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Amuary & Rakesh | Beginn Passus X - Druckversion

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Amuary & Rakesh | Beginn Passus X - Rakesh - 08.06.2021

Das erbarmungslose Knacken von Knochen unter meinem kräftigen Kiefer hallte zwischen den Bäumen wider, ließ bei jedem weiteren Male die Vögel für einen kurzen Moment erschrocken verstummen, bevor sie kurze Zeit später zögerlich wieder ihre Lieder anstimmten. Ich leckte mir über die Lefzen, genoss den Geschmack nach frischem Fleisch auf meiner Zunge. 
Das junge Reh war bereits zur Hälfte gefressen gewesen, als ich es gefunden hatte. Von dem Erbeuter war keine Spur mehr gewesen, ich hatte keine Ahnung, was ihn vertrieben hatte. Doch natürlich hatte ich mich sofort über das willkommene Geschenk hergemacht und die Raben verjagt, die sich daran zu schaffen gemacht hatten. Einige von ihnen saßen nun über mir im Geäst und warteten ungeduldig, dass ich mich wieder davonmachen würde.


Es war ein herrlicher Morgen. Noch angenehm kühl, mit einem leichten Wind, der sanft durch mein dichtes Fell strich und mir die Gerüche des Waldes zutrug. Erneut tat ich einen kräftigen Bissen und lauschte in die Bäume, genoss die kurze Stille, als würde der Wald ehrfürchtig den Atem anhalten. Ich ließ mir Zeit beim Fressen, spürte dabei, wie sich mein Magen langsam füllte und ein warmes Gefühl durch meinen Bauch strömte.


RE: Amuary & Rakesh | Beginn Passus X - Amuary - 08.06.2021

Ich lies mich einfach durch den Wald treiben und folgte den Gerüchen, die mich mal hier, mal dahin trugen. Immer in der Hoffnung bald mal wieder etwas zähes zwischen die Zähne zu bekommen. Auch mein Bauch fühlte sich unangenehm leer an die letzte Zeit ...
Plötzlich ertönte ein Knacken durch den Wald, was mich zusammen zucken ließ.
Erschrocken blieb ich stehen und lauschte und witterte ob es etwas Gefährliches war und vor allem ob es näher kam.
Nach einiger Zeit ertönte wieder das Knacken und aufgeregtes Vogelgeschrei und Stille ... Mein Herz klopfte wild und meine Ohren zuckten unentwegt. Aber das Geräusch schien nicht näher zu kommen.
Beruhigend war das jedoch nicht. Denn wenn ich mich darauf konzentrierte, schien das Geräusch unerfreulicherweise aus der Richtung zu kommen in die ich gerade eben noch unterwegs gewesen war.

Sollte ich weitergehen oder umdrehen? Mein Magenknurren verriet mir, dass es einen sehr dringlichen Grund gab, wieso ich überhaupt diese Richtung eingeschlagen hatte. Ein süßer Geruch, den ich nur selten vernahm und der mir den Sabber an den Lefzen sammeln ließ.
Jedoch wehte mir von dort noch ein anderer Geruch entgegen. Einen den ich nicht richtig einordnen konnte, der aber hier und da manchmal meinen Weg gekreuzt hat. Es war was fremdes und was vertrautes. Irgendwo ganz hinten in meinem Kopf hallte es wieder, das war ein anderer Wolf. Ganz bestimmt.
Aber andererseits könnte es auch irgendein anderes Raubtier sein, was solch einen kleinen Welpen wie mich fressen konnte... Oder zumindest böse verletzen, wenn ich es wagte zu nah seiner Beute zu kommen...
Die Frage war also, sollte ich es riskieren und den Düften folgen? Wirklich?
Immer noch stand ich wie angewurzelt mit klopfenden Herzen. Die sanfte Stille immer wieder gebrochen durch das Knacken.
Nun, es war nicht weit weg. Und es war definitiv kein Geruch nach Mensch. Ich konnte ja noch immer davon laufen ...

Also schlich ich mich vorsichtig näher, fast Seitwerts, bis ich den Geräuscheverursacher sehen konnte. Ein Wolf ...?


RE: Amuary & Rakesh | Beginn Passus X - Rakesh - 09.06.2021

Ein zweites, ganz zartes Knacken mischte sich in das Geräusch meines mahlenden Kiefers. Kaum hörbar, doch wenn man wusste, worauf man achten musste, nicht zu verkennen. Die leisen Warnrufe der Vögel, ein empörter Schrei eines der Raben über mir. Etwas oder jemand näherte sich mir. Jemand, der sehr leise war, aber durch mangelnde Übung hin und wieder leise, verräterische Geräusche von sich gab. Riechen konnte ich nichts, das Fleisch verwirrte meine Nase.
Doch das machte nichts, niemand hier würde wahnsinnig genug sein, einem erwachsenen, muskulösen Wolf seine Beute streitig machen zu wollen. Zumindest niemand, der so leicht auftreten konnte. Allerdings ließ Verzweiflung so manche Grenzen des Vernünftigen gerne einmal verschwimmen.
 
Ich erhob mich langsam aus meiner liegenden Position und setzte mich auf, legte meinen Blick recht zielsicher auf die Stelle, an der sich mein Verfolger verbarg. Abwartend legte ich leicht den Kopf schief und spielte mit den Ohren, trat dann einen Schritt vor, um mich zwischen meine Beute und den Störenfried zu schieben.
 
“Hör auf da draußen herumzustreifen und zeig dich mir“, forderte ich. Meine Augen konnten hellbraunes Fell zwischen den Sträuchern ausmachen und nun, wo ich ein wenig Abstand zu der Beute gewonnen hatte, konnte ich auch den Geruch ausmachen. Ich hatte einen Artgenossen ohnehin beinahe erwartet, doch mein kleiner Fan schien noch recht jung zu sein. Zu jung, um ganz alleine unterwegs zu sein.
 
“Ich fress dich schon nicht, auch wenn es vielleicht nicht besonders schlau ist, sich einem Jäger und seiner Beute auf so kurze Distanz zu nähern.“ Ich spähte neugierig vor in das Geäst, bewegte mich aber nicht von der Stelle. Sollte die Kleine flüchten, würde ich sie lassen. Allerdings würde ich darauf achten müssen, ob der Rest ihres Rudels in der Nähe lauerte. Ich war nicht wirklich auf einen Kampf aus und mittlerweile hinreichend gesättigt, dass es das kaum wert sein würde. Witternd hob ich die Schnauze, doch außer der kleinen Fähe konnte ich bisher keine Gerüche ausmachen.


RE: Amuary & Rakesh | Beginn Passus X - Amuary - 09.06.2021

So unauffällig wie möglich näherte ich mich der Stelle, an der sich die Gerüche zu einem Schwall vermischten. Mein Herz klopfte wild und ich hoffte, dass der Fremde zu sehr mit Fressen beschäftigt war um mich zu bemerken.
Zwischen den Büschen und Bäumen erkannte ich, dass es wohl tatsächlich ein Wolf war. Dunkles Fell, herber aber nicht unangenehmer Geruch, der sich mit dem süßen Geruchs des toten Rehs vermischte.
Nie zuvor begegnete ich anderen Wölfen außerhalb meines Rudels. Es war also doch ein sehr besonderes und einschüchterndes Erlebnis. Gerne hätte ich ihn weiterhin erst mal von der Seite beobachtet und umschlichen. Doch als er sich erhob und bewegte, blieb ich wie angewurzelt stehen.

Meinen Blick auf den fremden, imposanten Wolf fixiert, blieb ich in Fluchtstellung. Was würde er jetzt machen? Ich hörte in meinen Ohren schon beinahe mein eigenes Blut durchrauschen und die unangenehme Leere im Bauch trat in den Hintergrund. Ich wusste einfach nicht, wie fremde Wölfe überhaupt reagierten...

Bei den ersten Worten zuckte ich ein wenig zurück. So seltsam wieder eine andere Stimme als die meine zu hören. Wobei ich selbst ja eigentlich kaum sprach, seit ich alleine war.
Er schien aber nur seine Beute zu beschützen und seine nächsten Worten wirkten weit weniger bedrohlich.
Meine Nase und meine Ohren bewegten sich unentwegt, ansonsten stand ich still. Fliehen oder bleiben?
“Ich bin immer noch weit genug um weg zu laufen!“, rief ich ihm entgegen, noch ohne mich zu bewegen. Das war ich doch, oder? Zumindest hoffte ich sehr darauf, dass meine Worte der Wahrheit entsprachen.

Mit einem tiefen Atemzug trat ich einige Schritte nach vorne, raus aus dem Geäst, damit ich den fremden nun deutlich erkennen konnte. Immer noch bereit zu fliegen.
Aber die Situation war einfach zu interessant. Ich konnte mich natürlich täuschen, was wusste ich schon von fremden Wölfen, aber auf mich wirkte er tatsächlich nicht als würde er mich sofort auf der Stelle fressen.
Fasziniert musterte ich den Wolf nun genauer. Immer noch sog meine Nase fast automatisch jede Duftnote in sich auf und sortierte die Gerüche. Doch ich konnte meine Aufmerksamkeit nicht vollends auf dem Wolf lassen, oder auf einer möglichen Flucht.
Immer wieder schielte ich unbewusst hinter den Wolf. Zum Reh und leckte mir über die Lefzen und die Nase.
So viele Gerüche vermischten sich. Fressen und Gefahr und Unbekanntes und Aufregendes.


RE: Amuary & Rakesh | Beginn Passus X - Rakesh - 13.06.2021

Meine Worte schienen die junge Fähe erschreckt zu haben, eine plötzliche Bewegung im Geäst war die Folge. Ich spitzte die Ohren, doch es blieb bei dieser kurzen Reaktion. Den Blick entspannt auf die zarten Schimmer braunen Fells gerichtet, wartete ich ab, bis der erste Schreck verklungen war. Die Antwort kam nach einem kurzen Zögern und sie zog ein breites Grinsen auf meine Lefzen. Mutige Kleine. Ich verkniff es mir zu sagen, dass sie mit ihren kurzen Welpenbeinchen nicht den Hauch einer Chance gegen einen ausgewachsenen, trainierten Rüden wie mich hatte. Wer war ich denn, ihr dieses Selbstvertrauen zu nehmen?
 
Da, endlich kam Bewegung in den kleinen Körper. Langsam schob sie sich ein paar Schritte vor, raus aus dem Geäst und legte skeptisch den Blick auf mich. Ich musterte die junge Fähe und legte leicht den Kopf schief, ging nun, da ich ihr in die Augen schauen konnte auf ihre Worte ein:
 
“Ja, aber das hast du nicht vor, stimmts? Sonst wärst du bereits geflüchtet, sobald du bemerkt hast, dass du mir aufgefallen bist“, mutmaßte ich und setzte mich etwas entspannter hin, während ich die Kleine zum ersten Mal genauer betrachten konnte. Sie war dünn, fast schon mager, mit struppigem Fell. Sie wirkte nervös und vorsichtig, dennoch neugierig und – wie ihre Blicke auf die Beute vermuten ließen – sehr hungrig. Sie ging ein großes Risiko ein, indem sie sich hier herumtrieb. Entweder wusste sie es nicht besser, oder sie war verzweifelt genug. Oder aber, sie war nicht allein. Ich hob die Schnauze in den Wind, doch außer der Kleinen konnte ich keine neuen Gerüche ausmachen.
 
“Sag, kommen bald deine Kumpels von hinten und stehlen mir meine Beute, während ich mit dir rede?“, fragte ich sie, ohne mich umzuwenden oder Anstalten zu machen, auf der Hut zu sein. Ich hätte eine größere Gruppe längst bemerkt und hatte vielmehr den Eindruck, dass die Kleine schon länger alleine herumstrich. An ihrem Fell haftete, soweit ich das aus unserem Abstand heraus beurteilen konnte, kein fremder Wolfsgeruch. Doch ich war neugierig auf ihre Antwort.


RE: Amuary & Rakesh | Beginn Passus X - Amuary - 14.06.2021

Mein ganzer Körper noch immer voller Anspannung, versuchte ich trotzdem so selbstbewusst wie möglich zu bleiben.
Wahrscheinlich wäre es klüger gewesen sofort zu flüchten. Gar nicht erst in Richtung des Geruchs zu gehen, aber was wusste ich schon was klug war? Im Nachhinein vielleicht ... Auf der anderen Seite, wer wusste wann und wo ich überhaupt wieder ein Fressen vor der Nase hätte. Was war in dieser Situation also klug?

Der fremde Wolf hatte Recht. Ich hatte nicht vor zu flüchten, wenn die Situation so blieb. Aber besser wäre es natürlich, wenn diese Situation etwas besser für mich werden würde.
Als der Fremde sich entspannte, versuchte ich auch etwas sanfter in meinem Auftreten zu werden. Ich wollte nicht herraus fordernd wirken, denn der Wolf vor mir wirkte defenetiv muskulöser als ich. Erfahrener und stärker. Ich würde auf alle Fälle unterliegen, das war mir klar. Dennoch versuchte ich nicht wie ein völlig ängstlicher Welpe zu wirken, doch ich spürte das zittern meiner Beine. War es Angst? Hunger? Oder einfach nur die Aufregung über die Situation? Ich wusste es selbst nicht so genau.

Ich spitzte die Ohren bei seinen nächsten Worten. War das ein Witz? Ihm musste doch klar sein dass ich alleine war, oder? Oder machte man das immer so? Was sollte ich antworten, auf etwas bei dem die Antwort offensichtlich war? Oder wusste es nicht?
Es dauerte gefühlt viel zu lange bis ich eine Antwort gab und mir war klar, dass ich defenetiv nicht so wirkte, wie ich gerne würde. Selbstbewusst und frech... Meine Schwester wäre in dieser Situation bestimmt sehr selbstbewusst und frech ...
"Ist es nicht offensichtlich, dass ich alleine bin?", fragte ich. Und aus meinen Worten war, zu meiner eigenen Überraschung, tatsächlich nur Verwirrung und Neugierde zu hören. Kein schnippischer Unterton, den ich mir bei meiner Schwester vorstellen würde. Kein ängstliches Winseln wie es bei meinem Bruder der Fall gewesen wäre ... Wenn er überhaupt was gesagt hätte. Nur Verwunderung.

Mein Blick fokussierte sich gänzlich auf das Reh. Auch wenn ich versuchte meine ganze Aufmerksamkeit auf den Wolf zu lenken, gelang es mir nicht. "Wirst du dieses Reh noch fressen?", fragte ich und diesmal klang tatsächlich Unsicherheit mit, was wiederum keine Absicht war. Ich wollte locker bleiben so wie der Fremde vor mir... aber zum über sich selbst ärgern fehlte mir im Moment die Zeit. Dafür drehten sich andere Gedanken in meinem Kopf. Selbst wenn er dieses Reh nicht fressen wollen würde, oder was auch immer davon übrig war. Wer sagte denn, dass er es mir überlassen würde? Einem fremden Welpen?


RE: Amuary & Rakesh | Beginn Passus X - Rakesh - 20.06.2021

Die junge Fähe kam zögernd näher, die Wachsamkeit stand ihr noch in jede Faser des Körpers geschrieben. Doch die Änderung meiner Körperhaltung bewirkte auch in ihr einen leichten Wandel, auch wenn sie skeptisch blieb. Ich hatte schon länger keinen Artgenossen mehr gesehen. Das wurde mir jetzt klar, während ich die Fähe betrachtete. Ob es ihr ähnlich ging? Allzu lange konnte sie ja noch nicht alleine sein oder? Wie lange überlebte ein solch kleiner Spross ohne seine Eltern? Ich konnte mich vage an mich selbst in ihrem Alter erinnern, an der Seite meiner Eltern, voll von großen Träumen und Zielen…
 
Für einen kurzen Moment in Gedanken bemerkte ich erst leicht verzögert, wie lange die Kleine schon über meine Frage nachdachte. Ein Grinsen stahl sich auf meine Lefzen, während ich wartete, musterte die Unsicherheit, die ihr quasi ins Gesicht geschrieben war. Zugegeben, ich machte ihr diese Begegnung nicht leichter. Doch das Leben war nicht leicht. Vermutlich wusste sie das ebenso gut wie ich.
Als schließlich doch eine Antwort – oder vielmehr eine Gegenfrage aus ihrem Fang ertönte, spielte ich lässig mit den Ohren und legte leicht den Kopf schief, während ich sie mit kaum verborgener Neugierde ansah.
 
“Ja und nein.“, antwortete ich und ließ ihr ein paar Sekunden Zeit, bevor ich weitersprach.
“Es ist offensichtlich niemand in der Nähe, dahingegen hast du Recht. Erfahrungsgemäß sind Wölfe in deinem Alter allerdings selten alleine unterwegs. Wie kommt´s?“
 
Ihr Blick schweifte ab, an einen Punkt hinter mir und ich folgte ihr mit den Augen, obwohl ich genau wusste, was sie so magisch anzog. Früher hätte ich niemals auch nur daran gedacht meine Beute zu teilen. Ich hätte sie verjagt, noch bevor sie einen Blick auf das Reh hätte erhaschen können. Doch ich hatte dazugelernt, war eines Besseren belehrt worden. Ohne die Güte eines Fremden, würde ich nun nicht hier stehen. Ich erhob mich langsam auf alle Viere und trat einen großen Schritt zur Seite.
 
“Na komm, bediene dich!“, lud ich sie ein und setzte mich ein wenig abseits erneut hin.
“Im Gegenzug will ich deine Geschichte hören, Kleine“, verlangte ich lächelnd und machte es mir auf dem Waldboden bequem.
 
“Ich mag Geschichten und ich wette deine ist verdammt spannend!“
Und traurig, vermutlich. Wohin würde die junge Fähe verschwinden, wenn sie ihren Hunger gestillt hatte? Hatte sie überhaupt einen Ort, an den sie zurückkehren konnte? Jemanden, der sie vermisste?


RE: Amuary & Rakesh | Beginn Passus X - Amuary - 23.06.2021

Ja und nein... Fast augenblicklich legte ich den Kopf leicht schief, während mein Blick noch immer hin und her zwischen Fremder und totes Reh ging.
Ja ... Selbst Idrin war ja noch sehr jung gewesen als er gegangen war. Aber zumindest hatte er schon jagen können und auf sich selbst aufpassen. Im Gegensatz zu mir.
Ja ... wie kam das eigentlich, dass ich nun alleine unterwegs war? Ich musste erstmal meine Gedanken ordnen und in Worte fassen.
"Menschen? ... ", meine Antwort war fast fragend obwohl ich mir sicher dass es Menschen waren. Ich kannte den Geruch ja vor dem ich mich hüten musste. Kannte die Geräusche.

Während ich noch darüber nachdachte, wie ich meine Antwort am besten in Worte fassen konnte, trat der Fremde zur Seite. Überrascht und im Gedankengang unterbrochen, starrte ich erstmal den Wolf an. Dann wiederum das Reh, und dann wieder den Wolf? Durfte ich wirklich?
Ich machte einen vorsichtigen Schritt nach vorn, duckte mich leicht.
Doch der Fremde setzte sich abseits, machte es sich bequem und so konnte ich mich nicht länger halten und schnellte nach vorn.
Nun ja. Zumindest schneller als ich vorher unterwegs war. Immer wieder vorsichtig dem Fremden einen Blick  zuwerfend, zog ich einen Halbkreis bis ich beim Reh war.
"Danke ..."

Als ich tatsächlich nah genug beim Reh war und nun der Geruch vollends sämtliche anderen Gerüche überdeckte, versank ich meine Zähne ins übrige Fleisch und hastig verschlang ich gierig was ich fassen konnte. Wie lange ich schon nicht mehr gefressen hatte? ...
Meine Gedanken waren völlig vernebelt von dem Fleisch, so dass ich fast vollständig vergaß dass ich nicht alleine war und trotzdem jederzeit was passieren konnte.
Aber es schmeckte zu gut. Tat zu gut. Die Geschichte musste wohl ein wenig warten, bis mein Magen voll war und ich wieder klarer denken konnte.


RE: Amuary & Rakesh | Beginn Passus X - Rakesh - 20.07.2021

Menschen? Die Bilder kamen in Sekunden, nackte Bleichgesichter mit ihren Waffen, wie sie durch den Wald trampelten und Angst und Schrecken verursachten. Ich sah die glänzende Falle wieder vor mir und spürte augenblicklich ein leichtes Pochen in meinem Hinterbein. Unauffällig schob ich es näher unter meinen Körper.
Menschen? Die Kleine hatte ihre Antwort wie eine Frage klingen lassen, fast schon unsicher, ob sie die falschen beschuldigte. Ich war mir sicher, dass es nicht so war. Wer mit den Menschen zu tun bekam, der verlor - immer. Wer wusste das besser als ich? Ich hatte mein Leben behalten können, doch was hatte ich alles verloren? Meine Gefährtin, meine Welpen, meine Zukunft. Wenn die Menschen kamen, dann verlor man. So war es immer.
 
Ich musterte die Kleine, in meinem Blick lag plötzlich eine Schwere, die vorher nicht dort gewesen war. Ich erwartete, dass sie noch mehr erzählen würde, doch ich hatte mich zu früh bewegt, ihr den Blick auf die Beute freigegeben. Gutmütig lehnte ich mich zurück und beobachtete ihre zögernden Bewegungen, die vorsichtige Annäherung an die Beute. Wie lange sie wohl nichts mehr gefressen hatte? Ihre Rippen schimmerten unter ihrer Haut hindurch, während sie sich vorsichtig in einem Bogen der Beute näherte und mir immer wieder skeptische Blicke zuwarf. Doch als sie sie endlich erreicht hatte, packte sie hastig zu und ich nutzte die Zeit, um mich wieder zu sammeln, die Vergangenheit wieder nach ganz hinten in meinem Kopf zu schieben und mich auf das hier und jetzt zu konzentrieren.
Ich wartete geduldig ab, bis die Kleine ihren Hunger gestillt haben würde und mir erzählen konnte, was ihr passiert war.


RE: Amuary & Rakesh | Beginn Passus X - Amuary - 01.10.2021

Ich war wie in Trance als ich so viel Fleisch von dem Kadaver nagte wie nur möglich. Die ganze Zeit über hatte ich gar nicht mehr richtig bemerkt gehabt WIE hungrig ich eigentlich die ganze Zeit war. Aber mein Körper zeigte es jetzt mehr als deutlich.
So frass ich und ließ mich benebeln, bis der größte Hunger endlich gestillt war. Also so ziemlich fast der ganze Hunger gestillt war. Mein Bauch fühlte sich kugelrund an. War er kugelrund? Während ich mir die Lefzen noch abschleckte, versuchte ich auf meinen Bauch zu gucken, bis mir plötzlich ein anderer Gedanke kam.
Ich war ja nicht alleine!
Erschrocken sah ich wieder zu dem Fremden. Der Große Wolf saß immer noch da und hatte sich kaum bewegt. Einen Augenblick verharrte ich unbewegt, bis ich mich etwas unsicher setzte und immer mal wieder unschlüssig mein Maul abschleckte.

Er wollte bestimmt immer noch wissen wie es dazu kam, dass ich alleine war.
So genau wusste ich das ja eigentlich auch nicht ... Aber ich versuchte meine Gedanken zu sammeln, bis ich dann einfach anfing zu reden. Immerhin hab ich schon so lange mit keinem anderem geredet.
"Ich glaube ich habe Mama und Cuno verloren ... Ich bin vielleicht in eine andere Richtung gelaufen als sie. Und als ich nach ihnen suchen wollte, fand ich Papa. Er hatte keinen Kopf mehr." Nachdenklich legte ich den Kopf schief. Nein, irgendwie klang das, als ob was fehlen würde. Oder? Fehlte etwas?
"Vorher war eigentlich alles gut. Mama und Papa waren jagen. Cuno und ich haben gespielt und uns versteckt.
Bis es in einer Nacht ganz anders war und wir laufen mussten. Weg von den Menschen glaube ich." Menschen ... Menschen waren für mich eigentlich nur formlose Gestalten deren Gerüche sich überall wie klebriges Zedernleim legte... Oder so ähnlich.

"Ich glaube ich kann keine Geschichte erzählen ... ", musste ich mir eingestechen und sah den großen Wolf ängstlich an. Was würde er tun wenn ich ihm keine Geschichte erzählen konnte?
"Mama kann gut Geschichten erzählen. Wenn wir sie finden, dann kann sie dir bestimmt eine tollere Geschichte erzählen. Sie hat auch viel mehr erlebt als ich und kennt ganz viele Geschichten!", meinte ich beschwichtigend und hoffte dass es ok war wenn er erst später eine Geschichte bekommen würde.