfolgreich abgeschüttelt, jedoch gaben die Hunde nicht auf. Nicht alle waren den Hang herunter gekommen, aber es waren genügend, um einen Kampf für uns Wölfe gefährlich zu gestalten. Zum Glück waren wir dem Treffpunkt nahe, als sie uns einholten. Dennoch bekam ich zu meiner Fleischwunde an der Hüfte noch Bisswunden am Hals und den Läufen dazu. Erträglich, aber unangenehm.
Die Hunde waren verschwunden. Ob wir sie alle getötet hatten oder ob sie den Rückzug eingeleitet hatten weiß ich nicht. Es war mir egal, sie waren weg. Der Kampf war vorbei, wobei mir die Anspannung noch in den Muskeln lag.

Wir waren weiter gewandert. Es war beschwerlich. Dekaja und Velvet lahmten und den Schmerz den sie erleiden mussten sah ich ihnen deutlich an. Auch Tamias und Alvarez waren nicht ungeschoren davon gekommen. Bei Alvarez konnte ich aber keine spezifische Wunde entdecken, die ihn so schwächen konnte. Kaum Blut klebte an seinem Pelz und sein Gang sprach nicht von gebrochenen Knochen.
Ich schwieg auf dem Weg. Hatte mich etwas abgewandt und lief etwas abseits der Anderen. Immer wieder hatte ich nach hinten gesehen, Verfolger konnte ich nicht entdecken und auch keine Witterung derer aufnehmen.
Die Welpen waren wieder vollzählig, die verletzten hatten sich hingelegt. Ich war in den Bachlauf gestiegen und kühlte meine Wunden und meine Wut über mich selbst ab. Kenzo war erst mitgezogen, Tryss hatte sich mit ihm unterhalten - stätig unter meiner Beobachtung. Doch dann hatte er uns den Rücken gekehrt und war davon gezogen. Worte hatten wir nicht mehr gewechselt. Endlich fanden wir einen kleinen Platz, an dem wir rasten konnten. Geschützt von einer Klippe und den Bäumen des Waldes. Ein Bach direkt zu unseren Pfoten. Hier konnte es sogar für einige Tage aushaltbar sein.

Im Wasser hatte ich mich auf meine Hinterläufe nieder gelassen - noch immer etwas abseits. Meine Rute pendelte im leichten Strom mit und an meiner Hüfte verklang der Schmerz. Wie Alvarez sich schwerfällig davon stahl konnte ich beobachten. Kurz beobachtete ich jeden einzelnen von den Wölfen, dann stand ich auf. Ich ging in einer guten Entfernung an Tryss vorbei, der seine Kehle befeuchtete. Ein Nicken galt ihm, dann ging ich weiter. Alvarez hatte sich einen Platz gesucht, an dem er nicht beobachtet werden konnte. Als ich ihn sah, bemerkte ich sein Zittern. Der ganze Körper bebte unter den Muskelbewegungen.
Ich ging zu ihm, auch wenn wir vorher nie einen Wortwechsel hatten. Ich kannte seinen Namen und seinen Geruch. Sein Fellmuster und seine Stimme. Mehr nicht.
Vorsichtig stupste ich - ganz kurz - meine Nase in sein Fell. Als sie seine Haut berührte, spürte ich seine Hitze. Er glühte förmlich. Bevor ich mich zu ihm setzte, schüttelte ich vorsichtig das Wasser aus meinem Fell. Ich drückte meine Hinterläufe seitlich weg. Meine Vorderläufe lagen auf dem Boden, so dass ich mit dem Oberkörper auf Brust und Gerippe lag - mit dem Hinterkörper jedoch in einer gemütlichen Seitenlage. Anders konnte meine Hüfte es nicht zu lassen.

"Der Bach ist erfrischend kühl. Vielleicht kann dir eine Abkühlung gut tun?"

Es war eine Aussage, jedoch verpackte ich es in eine Frage. Meine Stimme klang neutral. Wer mich kannte, konnte vielleicht etwas Traurigkeit in ihr hören. Mir ging es nicht gut. Ich gab mir Schuld, an den verletzten Wölfen. Wir kannten und nicht gut und schließlich konnte ich überhaupt nicht einschätzen, wie es dem Rüden ging. Ich sah ihn an, dass es ihm nicht gut ging, aber wo sein Leid genau steckte wusste ich nicht. Ob es die Hitze war, oder ein schmerzender Körperteil.

[Hält Abstand zu den anderen | Geht schließlich zu Alvarez und legt sich zu ihm]



- Velvet - 11.06.2012

Die Abendsonne beschien den Platz den wir zum Rasten hatten ausgewählt. Es schien mir wie ein Wunder das wir diesen Tag noch lebend hatten überlebt, wir alle. Kheran. Nein, nicht alle, der Rüde war nicht mehr zurück gekommen und die Blicke die von den anderen kamen sagten mehr als alle Worte es gekonnt hatte. Der Rüde war Tod. Doch woran er gestorben war, dass wusste ich nicht. Noch immer spürte ich genau die Stelle auf die ich bei dem Absturz gefallen war, doch während ich nur Probleme beim Laufen hatte lag die Sorge um Alvarez greifbar in der Luft. Der Rüde hatte sich die Pfote verletzt und die Verletzung hatte sich entzündet. Und man sah ihm an wie schlecht es dem älteren Rüden ging. Dennoch hatte er sich nicht beklagt, er hatte Avis weiter getragen und ihn letztlich in Sicherheit gebracht, er hier war uns aufgefallen wie es um den grauen stand.
Vorsichtig richtete ich mich auf und konnte sehen wie sich bereits einige wieder vom Fleck bewegten. Es war angenehm, dass wir Ruhe hatten und in Sicherheit waren und doch hatte ich immer wieder Angst die Jagdhörner der Menschen zu hören und das bellen ihrer Meute. Doch ich wusste das sie kehrt gemacht hatten und das die Meute aus Blutgierigen Hunden Tod war. Wir hatten es geschafft und doch war es ein bitterer Sieg. Auch wenn Kimya wieder bei uns war, so fehlte uns doch noch immer die Mutter der beiden Welpen. Während ich über diejenigen nachdachte die wir verloren hatten, Wölfe die ich eigentlich kaum kannte, spürte ich den Schmerz kaum der durch meine Pfote hinauf lief. Ohne Kaya hätte ich es nicht mehr so weit geschafft. Aber auch Dekaja war verletzt, schlimmer als sie zugeben wollte. Mein Blick streifte die junge Wölfin und ruhte einen Moment auf ihr. Skadi hatte sich zu Alvarez begeben und sprach scheinbar auf ihn ein. Vorsichtig lief ich vorwärts in Richtung Bach wo ich Tryss stehen sah. Der junge Rüde hatte so wie ich es nun mit bekommen hatte schon einiges durch machen müsste und ich hoffte das er seine Lebenslustige Art beibehalten würde. Langsam, vorsichtig darauf bedacht die Pfote nicht zu sehr zu belasten, bewegte ich mich auf das Wasser und auf Tryss zu. Neben dem jungen Wolf blieb ich letztlich stehen und trank einen Schluck bevor ich den Rüden ansah.

„Hallo Tryss.“, ich hielt den Blick auf ihn gerichtet lies mich jedoch auf dem Boden nieder, da stehen auf Dauer nun wirklich nicht das wahre war. Einen Moment lang wandte ich dem Blick von ihm ab um zu schauen wo sich Kaya im Augenblick befand. Ich konnte ihn jedoch nicht ausfindig machen und so blickte ich wieder zu Tryss hinauf, der durch meine liegende Position höher war als ich. Während mein Blick auf dem jüngeren lag überlegte ich, was ich über den Rüden wusste. Es war nicht viel, nur das wenige was ich selbst beobachtet und was ich von den anderen erfahren hatte. Ich wusste das Kaya – hinter seiner sturen Art – den jungen Wolf sehr mochte (was dieser vermutlich niemals zugeben würde). Tamias hatte eine weniger gute Meinung von dem Rüden. Der Streit um dieses Thema war mir noch lebhaft in Erinnerung geblieben. Dennoch schien der junge Wolf von etwas beunruhigt zu sein, vermutlich aus den selben Gründen wo wir uns alle sorgten: Die Flucht, Alvarez Verletzung und der verbleib von Arkanis.

„Ist alles in Ordnung, Tryss?“, zwar hatte ich mit dem Rüden noch nicht viel zu tun gehabt, aber was nicht wahr konnte ja noch werden. Er war ohne größere Verletzungen entkommen, so wie die Welpen und Kaya. Wo ich mir zu beginn Sorgen um den älteren Rüden gemacht hatte, schien es am Ende nicht angebracht denn letztlich waren Dekaja und ich gestürzt, während Alvarez sich die Pfote verletzte. Kaya hatte kaum Blessuren davon getragen. Und auch wenn die Welpen körperlich unverletzt waren, so war ich mir nicht sicher wie es im inneren der beiden Welpen aussah. Es war viel gewesen, dass wusste ich, und ich hatte Angst das die Welpen ihre Lebenslust einbüßen würden, jetzt wo ihre Mutter fort war. Momentan schien es nicht so, als würde Arkanis wieder kommen. Keine Fährte und kein Geruch lies auf ihren verbleib schließen.

[bei Tryss || spricht diesen an]



- Alvarez - 11.06.2012

Wenn ich der Meinung gewesen war, den aufmerksamen Blicken der anderen entgangen zu sein, hatte ich mich getäuscht. Mein abgeschiedenes Plätzchen hatte jemand entdeckt, oder vielmehr mich und meinen Versuch dort zügig hin zu kommen. Skadi – so war zumindest ihr Name, wie ich glaubte – hatte sich mir an die Fersen gehängt. Jetzt erst erkannte ich, wie sehr ich mich immer noch von den anderen fern hielt. Ich schenkte kaum einem Vertrauen. Ich distanzierte mich. Ob es gut war? Im Falle von Kheran auf jeden Fall. Der Rüde hatte mir nichts bedeutet und sein Tod mochte tragisch gewesen sein, hatte mich aber nicht berührt. Er war ein Fremder, mit dem ich nichts verband. Aber auf Dauer musste ich mich mit den Gruppenmitgliedern revanchieren, zumindest wenn ich in dieser Gemeinschaft bleiben wollte. Und zurzeit blieb mir ja gar nichts anderes übrig. Meine Pfote machte mir das erjagen von Beute unmöglich. Ich würde verhungern. Obwohl, wenn es nicht der Hunger sein würde, würde vermutlich die Verletzung mich dahinraffen, was auch immer ich hatte. Bei der Berührung der Fähe, kniff ich kurz die Augen zu. Es war eine kurze und eigentlich nichtige Geste gewesen, aber für einen Moment vergaß ich den Schmerz und fühlte mich für wenige Augenblicke zugehörig. Seitdem mein Rudel von den Menschen zerschlagen und ihr Feuer die meisten dahin gerafft hatte, war ich eigentlich nur noch eine rastlose Seele. Ihre Worte lenkten meinen Blick auf sie.

„Womöglich“

Bestätigte ich ihre Frage, wobei es sicher eine indirekte Aufforderung gewesen war. Sie meinte es ja wirklich nur gut, aber ich zweifelte an meinen Kräften. Die Erschöpfung brach in letzter Zeit unberechenbar über mich herein. Aller Wahrscheinlichkeit würde selbst die zaghafte Strömung meinen Körper mitreißen, sollte ich wieder schwächeln. Diese Blöße wollte ich mir nicht geben. Also galt es gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Ich verzog die Lefzen zu einem schwachen Lächeln.

„Aber ich befürchte, ich könnte ertrinken. Wasser war noch nie mein Element.“

Ich versuchte das Angebot mit schlechtem Humor auszuschlagen. Mein Gesicht wurde jedoch wieder zu Stein, als ich den Blick von der Fähe wandte und mir die Umgebung ansah, als könnte ich irgendetwas Interessantes erkennen. Vielleicht eine Spur von Arkanis? Mir fehlte die braune Wölfin. Es war beflügelnd gewesen, diese neckenden Unterhaltungen, wo man gegenseitig versuchte sich aufzuziehen. Ich brummte und meine Miene wurde düster.

„Sie würde sie nicht einfach alleine lassen.“

Ausgerechnet bei Skadi endlich diese Worte über die Lefzen zu bringen, war befreiend. Wobei es wahrscheinlich bei jedem diese Befreiung besessen hätte. Es auszusprechen war schmerzlich, aber hatte zugleich etwas Tröstliches. Und gleichzeitig lenkte ich von meinem Zustand ab. Nun legten sich meine Ohren sachte zurück und unterstrichen meine Betrübtheit.

„Sie mag vielleicht eine Streunerin sein, aber sie besitzt Verantwortungsbewusstsein. Die beiden einfach bei einem Pulk fremder Wölfe zu lassen, passt nicht zu ihr. Ich denke ihre Seele bewandert nun einen fremden Ort, den wir irgendwann alle erreichen werden.“

Noch weigerte ich mich auszusprechen, dass ich sie für tot hielt. Beziehungsweise ich verweigerte das Wort „tot“ auszusprechen.

[abseits der Anderen # spricht mit Skadi]



- Kaya - 13.06.2012

Auch an mir waren die letzten Stunden alles andere als spurlos vorbeigegangen. Aufgrund der Tatsache dass ich Velvet mit jeder Faser meines Körpers zu stützen und zu schützen gedachte und ebenso der Tatsache dass ich darauf alle Konzentration verwendete, mochte es nicht verwundern dass ich nun wirklich jeden einzelnen Knochen und jeden Muskel meines Körpers umso deutlicher spürte. Hier pochte es, da ziepte es und ich war mir sicher, dass irgendwo in mir kleine Monsterchen saßen, die mit irgendetwas in meine Muskeln pieksten. Kein angenehmes Gefühl und alles andere als motivierend, was weitergehende Aufgaben anging.

Schließlich hatten wir besagten Rastplatz gefunden – und uns schon zuvor von Kenzo getrennt. Sehr bedauerlich wie ich fand, denn ich hatte für den alten Knaben etwas übrig – auch wenn mir ja vorher niemand Glauben hatte schenken wollen, warum dem so war. Nun wussten alle, dass er eigentlich auf unserer Seite stand...aber so wie aus einem Wolf niemals ein guter Hund werden würde, hatte er eingesehen dass er auf Dauer nur eine Gefahr für uns wäre. Dennoch hielt ich es für legitim, ihm anzubieten jederzeit zurückzukehren – zum Beispiel falls das Leben noch weitere Fallstricke für ihn bereithielt.

Alvarez und Dekaja bereiteten mir manche Sorge. Während ich Dekaja von Tryss gepflegt wusste, sah das bei Alvarez möglicherweise weder ganz so positiv aus, noch hatten wir bisher ein mittel gegen seine Verletzungen gefunden, die nach aussen hin gar nicht so schlimm wirken mochten; irgendetwas tief in dem Rüden schien aber dennoch an dessen Substanz zu zerren. Und da selbst ich nicht wusste, was es war, befriedigte mich dieser Umstand natürlich nicht gerade – wenn ich etwas nicht mochte, so war es Hilflosigkeit, gerade wenn es um andere Wölfe und Mitwesen ging.

Velvet schien sich zu Tryss zu gesellen, wenn ich das richtig mitbekam. Und Alvarez wurde von Skadi „behandelt“, auch wenn sie sicher – so sah ich das zumindest – kaum mehr als Trost würde spenden können. Aber wer weiss, vielleicht half ja auch dies schon dabei, den Rüden in Richtung Genesung zu führen. Alvarez hatte sich dadurch dass er Avis durch das schwierige Gelände getragen hatte, zu einem Unverzichtbaren Begleiter gemacht.

Mein Blick wanderte, während ich so lag, weiter und fand schließlich die Nähe des jungen Rüden, der auf Tryss hörte. Neben ihm fand sich wenig später Velvet ein und auch wenn ich kein Wort der Unterhaltung verstand, so schnippte mein Lauscher doch nervös von einer zur anderen Sekunde. Velvet mochte ahnen, was ich empfand, aber unser letzter Wortwechsel war nicht eben positiv verlaufen. Eigentlich war es kein Wortwechsel im eigentlichen Sinne gewesen. Dass sie sich aber nun auch anderen Wölfen mal zuwandte, begrüßte ich tief im Innern doch. Dass sie ausgerechnet den anvisierte, dem ich selbst gern mal sagen würde was ich dachte – und der mich vermutlich dafür auslachen würde – machte es aber nicht besser, zuzusehen. Ich spannte mich ein wenig an und beschloss, meinen Blick möglichst beiläufig kreisen zu lassen. Aber ich konnte – und wollte – nicht verhindern, dass er immer wieder auf den beiden hängen blieb. Ob sie mich bemerkten?


[liegt unweit Tryss und Velvet, macht sich so seine Gedanken]



- Tryss - 17.06.2012

Es war Velvet, die näher gekommen war und die sich nun direkt neben mir ebenfalls ein paar Schlucke aus dem Bach gönnte. Ich wusste nicht, ob ich mich über ihre Anwesenheit freuen sollte oder ob ich mich ärgern sollte, dass sie mich in meiner Einsamkeit störte. Ein Blick auf ihre Pfote und ihre freundliche Begrüßung aber ließen mich diesen Gedanken vergessen. Allein sein zum Nachdenken konnte man ja immer noch mal. Ich nickte freundlich und versuchte mich zu einem freundlichen Lächeln zu zwingen. Die Sorge um Deka und Alvarez, sowie das Verschwinden von Arkanis ließen dieses aber eher gequält als freudig und unbeschwert wirken. Machte nichts, der Wille zählte ja bekanntlich.

„Hallo Velvet“, entgegnete ich daher ebenso freundlich und betrachtete die Fähe für einen kurzen Moment genauer. Sie hatte sich abgelegt, so dass sie ihre Pfote nicht mehr belasten musste. Der Sturz hatte das Bein ziemlich mitgenommen und ich konnte mir sehr gut vorstellen, dass das Auftreten ihr ziemliche Schmerzen bereitete. Jetzt da sie lag war davon nichts mehr zu merken, aber vielleicht war sie so stur wie Kaya – oder wie Deka, die immer noch standhaft behauptete ihre Verletzungen wären 'nicht so schlimm' und man solle sich doch bitte 'um die anderen kümmern'. So ein Quatsch. Nur einen Augenblick später wurde meine Befürchtung fast bestätigt. Velvet hatte erneut gesprochen und was ich da hörte, bugsierte mir fast die Augen aus dem Kopf. Wie bitte? Ob es mir gut ging? Ich blickte die Fähe zunächst mit großen Augen und viel Ungläubigkeit im Blick an. War sie verrückt geworden? Ich war nicht die Schlucht herunter gepurzelt, ich hatte mich nicht von den Hunden zerfleischen lassen und ich hatte keine Mutter verloren. Klang eigentlich gut oder? Mein Erstaunen wandelte sich. Ich kniff die Augen ein wenig zusammen und blickte sie misstrauisch an. Ob sie das vielleicht nicht ernst meinte, sondern mich nur auf den Arm nehmen wollte?

„Mir? Wieso denn mir? Ich bin doch gar nicht verletzt? Du solltest dir lieber um dich selbst sorgen, diese Pfote sieht nicht wirklich gesund aus, wenn ich das mal sagen darf. Und dein Göttergatte da hinten würde sich bestimmt auch viel eher freuen, wenn du dich ein bisschen nach seinen Blessuren erkundigen würdest.“

Ich kicherte leise und schielte an Velvet vorbei. Ein paar Meter weiter hatte ich Kaya entdeckt, der uns beobachtete. Süüüüß! Ob er sich um seine Fähe Sorgen machte? Vielleicht hatte er Angst, dass ich ihr seltsame Dinge über ihn erzählte? Na, wahrscheinlich eher nicht. Er war bestimmt nur besorgt. Mein schelmischer Blick wurde wieder ein wenig nüchterner. Ihre Pfote sah wirklich nicht gut aus.

„Aber keine Angst, um mich brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Meine Knochen sind heil, mein Fell hat bis auf ein paar kleine Wunden nichts abbekommen – und wenn wir mal ehrlich sind, sind ein paar Narben ja nichts schlimmes. Sie können in ein paar Jahren noch die Geschichte dieser Flucht erzählen. Bist du auch froh, dass wir sie los sind? Die Jäger, meine ich? Und wie geht es deiner Pfote? Sieht übel mitgenommen aus, wenn ich das mal sagen darf. Weißt du, ob es unter uns jemanden gibt, der sich mit Heilung auskennt? Vielleicht kann man ja... irgendwas drauf machen, damit es schneller heilt? Und das könnte dann ja auch Alvarez und Deka helfen. Oder?“

Die letzte Frage kam leise und vorsichtig aus meinem Fang. Ich warf einen betrübten Blick zu den beiden hinüber, dann schaute ich wieder Velvet an. Ein wenig Angst hatte ich vor ihrer Antwort. Ich wollte nicht hören, dass es keine Möglichkeit gab den beiden zu helfen. Es musste eine geben. Es muste!



- Kimya - 17.06.2012

Es war ein ganz merkwürdiges Gefühl. Obwohl ich bei den anderen stand, fühlte ich mich ein wenig isoliert, fern, in den Gedanken gefangen. Ich saß also unter einem Baum, beobachtete die anderen, ohne wirklich darauf zu achten, was sie taten. Vielmehr hörte ich in meinem Kopf das Bellen der Hunde, das meine Mutter und mich verfolgt hatte. Ich weiß noch, dass es nicht aufhören wollte, dass ich es immer hörte. Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wann es plötzlich leiser wurde, wann ich es plötzlich nicht mehr wahrnahm und wann ich mein Bewusstsein verlor. Die Trauer, mich nicht von meiner Mutter verabschiedet zu haben, holte mich jetzt ein. Warum war sie einfach so gegangen und hatte mich alleine zurück gelassen? Was hatte sie vor? Wann wollte sie wieder kommen? Wollte sie überhaupt wieder kommen? Und wenn nicht, warum hatte sie Avis und mich einfach zurück gelassen? Bedeuteten wir ihr nichts mehr…? Das passte einfach nicht zusammen, es ergab alles keinen Sinn. Mein Herz fing stark an zu klopfen und riss mich aus meinen Gedanken, beförderte mich mit einem Schlag zurück auf die Lichtung. Das Bellen in meinem Kopf flaute ab und ich hörte nur noch das Plätschern des Wassers und Stimmen der Wölfe, die leise an verschiedenen Orten miteinander sprachen. Mein Blick fiel auf Kaya, der alleine da lag. Ich atmete tief ein, stand auf und schüttelte mich. Ich schüttelte nicht nur den Dreck aus meinem Fell, die Blätter und Ästchen, die sich darin verfangen hatten, sondern auch alle negativen und traurigen Gedanken ab, die mich jetzt bedrückten. Ich wollte jetzt nicht traurig sein. Dann sprang ich los, die Pfoten weit nach vorne werfend. Ich spürte die Wucht, mit der ich meinen Körper jetzt schon nach vorne stoßen konnte und genoss die Geschwindigkeit, mit der ich mich in Richtung Kaya bewegte. Ich war so auf den Moment fixiert, dass ich viel zu plötzlich an meinem Ziel ankam und es nicht mehr richtig schaffte, abzubremsen. So landete ich mit meinem halben Körper auf Kayas Rücken und wedelte mit meiner Rute.

“Bist du in Gedanken versunken?“

, sprach ich ihn an und überspielte den ungeplanten Aufprall geschickt, indem ich ihn einfach nicht ansprach. Vorsichtig kletterte ich von dem Rüden runter, setzte mich neben ihn und schleckte mir über die Nase. Dann schaute ich mich schnell noch einmal um. Wo war eigentlich Avis? Seitdem ich wieder da war, hatten wir nur ein wenig geredet. Wie es ihm wohl damit ging, dass Mama nicht da war…? Vielleicht sollte ich doch in naher Zukunft einfach mal mit ihm sprechen. Immerhin hatten wir ja immer noch uns, das sollte ich ihm vielleicht klar machen. Ich sollte wenigstens versuchen, für ihn da zu sein, falls er Sorgen hatte. So machte man das doch unter Brüdern… Darüber, wie ich mich bei der ganzen Sache fühlte, wollte ich nicht nachdenken. Und Gefühle wie Trauer oder Enttäuschung zulassen, wollte ich erstrecht nicht. Nicht jetzt.

[bei Kaya, spricht ihn an und schaut sich nach Avis um]



- Skadi - 17.06.2012

Während ich auf die Antwort, oder eher irgendeine Aussage, von Alvarez wartete, sah ich in den Wald hinein. Ich wollte ihn nicht anstarren wie ein verkrüppeltes Reh. Als er sprach, zuckten lediglich meine Ohren in seine Richtung. Ich war nicht überrascht, als er beim zweiten Ansetzen meinen Vorschlag das kühle Wasser auf zu suchen abgeschlagen wurde. Kurz hatte ich zu ihm rüber gesehen und sah sein zerbrochenes Lächeln, welches sich sogleich wieder verfinsterte. Ich überlegte, welches andere Thema ich einschlagen könnte, um ihn später noch Mals auf die Erfrischung an zu sprechen. Aber es erledigte sich von selbst.
Er redete weiter. Ich musste kurz überlegen um wen es ging und was er genau meinte. Aber dann wurde es mir ganz schnell deutlich. Ich sah Arkanis vor meinen inneren Augen, wie sie in die Höhle gelaufen war um Kimya heraus zu holen. Das war das letzte, was ich von ihr gesehen hatte, so wie all die Wölfe – ausgenommen von Kimya – auch. Alvarez glaubte nicht, dass sie gegangen sei. Er vermutete schlimmeres. Ich schwieg eine Weile im meine Gedanken zu sortieren. Er hatte recht, auch wenn sie ein Streuner war und die Einsamkeit bevorzugt, waren ihre Welpen noch zu jung um sie alleine zu lassen. Arkanis hätte das nicht getan, das wusste ich, auch wenn ich sie nicht gut kannte. Aber der Instinkt einer Mutter hielt ein so lange bei den Kleinen, bis sie sich selbst versorgen können.

“Sie hat das getan, was jede Mutter getan hätte. Sie hat für das Überleben ihrer Junge gekämpft und das mit Erfolg!“

Sagte ich nur leise, während ich ihn mit Festen Blick ansah. Dann sah ich in den Wald hinaus. Ich mied den Augenkontakt zu Alvarez. Ich hatte meine Junge nicht mit meinem Leben beschützt. Ich hatte sie ungeboren sterben lassen. Das einzige, was mich nicht in diesem Moment zerstörte war das Wissen, dass ich meine Junge genauso durchgebracht hätte wie Arkanis – wenn sie schon am Leben gewesen wären. Dennoch war ich eine miserable Mutter gewesen und würde mich nie mit Welpen anfreunden können. Zu groß war das schlechte Gewissen. Es ging mir diesbezüglich besser, seit ich mich Tamias geöffnet hatte – jedoch würde ich es mir nie ganz verzeihen können.

[Bei Alvarez]